In Oberösterreich wird derzeit Arbeiten in der Community neu erfunden. Gemeinsame Gewinne einer Genossenschaft sollen in Form von Freizeit ausbezahlt werden. Dies ist nur eine von vielen Ideen in offenen Technologielaboren Otelo entwickelt werden.
3D-Drucker sind zum Symbol für die Möglichkeiten dezentraler Produktion und der Unabhängigkeit von großen Industriebetrieben geworden. Diese Wunderdinger fehlen natürlich auch in keinem Otelo – so das Kürzel für die offenen Technologielabore – von denen es mittlerweile vier in Oberösterreich und eines in Deutschland gibt. Doch 3D-Drucker und selbst das breitest gefaßte Verständnis von Technologie reichen nicht aus, um die Otelo-Philosophie vollständig zu beschreiben. In Otelos wird nicht nur gebastelt, geschraubt, gelötet und mit Technologie experimentiert, hier wird auch über die Zukunft der Arbeit und der Wirtschaft nachgedacht und hier werden neue Modelle auch gleich erprobt. Erst kürzlich wurde eine Genossenschaft gegründet, die Entrepreneurship auf vollkommen neue Beine stellt. Als »unselbstständig Selbstständige« haben angestellte Mitglieder alle Sicherheiten, die ein Angestelltenverhältnis mit sich bringt, und sie können dennoch wie eigenständige Unternehmer agieren.
Balance zwischen Arbeit und Zeit
Für Otelo-Mitbegründer Martin Hollinetz waren zwei Überlegungen ausschlaggebend für die Entwicklung des neuen Konzepts. Die erste war recht pragmatisch: In den Otelos sollen immer wieder Ideen entwickelt werden, die in Projekten und wirtschaftlicher Tätigkeit münden. Für deren Abwicklung braucht es eine professionelle Struktur, die die regionalen Trägervereine nicht bieten können. Die zweite ist viel tiefgreifender: »Viele, die in Otelos aktiv sind, setzen sich mit dem Verhältnis von Arbeit und Zeit auseinander und damit, wie eine Balance zwischen beiden hergestellt werden kann. Wir wollten uns mit der Genossenschaft ein eigenes Modell schaffen, wie wir Arbeit organisieren können«, so Hollinetz.
Die herkömmlichen Modelle folgen alle einer simplen Logik: Wer heutzutage unternehmerisch tätig wird, ist Diener des Wachstumsparadigmas. »Wenn du ein Unternehmen gründest, musst du gewinnorientiert wirtschaften. Wenn du sinnvoll unternehmerisch tätig sein willst, muss dein Unternehmen wachsen.« Diese Diagnose trifft auf einzelne Unternehmen ebenso zu wie auf die Gesamtwirtschaft. Die Otelo-Genossenschaft bietet einen konkreten Ansatz für einen Paradigmenwechsel in Richtung einer nachhaltigeren Entwicklung. Die Angestellten der Genossenschaft bekommen ein vorab festgelegtes Fixgehalt, das alles abdecken soll, was sie zum Leben brauchen. Wer besser wirtschaftet – also hochgerechnet auf ein Jahr mehr verdient als erwartet – bekommt die Gewinne in Form von mehr Freizeit zurück. Um das Risiko für die einzelnen Mitglieder und die Genossenschaft selbst überschaubar zu halten, hinterlegen die Mitglieder eine Kaution. Wenn ihr Plan nicht aufgeht, beginnt ein Kündigungsprozess mit entsprechenden Fristen zu laufen.
Szenarien durchspielen
In der Startphase organisieren sich neun Personen mit Selbstanstellung in der Genossenschaft. Ihre Leistungen reichen von der Medienproduktion über Wissensvermittlung im Bereich Naturwissenschaft und Technik (etwa »KET – Kinder erleben Technik«) bis hin zu Projekten, die auf möglichst niederschwelligen Zugang zu 3D-Druck abzielen. Letzteres konnte mit Unterstützung des Infrastrukturministeriums in den Regelunterricht von acht Schulen der Region aufgenommen werden. Schülerinnen und Schüler der Oberstufe bauen und kalibrieren die Geräte und in der Unterstufe werden eigenentwickelte Objekte damit gefertigt. Für die Entwicklung des Genossenschafts-Modells ist schon viel Zeit aufgewendet worden. Der gesamte Prozess wird von Experten aus verschiedensten Disziplinen begleitet. Eine große Anwaltskanzlei hat kostenlos bei der Formulierung der Geschäftsordnung unterstützt. In Simulationen wurden unterschiedlichste Szenarien – von der gemeinsamen Anschaffung von Gütern bis zu dem Fall, dass neue Mitglieder Gewerbeberechtigungen in die Genossenschaft einbringen – durchgespielt.