Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Cro feiert seit nunmehr drei Jahren Riesenerfolge mit Aufrufen zur Sinnfreiheit. Was das über uns aussagt und für den deutschen HipHop bedeutet.
Musik an, Welt aus: Das ewige Nörgeln der Sorgen, den gesamten Weltenschmerz mit ein paar möglichst lauten Klängen übertönen. Laute Wasser sind seicht – und manchmal muss das auch so sein. Zweieinhalb Minuten reine Freude an der Existenz, Kurzurlaub vom Denken. Es muss ja nicht immer komplexe Gesellschaftskritik, emotionaler Seelenstriptease oder tiefsinniger Existenzialismus sein. Da würde man ja irre werden. Doch ein Mann hat sich diese Gehirnpausen als Hauptprogramm auf die Fahnen geschrieben. Cro zog 2011 gegen den Tiefgang ins Feld, gerüstet mit Maske und Mixtape. Die Tracks waren Lobeshymnen auf die Lebenslust, sie betonten die Vorteile eines sorgenfreien und genügsamen Lebensstils. Dazu müsse man nur spontan sein, sich mit den einfachen Dingen zufriedengeben und das Leben unbedingt in vollen Zügen genießen. Erfahrungsgemäß all die Eigenschaften, die Jugendliche unisono für sich beanspruchen. Alle zusammen gleich anders. Cro traf punktgenau das Lebensgefühl einer gesamten Generation, den »Ewigheutigen«, und feierte damit Wahnsinnserfolge. Das Ganze noch garniert mit tanzbaren Beats simplen Ohrwurmhooks, und – zap! – ward ein Personenkult geboren. Im Juli 2012 kam dann »Raop«, und der Sommer gehörte dem Panda-Mann. Den selbstreflektierten Albumtitel muss man ihm dabei ja noch zu Gute halten.
Nun ist leichtfüßige Sommermusik ja nichts Neues und hat auch durchaus ihre Existenzberechtigung. Easy. Allerdings sollte ein Künstler auch mal zeigen, dass er mehr drauf hat. Vor allem im HipHop, wo Respekt nicht einfach auf der Straße rumliegt, sondern sich auf selbiger erarbeitet werden soll. So sehen das zumindest die alten Hasen dieses traditionsträchtigen Genres. Doch das scheint auf Cro einfach nicht zuzutreffen. »Whatever« erschien 2013 und verkaufte sich über 300.000-mal, die Single mit dem gleichnamigen Titel wurde im Radio rauf- und runtergespielt. Seine Fans laufen ihm anscheinend so bald nicht weg. Finanzielle Gründe für einen Stilwechsel oder gar eine Neuerfindung gibt es also nicht, und die Anerkennung der Genrekollegen scheint Cro herzlich egal zu sein. Und genau hier wird es dann problematisch.
Gegen irgendwas, bitte
HipHop ist mehr als nur Musik. Es ist eine Kultur, komplett mit Kodex, traditionellen Gewändern und Heldenverehrung. Für manche Musiker bedeutet es ein Lebensgefühl. Wer dazugehören will, muss auch bereit sein, ein paar Regeln zu akzeptieren. Und vor allem sollte man diese Kultur nach außen hin respektvoll und angemessen repräsentieren. Immerhin hat HipHop einen langen Weg hinter sich, auf dem es auch mal blutig wurde. Das bedeutet nun nicht, dass man Realness nur durch Schießereien mit der Polizei erlangen kann. Oder dass neue Wege grundsätzlich verboten sind. Bei all den verschiedenen Strömungen in diesem Genre weiß sowieso niemand mehr wirklich, was nun wirklich true ist und was nicht. Aber eine gewisse Ehrfurcht vorm Ursprung, vor den reimenden Straßenjungs, das muss schon drin sein. Und sei es nur durch das Tragen von Baggy-Pants und einer gelegentlichen Kampfansage. Gegen irgendwas. Establishment, Rapper, Krieg. Hauptsache dagegen. Und wenn es nur zum Spaß ist. Symbolwirkung ist das Zauberwort.
Und nun kommt so ein Kerl in Skinny-Jeans und Panda-Maske daher, trällert darüber, wie wunderbar das Leben nicht sein kann, wenn einem alles und jeder scheißegal ist, und nennt das dann HipHop. Er packt sich damit also in dieselbe Kategorie wie die Gossenpoeten, die Aufrührer, Aufschneider und kreativen Genies des Genres. Und feiert damit einen unfassbaren Erfolg. Auf einmal bezeichnen sich ein Haufen Kids als Rap-Fans, obwohl sie noch vor ein paar Jahren das ganze »Gangster-Gehabe« von Aggro Berlin und Co. zum Kotzen fanden. Die Reaktion der Rap-Gemeinschaft kam prompt – KC Rebell, Farid Bang und Sido widmeten dem »King of Raop« ein paar unfreundliche Zeilen. War ihm aber anscheinend egal. Seine Musik erreichte die Massen, lief im Radio auf Dauerschleife, und die Konzerte waren ausverkauft.