Sex sells – logisch. Swantje Marx’ Tagebuchroman »One Night Stand« hebt sich aber angenehm von den Büchern ähnlichen Inhalts der letzten Jahre ab. Es wird nämlich explizit reflektiert.
Die Infos, die der Rowohlt-Verlag über Swantje Marx, Buchautorin von »One Night Stand«, veröffentlicht, sind spärlich. Außer Alter (Jahrgang 1984), Studium (Philosophie und Literaturwissenschaften in Deutschland und England), Job (Werbebranche) und Familienstand (Mutter einer Tochter) weiß man nichts über die Person, die sich zudem auch noch hinter einem Pseudonym versteckt. Da drängt sich förmlich ein kleiner Exkurs in die Gefilde der Namensbedeutung auf, um sich vielleicht etymologisch der Autorin zu nähern.
Nun denn: Swantje leitet sich vom Althochdeutschen swanhiltja ab und bedeutet »Schwanenkämpferin«. Das sind in der Mythologie meist Walküren manchmal auch Elfen, die sich ein Federkleid überwerfen und zum Schwan werden. Stiehlt nun ein unverheirateter Mann diesen freiheitsliebenden, feinsinnigen, elfengleichen Geschöpfen eine Feder aus dem Kleid, kann sich diese nicht mehr verwandeln, muss den dreisten Jüngling heiraten und kriegt dann meist auch noch ein Kind. Der Mythos will es, dass der Nachwuchs dereinst ausplappert, wo der Gatte die fehlende Feder versteckt hält und die Schwanenkämpferin dann wieder zurück in ihre Freiheit flieht.
Das Pseudonym ist jedenfalls gut gewählt, denn um persönliche Freiheit, Freiraum abseits von Beziehungskerkern und bürgerlichen Lebensentwürfen geht es in Swantje Marx’ Tagebuchaufzeichnungen, die zudem erzählerisch geschickt von einer kleinen E-Mail-Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Da die Dame ein »Fundamentalsingle« ist und selbstbewusst nimmt was sie braucht, kann es stellenweise schon mal recht explizit und unverblümt zugehen, wenn über Schwanzlängen und Schwanzumfänge diverser, wechselnder Liebhaber und Mini-Affären gesprochen wird.
Aber das Buch ist mehr und fügt sich definitiv nicht in die Reihe der pseudoschockierenden Fick- und Fotziliteratur der letzten Jahre ein. Denn Swantje Marx reflektiert. Ihr Verhalten, ihr Leben und das Leben der ihr nahestehenden Personen. Das geschieht alles sehr unaufdringlich, ohne schwammiges Herummäandern oder Relativierungen und ist in erster Linie natürlich sehr persönlich gehalten. Gleichzeitig zeichnen die unbarmherzig witzigen An- und Einsichten der hintergründig sensiblen Erotomanin aber eine schöne Bestandsaufnahme einer studentischen Lebenswelt. Ein Alltag, der neben nervigen WG-Mitbewohnern, Partyleben, Drogenkonsum, Thailand-Aufenthalten und Praktikumsnöten letztlich auch eine menschliche Entwicklung der Protagonistin hin zur Ruhe in Freiheit inkludiert.