Another One Bites The Dust

Zumindest deutet alles darauf hin. Der Sammlung Essl droht der Erstickungstod durch Baumax. Nun soll die Republik retten. Wir haben Antworten von Karlheinz Essl bekommen.

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Als bekannt wurde, dass Baumax ums Überleben ringt, ging Kunstliebhabern recht schnell die Muffe. Grund dafür ist die Sammlung Essl, die als bedeutende Sammlung heimischer und internationaler Gegenwartskunst seit 1945 gilt. Man will an die Republik verkaufen. Otto Hans Ressler, Kunstexperte und langjähriger Geschäftsführer der Kunstauktionen im Kinsky, meinte: "Die wichtigste Sammlung österreichischer Gegenwartskunst darf nicht zerschlagen werden!" Nebenher erstellt er gerade ein Gutachten über den wahren Wert der Sammlung, über den es einige Unklarheiten gibt. Die nationale Bedeutung schließe zwar Lücken in anderen Häusern, sei aber gar nicht so enorm, hieß es. Von 80 bis 250 Millionen Euro ist vieles möglich. Aber eigentlich wollen viele nur die besten Stücke davon.

Killing in the name of Baumax

Grüne, FPÖ und Stronach haben mit unterschiedlichen Gründen schon einen Kauf abgelehnt, Erwin Pröll ebenfalls. Auch bei Galeristen und in den Direktionen ist die Skepsis groß. Postings auch in Qualitätszeitungen sind noch eindeutiger. Banken retten und jetzt die Kunst? Never. Die Staatsoper befindet sich in einer "sehr ernsten Situation", das Burgtheater ist sowieso in einer totalen Krise und eigentlich fehlt es eh überall an Geld.

Karlheinz Essl ist nun aber ein Kunstfreund, er redet mit der Republik und hat auch keinen Plan B, sagt er im Interview.

Gibt es die Sammlung Essl nur als Ganzes zu haben?

Karlheinz Essl: Die Sammlung Essl ist über 50 Jahre entstanden. Sie bildet, wie keine andere Sammlung, in einer unverwechselbaren Breite und Tiefe, das österreichische und internationale Kunstgeschehen der letzten Jahrzehnte ab. Sie ist wie eine Pyramide, mit einer guten, stabilen Basis und einer weithin sichtbaren Spitze. Sie ist nur als Ganzes denkbar, sie zeigt kunsthistorische Zusammenhänge auf, durch sie sind für die Menschen der kommenden Generationen Rückschlüsse möglich, die sonst verloren wären. Wer die Sammlung zerschlägt, zerstört ein kulturelles Erbe, das wir immer als solches angelegt haben, für die Menschen jetzt und für die folgenden Generationen.

Diverse Galeristen und die Opposition sind ja gegen einen Gesamt-Ankauf. Minister Ostermayer hat nun beteuert eine Zerschlagung verhindern zu wollen, sein Ministerium hat das Geld aber nicht, bei Sozial- und Finanzministerium sieht es nicht besser aus. Am Ende hat der Minister bereits bewiesen, dass er auch zu harten Massnahmen wie der Hartmann-Entlassung fähig ist. Bis wann braucht es spätestens eine Entscheidung?

Eine Entscheidung sollte möglichst rasch gefällt werden, innerhalb der kommenden Wochen. Allen Beteiligten muss klar sein, dass es vor allem auch um Menschen geht. Alles wird immer ökonomisch bezeichnet, man sagt, es geht um Arbeitsplätze, Erträge. Es geht aber um Menschen, um Mitarbeiter und um Künstler. Ich will eine rasche Lösung, um diesen Menschen wieder Sicherheit zu geben. Unsere Familie ist protestantisch, wir handeln aus Verantwortung heraus. Deshalb haben wir jetzt keine Zeit zu verlieren.

Auch wenn Sie keine Zahlen nennen wollen, gibt es jemand, der weiss, wie viel der Bestand wirklich wert ist? Von 100 bis 250 Millionen ist fast alles zu hören .. Ein Gutachten wird seit Feber erstellt, ist es schon fertig, bzw. wann? Einige Details werden dann wohl ohnehin an die Öffentlichkeit sickern ..

Ich bitte um Verständnis. Dazu kann ich momentan nichts sagen, damit würde ich den Gesprächen, die wir kommende Woche haben, vorgreifen.

Wären das Land Niederösterreich oder Novomatic Käufer, die Sie akzeptieren würden?

