Alles nur geklaut?

Helene Hegemann hat in ihrem Bestseller „Axolotl Roadkill“ andere Autoren und Songwriter zitiert, ohne die Zitate als solche anzuführen. Nach Bekanntwerden berief sich die junge Autorin auf die Remixtechnik einer neuen Literaten-Generation. Alles Rechtens? Oder doch bloß faule Ausreden einer Plagiatorin? Und: Was sagt uns die Debatte über den Zustand der Kulturkritik?

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Das alles bestimmende Feuilleton-Thema des Februars denkt nicht daran abzudanken: Während man nach Auftauchen der Plagiatsvorwürfe gegen »Axolotl Roadkill«, dem bis zu diesem Zeitpunkt als Jahrhundertwerk gepriesenen Coming-of-Age-Roman der erst 17-jährigen Helene Hegemann, anfänglich dachte, der Literatur-Betrieb rudere nun unauffällig zurück, ist die Debatte mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Kein Tag vergeht, an dem Helene Hegemann nicht entweder verdammt oder verteidigt werden muss, die seltsamsten Allianzen geschmiedet werden und sich manch Literaturkritiker auf seine älteren Tage zum Creative-Writing-Workshop-Leiter berufen fühlt. Ist ja auch kein Wunder, wird am Fall Hegemann doch der Finger in all jene Wunden gelegt, die im Zeitalter der Digital Natives schon viel zu lange vor sich hin klaffen: Was ist der Unterschied zwischen einem Zitat und einem Sample? Und wann wird Copy/Paste zum Plagiat? Warum wird die Verwendung eines David-Foster-Wallace-Satzes abgeklärt, während man die Texte des unbekannten Bloggers Airen 1:1 übernimmt, ohne das auch nur irgendwo zu vermerken? Der Hype um Helene Hegemann hat sich ursprünglich darauf kapriziert, die Stimme einer Generation entdeckt zu haben, die das Erlebte, Erdachte, das Kopromisslose wie die Abgeklärtheit der Generation »Berlin-Techno und Easyjetset« (© Tobias Rapp) noch einmal zwischen zwei Buchdeckeln destillieren konnte. Es sollte ein Triumph des Mediums Literatur über Blogs, Twittermeldungen und SMS sein, inklusive der dem Literaturkanon eingeschriebenen Parametern Geniekult und authentische Kaputtheit, im schrill drogenumnebelten neuen Gewand. Und vielleicht ist das ja das wirklich Ensetzliche an der Debatte, wie Klaus Nüchtern im Falter bemerkt: »Wird das angeblich ketzerische Mädchen vom Literatur-Establishment der alten Männer gehasst?

Die lieben sie doch, weil Hegemann brav nach Vorschrift böse ist – ganz so, wie es jene alten Säcke von ihr erwarten, die sich nun als Apologeten des jüngsten Radical Girlie Chic gerieren. Wenn die Jugend sich ihre Albträume von den Erwachsenen diktieren lässt, ist sie echt zu bedauern.«

Themen:
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...