Left Boy left. Dank mangelndem Fingerspitzengefühl beim Booking gabs am Hip Hop Open fliegende Becher und fliehende Rapper.
Es hat alles so gut angefangen – mit einer korrekten Entscheidung. Trotz Regenwarnung blieb das Hip Hop Open seinem Namen treu. Das Vertrauen in die Wetterfestigkeit der Rapfans war berechtigt. Weder Luftfeuchtigkeit noch Matsch konnte die Besucher am Abfeiern hindern. Da hat wohl jemand aus dem Fehler der Kollegen vom Sureshot Festival gelernt (wir berichteten).
Spätestens ab dem Duzz Dawn San Cypher herrschte am Gelände der Hip Hop. Schräge Mützen, weite Hosen, Slang, Gemütlichkeit. Manche Acts zogen direkt von der Bühne an die Bar, mischten sich unters Volk. One Family. Doch hier und da störten Left Boy-Shirts das Bild. Deren Träger zogen allerlei schiefe Blicke auf sich. Zukünftige Ereignisse warfen ihren Schatten voraus.
Wegen der Realness warats
Doch vorerst bliebs friedlich. Beim Österreich-Debüt von Hilltop Hoods hüpften noch alle gemeinsam. Der Besuch war längst überfällig. Und viel zu kurz. Nach 50 Minuten war das Fest vorbei, und es drängt sich die Frage auf, ob der viertletzte Slot nicht ein Fehlgriff war. Blumentopf zogen danach ihre Partysafari souverän durch. Dank Freestyle und tanzbaren Tracks verstärkte sich die gute, alte Rapstimmung immer mehr.
Nach 5 Minuten Umbauphase prangte bereits das Left Boy-Plakat von der Bühne. Ab diesem Punkt teilte sich die Menge dann in zwei Lager. Etwa 70% holten sich ein neues Bier. Der Rest drängte nach vorn. Bei den Bars schnappte man verärgerte Gesprächsfetzen auf. Was machtn der hier, is doch ein Hip Hop Festl, wegen der Realness warats. Ein überdimensionierter Stammtisch voller Nas-Fans, die sich nach Battles und Bronxromantik sehnten. Und darauf hatten sie, gemessen am Status des Headliners, auch tatsächlich ihr gutes Recht.
Mit EDM ins Grab
Und plötzlich – Bass. Left Boy kündigte sein Kommen mit einer Tirade an EDM-Samples an, rennt auf die Bühne, und ruft selbstironisch „Hi, I’m Justin Bieber.“ Punkt für ihn. Doch damit war sein Schicksal besiegelt.
Je länger die Show dauerte, desto tiefer schaufelte er sich sein eigenes Grab. Sie war nicht schlecht, sondern einfach komplett fehl am Platz. Nach 15 Minuten stürmten 10 Tänzer die Bühne und versprühten Boyband-Flair. Zuseher in Baggy-Kleidung warfen einander empörte Blicke zu. Nach 30 Minuten verkleidete sich der DJ als Zigarette. Aus der Masse tauchte ein Schild auf: „WTF? Real Hip Hop?“. Und nach 40 Minuten gabs statt Rap ein Medley aus Charthits der letzten 30 Jahre. Die Buhrufe waren inzwischen aber eh lauter.
Jack Sparrow verlässt das Schiff
Der Künstler selbst ging damit vorbildlich um. „FINALLY! The first time I’m geeting booed on stage! Come on, give me a LOUD one!“, und munter gings voran. Die ersten paar Reihen gaben sich weiterhin redlich Mühe, Spaß zu haben.
Doch bei „Jack Sparrow“ in der Zugabe flogen dann die Becher. Der Kapitän verließ hastig das sinkende Schiff. Der Hip Mob wirkte außerordentlich zufrieden mit seiner Leistung, und sicherte sich eifrig Plätze für seinen Säulenheiligen Nas. Bei dessen wirklich grandiosem Auftritt sang dann wieder jeder brav „One Love!“. Hip Hop Hypocrites.
Die Wut war berechtigt. Nur traf sie den Falschen.
Der einzige tatsächliche Fehler des Hellerkinds ist es, sich als Rapper zu bezeichnen. Was er genau genommen nicht einmal tut. Die Musik funktioniert dank Tanzwut-Beats und EDM-Samples. Als MC hat der Mann wenig zu bieten. Am Urban Art Forms war er daher top eingesetzt. Dort kann man dann auch dieses Show-Pendant zu Wonkas Schokoladenfabrik auf die Bühne pflanzen. Inklusive Banner mit Aufschrift „Hip Pop“, übrigens. Woran erinnert uns das nur..
Der Subheadslot vor Nas war eine kleine Frechheit. Ein Veranstalter muss zuallererst sein Publikum kennen. Und hier dürfte die Klassifizierung leicht gefallen sein. Nas performing Illmatic. Wer dafür 45 Euro zahlt, dem fließt Rap durch die Venen. Manche sind damit aufgewachsen. Andere bilden sich das vielleicht nur ein. Doch gemein haben sie, dass ihnen Hip Hop am Herzen liegt. Und diesen Leuten dann erst mal mit Cyphern, BBoys und Freestyle einheizen und ihnen dann Hip Pop vorsetzen, das geht gar nicht.
Wie viel kostet so ein Headliner-Slot?
Zwischen Dubstep und Wackrap hörte man immer mal wieder die Kassen klingen. Solche Bookings erweitern die Zielgruppe und verkaufen Tickets. Bis zu einem gewissen Grad okay, doch hier wurde er überschritten. Das rechtfertigt noch nicht den Zorn gegen die Person Left Boy. Hier wurde ein Fehler gemacht. Und vielleicht war es sogar seiner. Dass er den Headliner-Slot für sich beanspruchte, nicht einfach nur gleich gross am Plakat wie Nas, sondern eben vor Nas, das hielten viele für ein Zeichen. Vielleicht dafür, dass da ein sehr talentierter Empörkömmling Musik macht, der am Ende des Tages eben doch glaubt, dass man sich den Weg nach oben mit Geld kaufen kann. Nas hat es dagegen nicht nötig auch nur eine Zeile auf die Hackordnung zu verschwenden. Er hat "Illmatic" geschrieben. Und nachher auch noch eine Menge exzellenter Reime.
Lefti als Vorvorletzter wär wohl sogar dem härtesten Realkeeper wurscht gewesen. An Subhead-Alternativen mangelte es nicht. Nur am Feingefühl für die Bedürfnisse einer Community, der ihre Kultur ausnehmend wichtig ist. Dafür sind Veranstalter doch da. Ansonsten wärs dank starker Acts, frischer Luft und guter Stimmung ein Freudenfest geworden. Fehler passieren. Lernt daraus. Get It Right.