Adoleszenz ist prinzipiell schon ein Drama. In »Another Coin for the Merry-go-round« trifft’s gleich eine ganze Clique.
Regisseur Hannes Starz kennt sich in der Wiener Underground- und DIY-Szene aus. Mit den Gürtellokalen, den Bandproberäumen und Subkulturbeisln. »In diesem ›Neverland‹ habe auch ich meine Studentenzeit verlebt und bin in Kontakt mit der Wiener Musikszene gekommen«, lässt er wissen und meint mit »Neverland« vor allem ein Gefühl ewiger Jugend, das diesen Orten anhaftet. Genau dort lässt er auch seinen Film »Another Coin for the Merry-go-round« spielen.
Eine volle Packung Coming of Age
Im Fokus steht eine Clique postpubertärer Realitätsverweigernder, die mit Anfang 30 vom Leben eine volle Packung Coming of Age serviert bekommt. Anna (Valerie Pachner), Niko (Voodoo Jürgens), Ilias (Max Bogner) und Jools (Tinka Fürst) träumen vom Durchbruch als Band, obwohl man weit davon entfernt ist, die eigenen Instrumente auch nur im Ansatz zu beherrschen. Braucht man auch nicht, solange der Drogenrausch seine Arbeit tut. Nach einem Suizidversuch gleich zu Beginn des Films landet Niko nicht im Jenseits, sondern im Rollstuhl, an der grundsätzlichen Einstellung und Sichtweise aufs Leben ändert dies aber nichts. Zu groß scheint – aller Liebe zum Trotz – die Angst, sich den eigenen und gemeinsamen Abgründen zu stellen. Also macht man weiter. Nur, Lösung ist das halt auch keine. Die Sache eskaliert, als Niko dann endgültig verschwindet.
»Für mich war der Film vor allem deswegen spannend, weil meine Rolle nichts mit dem Voodoo-Charakter zu tun hat«, erzählt David Öllerer aka Voodoo Jürgens über seine Schauspielerfahrung. Sorgen zu scheitern machte er sich keine: »Ich habe gehofft und auch ein bisschen darauf vertraut, dass man in die Rolle reinkommt, je länger man es macht – und so ist es dann eigentlich auch gewesen.«
Ein Lied über Freundschaft und Erwachsenwerden
So leise wie möglich und so laut wie nötig inszeniert Starz diese Story, sichtlich darauf erpicht, in entscheidenden Momenten authentisch zu sein. Mit natürlichen Lichtquellen und mit Dialogen, die meist nur inhaltlich vorgegeben waren, ansonsten aber improvisiert wurden. Das Vertrauen zwischen Regisseur und seiner Schauspielcrew schafft in »Another Coin for the Merry-go-round« durchaus schöne, intime Momente.
Nicht minder intim: die musikalischen Auftritte von heimischem Indie-Kolorit wie Bulbul oder Alicia Edelweiss. Allerdings gleitet der Spielfilm so auch immer wieder in Richtung Musik- und Szenedoku ab. Ein Eindruck, der durch Überblendungen mit Song- und Literaturzitaten bzw. typografischen Spielereien vor entscheidenden Kapiteln noch verstärkt wird. Als wolle man der Orientierungslosigkeit der Hauptfiguren noch einmal Nachdruck verleihen, indem man sich selbst nicht so recht entscheiden mag, wie denn dieses Lied über Freundschaft und Erwachsenwerden am besten gesungen wird.
»Another Coin for the Merry-go-round« war bei der Diagonale in Graz zu sehen. Am Sonntag, den 27. Juni 2021, läuft der Film als Abschlussfilm des Frühlingskinos im Wiener Augarten. Unser Doppelinterview mit Stefanie Sargnagel und Voodoo Jürgens könnt ihr hier nachlesen.