Es ist ganz klar. Wir verhandeln mit dem Bund. Ich habe der Republik ein Angebot gemacht. Ich bin hier ganz klar, es gibt keine Winkelzüge und keinen Plan B.

Wie ist es überhaupt dazu gekommen, dass die Sammlung Essl in die Finanzprobleme bei Baumax hinein gezogen wurden? Und gibt es garantiert keine Chance den Zugriff auf die Sammlung – auch vor Gericht – abzuwehren?

Es gibt eine gesetzliche fünf Jahre andauernde Nachhaftung. Aber niemand würde die Sammlung ernsthaft zerschlagen wollen. Davon abgesehen, dass es die Existenz von Künstlern vernichten und den Kunstmarkt ruinieren würde, wäre es einfach auch verantwortungslos, Österreich als Kulturnation derart zu beschädigen. Geld ist nicht alles. Wir haben wesentlich mehr zu verlieren.

Wurde das Motto "Made In Austria" der aktuellen Essl-Ausstellung in weiser Voraussicht gewählt?

Das Motto Made in Austria haben wir gewählt, weil wir 15-jähriges Jubiläum haben. Meine Mitarbeiter haben mir das vorgeschlagen, und dann haben wir das Programm danach ausgerichtet. Wir haben immer die österreichische Kunst sichtbar in den Vordergrund gestellt, mehr als alle anderen Museen.

Dies beweist allein die Anzahl der Einzelausstellungen mit österreichischen Künstlern. Es waren Arnulf Rainer, Max Weiler, Herman Nitsch, Josef Mikl, Günther Brus, Siegfried Anzinger / Marie Louise Lebschik, Hans Fronius, Elke Krystufek, Wolfgang Hollegha, Valie Export, Peter Sengl, Maria Lassnig, Tàpies/Rainer, Franz Ringel, Jürgen Messensee, Johanes Zechner, Markus Parachensky, Muntean/Rosenblum, Alfons Schilling, Cornelius Kolig, Hubert Scheibel, Max Weiler, Erwin Wurm, Heimo Zobernig, Wolfgang Herzig, Rudolf Schönwald, Franz Zadrazil, Xenia Hausner, Martin Schnur, Kurt Kocherscheidt, Deborah Sengl, Adolf Frohner. Hinzu kommen zahlreiche Themen- und Gruppenausstellungen. Alle diese Künstler sichtbar zu machen, ist eine unserer Aufgaben.

Gibt es mit Minister Ostermayer Gespräche vor dem dem Gipfeltreffen am 2. April? Wie waren die bisher?

Es gibt Gesprächsbereitschaft und positive Signale. Jetzt hoffen wir auf das Beste. Ich blicke den Gesprächen zuversichtlich entgegen. Schließlich haben wir hier einen großen Teil des österreichischen kulturellen Erbes zu verwalten.

Sind sie auch mit privaten Kunstsammlungen im Gespräch, die einen Verbleib der gesamten Sammlung in Österreich garantieren könnten?

Die Republik ist unser erster Ansprechpartner. Viele Menschen rufen uns täglich an und schicken uns Mails. Viele würden sich diese Lösung wünschen, wir auch. Das kulturelle Erbe in den Händen des Staates zu haben, wäre eine große Sicherheit dafür.

Die Foren-Reaktionen sind selbst bei Standard und Die Presse bisher recht eindeutig. Lesen Sie sich das durch, trifft Sie das?

Natürlich schmerzt es mich. Es schmerzt auch andere Menschen. Wir haben zehntausende Kinder in unseren Vermittlungsprogrammen und hunderttausende Erwachsene mit Kunst in Berührung gebracht, sie dafür begeistert. Dies ist unser Auftrag, das habe ich immer so gesehen. Die Kunst ist unsere Leidenschaft, seit 50 Jahren, jeden Tag, all unsere Emotion, unser Herzblut. Und jetzt, wo wir diese schweren Zeiten durchmachen, richtet sie uns auf. Ich bin bereit, dafür zu kämpfen. Es ist auch schön, dass es Dinge gibt, für die es sich zu kämpfen lohnt.

essl.museum

Neuigkeiten zur Sammlung Essl, etwa dass das Land Niederösterreich die Sammlung nicht als Ganzes kaufen will, gibt es laufend auf Twitter.

Bild(er) © Julia Stix - Sammlung Essl Privatstiftung 2008, Ali Schafler, Frank Garzarolli
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