Apesframed machen authentische Musikvideos und nehmen sich dabei genügend Spielraum für Imperfektionismus und Zufall. Im Interview sprechen sie über Frauen in der Filmbranche und die neue Wertigkeit des Formates.
»Was ist menschlicher? Der hyperstylische, inszenierte Instagramer oder der Affe?«, fragen sich Martyna Trepczyks und Nicola von Leffern. Sie verstehen sich als Regieduo – das gibt es selten, aber zu zweit gefällt ihnen die Arbeit einfach besser. Wenn ein neues Musikvideo durch Signature-Farben und intelligente Kontraste heraussticht, Menschen und Natur auf cineastische und nicht-klischeehafte Weise mit dem Song zusammenspielen, ist die Chance groß, dass die Girls, die hinter dem Namen Apesframed stehen, etwas damit zu tun haben. Martyna Trepczyks und Nicola von Lefferns Stil ist so ähnlich, dass sie von Freunden zur Zusammenarbeit verkuppelt wurden. Ihre Arbeit kennt man von Videos für österreichische Darlings der Musikszene wie Avec, Leyya oder Those Goddamn Hippies. Für ihr gemeinsames Regiedebüt verliehen sie MOTSAs »Petrichor« die perfekten Bilder.
Wie laufen die aktuellen Projekte, wie geht es voran?
Martina: Wir haben einen Muskelkater vom Schleppen beim Dreh für einen Werbefilm gestern, weil wir in drei Locations zu zweit auf- und abgebaut haben. Das wäre eigentlich ein Job für vier gewesen (lacht).
Nicola: Ich finde körperliche Arbeit ganz gut im Ausgleich zur kreativen Kopfarbeit.
Martina: Im Verleih wurde ich einmal gefragt, ob mir die Kamera nicht viel zu schwer ist. Ständig will mir jemand helfen oder mit mir flirten. Es ist immer wieder Thema in der Branche, dass wir Frauen sind.
Nicola: Das liegt auch daran, also Martina – du bist wirklich klein und süß! Einen kleinen Mann würde ich auch fragen, ob er Hilfe beim Tragen braucht.
Warum habt ihr euch entschlossen, ein gemeinsames Projekt zu starten?
Nicola: Film ist generell etwas Kollaboratives, man arbeitet immer mit anderen. Es ist aber schwierig, jemanden zu finden, der das selbe ästhetische Empfinden hat, darum ist Regie auch meist ein Einzeljob. Es ist aber schon viel geiler zu zweit und natürlich wird man als Frau in der Branche generell nicht so stark gesehen – als Duo ist das einfacher. Doppelte Power.
Ihr wollt als Duo wahrgenommen werden und habt mit der Regie auch die leitende Rolle. Mit wem arbeitet ihr sonst gerne zusammen?
Martina: Apesframed sind wir beide. Frauen ganz oben in der Filmhierarchie gibt es leider zu selten. Das wollen wir ändern. Aber wir arbeiten gemeinsam mit einem Kameramann, Jakob Carl Sauer, der eigentlich lieber »Bildermaler« genannt wird. Und natürlich auch mit anderen Menschen, mit denen wir davor schon gerne zusammengearbeitet haben. Sie alle sind Teil unserer Affenbande.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Künstlern? Kommen sie schon mit Ideen zu euch, oder habt ihr völlige Freiheit
Nicola: Viele Musiker haben zu ihren Songs gar keine Bilder im Kopf, was mich total wundert.
Martina: Bisher wurde uns immer viel Vertrauen entgegengebracht. Viele sind froh, wenn das Visuelle jemand für sie übernimmt. MOTSA kam mit einer abstrakten Stimmung zu mir. Dann haben wir das als Anlass genommen, Apesframed zu starten und zusammenzuarbeiten.
Nicola: Wir hatten wirklich sehr ähnliche Vorstellungen.
Martina: Man kann sich das so vorstellen wie Zahnräder, die ineinandergreifen. Innerhalb eines Nachmittages stand das Konzept. Der Dreh selbst war recht experimentell und aufregend. Wir sind zu dritt in den Alpen herumgefahren, auf der Suche nach Nebel und den Bildern, die wir wollten. Einmal sind wir mitten auf der Autobahn auf die Bremse gestiegen, um den perfekten Moment einzufangen. Im Kontrast dazu war es auch schön, mit über 20 Leuten stundenlang an nur einem Shot zu basteln. Das war dann der zweite Drehblock in Wien. Jeder Beteiligte hat so sehr an dieses Bild geglaubt – das gibt ein unheimliches Gefühl, das kein Honorar der Welt geben kann.
Es ist ja eigentlich so, dass unsere Generation mit MTV großgeworden ist, jetzt hat sich die Situation geändert. Welchen Zugang zu Musikvideos hat die Generation Streaming?
Nicola: Diesen budgetären Absturz, wenn man das so sagen kann, habe ich nicht so miterlebt, damals haben wir ja nur konsumiert, nicht produziert. Dadurch stört mich die Situation jetzt auch nicht so. Ich finde aber keineswegs, dass die Qualität der Videos nachgelassen hat.
