Amazonen der Liebe

Die Savages besingen auf »Adore Life« die Liebe, trocken, nüchtern, mit harten Gitarren, in ruhigeren Songs und in all ihren Facetten.

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Liebe – das wohl am öftesten besungene Gefühl der Musikgeschichte. Mit Liebe bzw. derem düsteren Pendant, dem Liebeskummer, verdient der Pop-Businessman seit Jahrzehnten gutes Geld, denn er weiß: Der gemeine Hörer kann einfach was anfangen mit Liebe – und somit auch mit Liebesliedern, der sichersten aller sicheren Nummern in den Charts. Obwohl Liebeslieder schon seit Jahrzehnten ähnlichen Motiven folgen, kollabiert das System „Love“ nicht. Mit rührseligen Texten, emotionalem Gesang und opulenter Instrumentierung, lassen sich immer noch Millionenseller schaffen. Jüngstes Beispiel: Das neue (dritte) Liebeskummer-Album von Adele.

Liebe mit Faust

Auch die Savages singen auf ihrem neuen Album von Liebe. Bitte nicht falsch verstehen: Die Savages machen jetzt keine Powerballaden, drehen keine Musikvideos auf Rosenbetten und spekulieren auch nicht auf Platz 1 der Charts. Ihr neues Album kommt ohne jeglichen Kitsch daher. Liebe ist schließlich ein vielschichtiges Thema – und die vier jungen Damen aus Großbritannien gehen es auf ihre eigene Art und Weise an. Ein popkulturelles Beispiel: Während bereits erwähnte Adele sepiafarben am Telefon rumheult, ballen die Savages, wie es das Albumcover suggeriert, lieber ihre, von Ringen besetzte, Faust in der Luft und schreien mit voller Inbrunst: „This is what you get, when you mess with love“.

Savages rebellieren auf ihrem neuen Album – sie starten eine Revolte für das Leben, für die Liebe. Ihr Albumtitel besteht daher aus der schlichten, gleichermaßen treffenden Aufforderung „Adore Life“. Die Savages sind immer noch laut und unbequem wie auf ihrem bereits sehr guten Debüt „Silence Yourself“. Auf „Adore Life“ lässt sich nun jedoch eine deutliche Weiterentwicklung vernehmen: Die vier Londonerinnen kanalisieren ihre Rebellion in textliche und musikalische Leitmotive: Die Schlüsselbegriffe ihres neuen Albums sind „Love“ und „Adore (Life)“ – beide tauchen konstant auf dem Album auf. Ist „Adore Life“ nun ein Konzeptalbum zur Liebe? Kann man gerne so sehen!

Aus einem Guss

„To wait for hurt / To wait for dying / I can’t wait, I saw the answer […] Love is the answer“ singt Frontfrau Jehnny Beth im Refrain des Openers „The Answer“. Liebe als Antwort auf alles – klingt romantisch, wird aber nicht romantisch dargeboten. Die Zeilen werten von einem harten Gitarrenriff untermalt, der Bass zischt merklich laut, die Drums knallen hart. Wer braucht zu so schönen, klar formulierten Zeilen noch überproduzierte Streicherarrangements? „The Answer“, das auch die erste Single des Albums war, ist das Liebeslied für die einsamen Seelen, die nachts alleine an der Theke der ewig unterbevölkerten Indie-Szenebar stehen und das x-te Bier bestellen. „If you don’t love me / Don’t love anybody“ heißt es weiter darin. Wer kann das nicht nachfühlen.

„Adore Life“ funktioniert wunderbar als Album – nicht nur wegen der textlichen Leitmotive: Die Savages haben ihr Maß gefunden hat, ohne dabei übermäßig gezügelt zu wirken: Zwischen harten Rockern wie dem bereits erwähnten „The Answer“ und Indie-Disco-Up-Tempo-Hits („Evil“), gesellt sich auch die ein oder andere ruhige Nummer („Adore“). Trotz dieser Diversität wirkt alles wie aus einem Guss – eine Eigenschaft, die dem raueren Vorgänger „Silence Yourself“ aus dem Jahr 2013 noch fehlte. Produziert wurde das Album zwar wieder von Johnny Hostile, der sich auch schon für „Silence Yourself“ verantwortlich zeigte, jedoch holte man sich interessanterweise fürs letztendliche Abmischen des Albums den dänischen Produzenten Anders Trentemøller ins Haus, der eigentlich auf dem elektronischen Bereich kommt. Ein lohnenswerter und sinnvoller Schritt – findet man doch auf „Adore Life“ auch einige elektronisch angehauchte Tracks wie „Surrender“. Aus Trentemøllers Mixing jedenfalls resultiert ein klarerer Sound, der aus dem vielfältigen Songs eine homogenere Masse macht.

Nostalgische Vereinnahmung

Größtenteils blieben die Savages dem Post-Punk-Revival-Sound von „Silence Yourself“ jedoch treu. Die vier Londonerinnen meistern den Drahtseilakt der nostalgischen Ehrerbietung an die Ikonen des Genres (Joy Division, Patti Smith), indem sie nicht schlicht kopieren, sondern ihre Musik vereinnahmen um daraus einen ureigenen Savages-Sound zu kreieren. Auch auf „Adore Life“ stellen die vier Bandmitglieder wieder ihr musikalisches Talent unter Beweis: Gitarristin Gemma Thompson spielt gewohnt großartig. Besonders in den Momenten, in dem sie ihr Spiel reduzieren muss, wie im Song „Adore“, vermag sie sich durch Prägnanz auszuzeichnen. Die Rhythmussektion um Ayse Hassan und Drummerin Fay Milton treibt Songs wie das schnelle „T.I.W.Y.G“ kongenial voran. Hassans Bass zischt durch jede Faser des Körpers, Miltons Schlagzeugspiel wirkt ekstatisch. Zentrales Element der Band bleibt jedoch Frontfrau Jehnny Beth, die mit ihrem variantenreichen und zugleich irrsinnig coolen Gesang den Trademarksound ihrer Band vergoldet.

Auf „Adore Life“ überzeugen die Savages überraschenderweise vor allem in den vielen stillen Momenten. Besonders das ruhige „Adore“, die dritte Single des Albums, überzeugt vollends und ist zugleich Centerpiece des Albums. In existentialistischer Manier fragt Beth darin mehrfach: „Is it human to adore life?“. Auf „Adore Life“ finden wir tiefe Einblicke in das Seelenleben der jungen Britin Beth – doch in all der Tristesse lässt sich die femme sauvage nicht unterkriegen vom Herzeleid. Vorbildlich, in einer Welt, in der manche Frauen sich selbst nach drei Alben nicht von einer fehlgeschlagenen Liebesbeziehung erholen (Adele).

Wilde

Fazit ist: Die Savages bleiben rau, bleiben unbequem und bleiben schwer klassifizierbar. In aller Stringenz ist die Musik der Savages das Resultat einer klaren Vision, einer größeren Idee: Post-Punk zu zelebrieren, vielleicht auch zu zitieren, ohne sich dem Diktat des Genres, samt seiner Tradition, zu unterwerfen. Unterwerfung lag eh nie im Sinn der Savages – sie sind genau das was der Bandname sagt: Wilde, die ihr eigenes Ding machen. In einem Song vom neuen Album schreit Frontfrau Beth gleich mehrfach: „I need something new“. Das braucht nicht nur sie, das braucht auch die Rockszene an sich. Wie schön, dass es noch Bands wie die Savages gibt, die Ansätze für eine Selbsterneuerung bieten.

"Adore Life" von den Savages erscheint am 22. Jänner via Matador Records

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