The Song is not dead oder: da letzthin am Donnerstag beim Bluebird Festival.
Scout Niblett drehte am Donnerstag vergangener Woche den Spieß ganz einfach um. Statt langatmigen Anleitungen zur Exegese ihrer Songs stellte sie schüchtern und schlicht "Any questions?" in den Raum. Der Raum war in dem Fall das Wiener Porgy & Bess, das dem Bluebird Festival den passenden Rahmen bot. Festival-Direktor Klaus Totzler (hier im Interview) gelang es auch heuer wieder die Breite eines schwer eingrenzbaren Genres zu zeigen. Zwischen drei Säulen "Song", "Text" und "Interpretation" ist viel Platz. Die Vienna Songwriting Association arbeitet seit einigen Jahren an der ehrenvollen Aufgabe, die Landschaft zu vermessen, die sich dazwischen entspinnt.
Das Bluebird Festival geht dabei den schwierigen Weg und setzt nicht primär auf die Zugkraft etablierter Größen. Scout Niblett war mit ihren sperrigen Songs der Höhepunkt des Abends und ein Beispiel wie man die Idee von Songwriting heutzutage weiter drehen kann. Ihr Sound ist hörbar von Steve Albini beeinflusst, der auch die Aufnahmen ihrer Platten begleitet hat. Eine hohe kräftige Stimme, die zwischen wütender Angriffigkeit und verletztlichem Flüstern wechselt, spitze Gitarre und sperrige Rhythmusfiguren an den Drums. Egal ob Niblett die Gitarre bearbeitete oder ihren Schlagzeuger am Schlagzeug-Stockerl ersetzte: Es war eine intensive Performance, die in einem Stück gipfelte, in dem sie von einem wütenden "We‘re all gonna die" zu Michael Jacksons süßlichem "Heal the World" fand. Und wieder zurück. Da war es etwas viel vom Publikum verlangt, sich auch noch Fragen einfallen zu lassen.
Ein großer, etablierter Name stand am Donnerstag doch am Programm: Grant Hart, der Schlagzeuger der Grunge-Vorväter Hüsker Dü. Diese wären Ende der 80er Jahre wohl kaum als Singer-/Songwriter bezeichnet worden. Der verklärte Blick in die Vergangenheit zeigt aber doch, welch feines Songmaterial in den spitz nach vorne gerichteten Sound der Band verpackt war. Das versuchte Hart auch freizulegen. Er spielte einige Songs aus "Warehouse: Songs and Stories". Obwohl die älteren Besucher des Festivals jede Textzeile kannten, war Harts Darbietung doch ein eher armseliger Versuch, an die alten Tage zu erinnern.
Neben den beiden bekannten Namen standen noch zwei weitere Acts auf der Bühne. Der Ire James Vincent McMorrow eröffnet den Abend klassisch mit Akustik-Gitarre und großer Stimme. Seine intimen Songs über die Liebe und das Leben erfüllen die Erwartungshaltung an Songwriting voll und ganz. Das macht sich gut an einem kalten Winterabend am offenen Kamin. Für mich war die Neuentdeckung des Abends aber Sweet Sweet Moon. Das Projekt des Niederösterreichers Matthias Frey klingt auf der Bühne noch deutlich spannender als auf der jüngst auf Siluh veröffentlichten Platte. Die Interpretation seiner Songs waren zuerst luftig-leichte Konstruktionen, gebaut aus Geigen-Loops, Cello und Harfe. Im zweiten Teil ließ er sich dann vom Gameboy begleiten und zog experimentelle Schlieren in der folkigen Grundierung ein.
Das Resümee zum Donnerstag ist eine Abwandlung eines alten T-Shirt Spruches: The song is not dead. (Wenn man sich um ihn bemüht.)