Martina: Videos waren in den 90ern superwichtig, dann hat es ein bisschen nachgelassen. Mit dem Internet und YouTube ist es jetzt anders, aber nicht unbedingt schlechter. Du kannst es dir als Musiker nicht mehr erlauben, nichts online zu haben.
Nicola: Du kannst dir nicht mehr erlauben, überhaupt einen Song ohne Video zu veröffentlichen. Also diese Standbilder – ganz ehrlich. Nimm Bilderbuch: Sie sind unter anderem so erfolgreich geworden, weil das ganze visuelle Konzept Hand in Hand mit der Musik geht.
Martina: Vor ein paar Jahren konntest du noch ohne diese Präsenz groß werden. Heute gewinnt das Format an Wichtigkeit wieder dazu.
Auch als Kunstform?
Nicola: Ja, es wird mehr und mehr so wahrgenommen. Nicht nur bei den Filmkollegen, sondern auch bei den Konsumenten – nicht nur als eine Form von Popkultur, sondern auch als eine Form von Kunst. Bei vielen Festivals gibt es mittlerweile eigene Musikvideo-Kategorien, in Österreich beispielsweise beim Crossing Europe oder beim VIS. Kurzfilme sind etwas sehr Spezielles für ein bestimmtes Publikum, aber Musikvideos schaut eigentlich jeder. Da hat man schneller Zugang. Du kannst Kurzfilme machen, die plötzlich viel mehr Leute erreichen. Sie verbreiten sich von selbst und sind international gültig.
Martina: Man kann sich austoben, es gibt wenig Grenzen. Das ist genau das, was uns Spaß macht.
Ihr nennt euch APESFRAMED. Welche Affen seid ihr genau?
N: Die, die in den heißen Quellen sitzen und chillen.
Wer steht auf eurer Wunschliste?
Nicola: Wir wollten beide schon immer was für Efterklang machen, und sind sogar gerade mit ihnen im Gespräch, was uns total freut.
Martina: Ich würde jetzt gerne mal was für eine coole Frau machen. Solange ist natürlich der Wahnsinn, aber sie hat uns nicht nötig, weil sie mit dem Regisseur Alan Ferguson verheiratet ist (lacht). Lianne LaHavas, oder Daughter hingegen: Wundervolle Musik, aber schlechte Videos. So klischeehaft. Für die würde ich auch liebend gerne was machen.
Nicola: Beyoncé hat mit »Lemonade« die Messlatte bei Videos generell neu gesetzt, hierzulande war das Bilderbuch. Also, wenn sie was von uns brauchen, würden wir es sofort machen. Und natürlich SOHN, Soap & Skin, da gibt es viele …
Martina: … und unbedingt Schmieds Puls.
Wie beurteilt ihr die Musikvideolandschaft in Österreich?
N: Also, der einzige Punkt, wo unsere Meinungen auseinander gehen, ist der: Ich mag halt auch Trash und Martina nicht. Yung Hurn feier ich total. Vor allem das Neue. Diamant! I love it!
M: Nein. Nein. Nein.
N: Das müsst ich dann ohne dich machen.
Was ist mit eurem Instagram Account passiert?
M: “Vanessa_hot_4616 – Look at me naked here”? Ja, es ist halt super ironisch, dass ein Profil von feministischen Filmemacherinnen gehakt wird und zu irgendetwas Sexistischem wird.
N: Aber unsere Followerzahl ist seitdem nach oben gegangen (lacht).
M: Mittlerweile haben wir aber den Account zurück erobert.
Welche Bedeutung hat das Budget bei eurer Arbeit?
Nicola: Alle haben die selbe Vorstellung: Es muss nichts Aufwendiges sein, nur eine gute, einfache Idee und günstig umzusetzen. Den Spruch hört man einmal pro Woche. Und dann frag ich mich – hattest du diese Idee schon? Weil wenn nicht, was erwartest du von mir? Wie viele supergeile, superbillige Ideen soll ich haben?
Martina: Es ist schwer, Leuten, die mit Film nichts zu tun haben, zu erklären, wie aufwendig und kostenintensiv das wirklich ist. Mir ist schon oft Unverständnis begegnet, sobald ich reale Zahlen genannt habe, was Budget oder Honorar betrifft.
Nicola: Also wir würden nie grundsätzlich kleinere Projekte ablehnen, nur im Gegenzug erwarten wir uns eine intensive Zusammenarbeit. Es macht einen Unterschied, ob man an einem Auftrag arbeitet oder an einer Kollaboration.
Martina: Im Endeffekt würde es ja auf uns zurückfallen. Oft sind die Berechnungen halt sehr vage und decken sich nicht mit der Zeit, die du reinsteckst. Im Grude soll es aber eine Bereicherung sein, wir machen es aus Liebe.
Frischer Wind in der Musikvideo-Landschaft tut gut. Zukünftige Projekte der zwei stehen in den Startlöchern. Bis dahin kann man Augen und Ohren ruhig noch ein paar Mal mit »Petrichor« verwöhnen.