Ich baue, also bin ich: Die Do-it-Yourself-Bewegung hat die Designszene der vergangenen Jahre geprägt. Doch wie revolutionär und nachhaltig ist sie tatsächlich? Antworten darauf könnte man in einer neuen Ausstellung im MAK finden.
Basteln für Bobos?
"Nomadic Furniture 3.0. Neues befreites Wohnen?" lautet der Titel einer aktuellen Schau im Haus am Stubenring und er ist für Laien im ersten Moment wohl eher schwer zu verstehen. Denn er spielt auf zwei wegweisende Publikationen mit dem Titel "Nomadic Furniture" an, die der österreichstämmige Victor Papanek, ein Pionier des Green und Social Design, mit dem Designer James Hennessey in den 70er Jahren herausgab. Der Untertitel des ersten Bandes lautete: "How to build and where to buy lightweight furniture that folds, inflates, knocks down, stacks, or is disposable and can be recycled. – With many easy to follow illustrations." Handwerkertum gehörte in den USA der Nachkriegszeit zum Pflichtprogramm für Männer, und diese Tradition griffen die beiden Designer im Geiste der 68er Generation auf, um dem Selbermachen eine neue Dimension zu verleihen: Die Nachbaumöbel waren nicht nur flexibel, was dem Trend zu wachsender Mobilität entgegenkam, sondern verhießen auch eine Unabhängigkeit vom kommerziellen Markt und ökologische Verträglichkeit (gegen Kunststoff!). Mit wenig Geld tolle Möbel zu bauen, das klang vielversprechend.
Ikea-Prinzip – bevor es Ikea gab
Klingt es noch immer. Nicht zufällig hat die DIY-Manie uns gerade in einer Krisenzeit erfasst, die derjenigen vor 40 Jahren in manchen Punkten nicht unähnlich ist. Bereits um 1930 entwarf der Niederländer Gerrit Rietveld einfach versendbare Möbelbauteile, die nach Bedarf auch lackiert werden konnten (sozusagen nach dem Ikea-Prinzip, nur vor Ikea). Den Startschuss für den jetzigen Trend zur Eigeninitiative in Sachen Einrichtung setzte vor ein paar Jahren die Gruppe Recession Design bei der Mailänder Möbelmesse, zu einer Zeit, als sich die Krise in der Branche mächtig auszuwirken begann – mit enormen Einbrüchen beim Umsatz und vielen abgebrochenen Projekten von Designern. Die Baupläne von Recession Design kursierten schnell im Internet, und viele andere Designerinnen und Designer folgten. So zum Beispiel Studio Mama mit Möbeln aus Palettenholz. Oder der Berliner Architekt Le Van-Bo, der mit seinen "Hartz IV-Möbeln" zu einer Art Designguru der Facebook-Generation geworden ist. Er finanzierte nicht nur sein Hartz IV-Möbelbuch mittels Crowdfunding, sondern ließ seine Community auch gleich bei den Inhalten mitbasteln. Basisdemokratie pur also, der die sonst übliche Top-Down-Methode in der Designbranche (der Designer entwirft, der Konsument kauft) auf den Kopf stellt.
Warum der Erfolg von DIY? Am Billigfaktor allein kann es wohl nicht liegen. "Wir haben viel in Blogs und Foren recherchiert, wo sich die Leute nicht nur austauschen, sondern auch etwas über sich erzählen. Hier findet man vor allem eine junge urbane, kreative Mittelschicht, irgendwo zwischen Berlin und New York", erzählt Martina Fineder, die mit den beiden MAK-Kustoden Sebastian Hackenschmidt und Thomas Geisler die Ausstellung kuratiert hat. Will heißen: Manche der Neo-Kreativen mögen zwar in prekären Verhältnissen leben, das Selberbasteln spricht aber genauso vermögendere Schichten an, die sich auch "fertige" Designermöbel leisten könnten, aber mit Selbstbaumöbeln an ihrem eigenen Image zimmern wollen: Anti-Kommerz, Kreativität, Hands-on-Mentalität – wer will sich nicht mit solchen Attributen schmücken?
Manch einer findet es noch immer total verwegen, sich für seine schicke Altbauwohnung einen Couchtisch aus Sperrholz zusammenzuschrauben. Selbst für die ganz Faulen, die den Weg ins nächste Bauhaus scheuen, gibt es eine Lösung: Die finnische Firma Artek hat ein DIY-Kit nach einem alten Entwurf von Enzo Mari auf den Markt gebracht, da braucht man nur noch die fertigen Einzelteile auszupacken und zusammenzuschrauben – Ikea für Leute mit größerer Geldbörse, sozusagen.