Harbour Art

"Nachdem ich von meinem Schreibtisch zwei Jahre lang auf diese riesigen grauen Wände geschaut habe, kam mir der Gedanke da was draufmalen zu lassen." sagt Leonhard Gruber im Interview. Wie aus dem Linzer Hafen eine Street Art Galerie wurde.

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Häfen können ja schon etwas Romantisches an sich haben: kleine Boote, eine Hafenpromenade, am besten noch Palmen. Der Linzer Hafen hat davon so gar nichts. Als Industriehafen erfüllt er eher praktische Zwecke, beherbergt viele Container, graue Betongebäude und riesige Frachtschiffe. Vor 5 Jahren wäre vermutlich niemand auf die Idee gekommen, irgendjemandem die abgefuckten Industriegebäude dort zu zeigen.

Umso faszinierender ist es, dass der Stahlstadt Hafen jetzt Anziehungspunkt für Touristen und Street Art-Liebhaber geworden ist. Entstanden ist das durch Leonhard Gruber, der sein Büro im Hafen hat und nicht mehr auf graue Betonwände starren wollte. Verständlich eigentlich. Wie es dann zu einer derartigen Verwandlung des Hafenareals gekommen ist, wie die Street Art-Szene in Linz generell aufgestellt ist, wie es zu einigen der Pieces gekommen ist und wie der Boss der unterstützenden Linz AG auf ein "bloody" Piece von ROA reagiert hat, hat er uns im Interview erzählt.

Du hast die Freiluftgallery im Hafen in Linz ja (mit-)initiiert. Wie bist du auf die Idee gekommen und wie schwierig war es, das umzusetzen?

Ich bin 2010 nach Linz gezogen und durfte mich freundlicherweise im Hafen, genauer im BoxxOffice meines Freundes Jürgen Lockinger beruflich ausbreiten, anfangs noch mit ganz anderen Projekten außerhalb von OÖ. Nachdem ich von meinem Schreibtisch zwei Jahre lang übers Wasser auf diese riesigen grauen Wände geschaut habe, kam mir eines nachts der Gedanke, da was draufmalen zu lassen. Mein erster Weg war zu Jürgen und der zückte tatsächlich das Telefon und rief den Hafendirektor an, der tatsächlich nicht gleich Nein sagte.

Viele Pieces sind ja von internationalen Artists, wie schätzt du die lokale Street Art-Szene ein?

Falsch, die meisten Pieces sind von Österreichern. Die sind nur kleiner und fallen nicht so auf. An die großen Formate muss sich fast jeder Künstler erst herantasten. Diese Gelegenheit haben die Linzer Writer bei uns definitiv. In Linz gibt es allerdings keine Streetart Szene – nur MAMUT. Aber eine Graffiti-Szene gibt es. Seit einiger Zeit gibt die One Two Crew hier den Ton an, aber viele ziehen nach. Und früher in den Neunzigern war Trainwriting groß in OÖ. Damals erschien kaum eine Ausgabe der großen deutschen Hip Hop-Magazine – Backspin, Juice – ohne einen Linzer Zug. Nur weiß das bis heute nur die ÖBB. Das Bild "Lords Of The Red Dragon" von der LORDS Crew erzählt übrigens diese Geschichte.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt? Gibt’s Unterstützung? Mittlerweile sind die Wände ja fast zu einer Touristenattraktion geworden..

Wir werden von der Linz AG unterstützt, die auch den Hafen besitzt, betreibt und verwaltet. Vom Direktor über Hafenmeister bis zum Lagerarbeiter stehen alle hinter der Hafengalerie – das war die größte Überraschung. Uns war wichtig völlige künstlerische Freiheit zu haben, um diese Freiheit an die Künstler weitergeben zu können. Kein Artist muss uns einen Sketch zeigen oder sagen was er vorhat.

Das wurde gleich beim zweiten Mural richtig spannend: ROA fragte nur "can i go bloody?" und nachdem er fertig war, haben alle mal ein paar Wochen gezittert, bis der Oberboss der Linz AG mal wieder zufällig im Hafen war und den zerlegten Bock von ROA sah. Es stellte sich heraus der Mann ist Jäger und hatte kein Problem mit dem Bild.

Legal vs. illegal – ihr schaut ja, dass ihr vorher Genehmigungen bekommt. Wie stehst du zu Spontansprayern?

Das ist für uns im Hafen kein Thema. Manchmal parken Züge hier, die woanders gemalt wurden.

Am Hafen tut sich ja gerade viel – wie siehts im Rest der Stadt aus? Gibt es durch die Hafengalerie vielleicht ein Umdenken und mehr freie Wände?

Genau das ist die Hoffnung. Bisher wurde nur geredet, passiert ist noch nichts. Die Zustände ausserhalb des Hafens sind weniger rosig: kein Mensch – auch nicht die Polizei oder die Kulturfunktionäre – wissen hier welche Wand überhaupt offiziell legal ist und welche von privaten Besitzern geduldet werden. Die wenigen Wände die es gibt, wurden großteils von einzelnen Writern mit der Hausverwaltung ausgemacht – und werden jetzt als legal wahrgenommen.

Die Stadt gibt gerne Unterführungen frei, was ein grandioser Schuss ins Knie ist: erstens will da niemand malen und zweitens haben viele Passanten ein ungutes Gefühl wenn ein paar Vermummte mit Atemschutzmasken am Werk sind. Eine Beschilderung und ein paar online Infos würden da schon helfen.

Fakt ist, dass man Linz auch als die "sauberste" und Graffiti-feindlichste Stadt Österreichs bezeichnen könnte. Da muss sich was ändern, bevor sich Politik und Tourismus mit der Hafengalerie brüsten können.

Wie wählt ihr die Künstler für die Hafengalerie aus?

Wir haben eine Wunschliste mit persönlichen Favoriten, aber der gegenüber stehen Verfügbarkeit der Künstler und Machbarkeit der gewünschten Produktion. Manchmal lassen wir Wände kuratieren, zum Beispiel von der Wiener Inoperable Gallery. Viele Leute aus aller Welt kommen mittlerweile von selbst auf uns zu – vor ein paar Wochen hat FLIX aus Venezuela relativ spontan eine große Wand gemalt.

Mittlerweile ist das Projekt ja doch schon ein bisschen etabliert. Gab’s am Anfang Widerstand? Wie waren die Rückmeldungen?

Von "etabliert" würde ich noch nicht sprechen. Wir sind eher erst ganz am Anfang – es gibt ca 40 Bilder von Künstlern aus 20 Nationen, langsam kann man von einer "Galerie" reden. Ein bisschen Widerstand würde uns freuen, wir wollen ja kein Verschönerungsverein sein, aber bisher gibts durchwegs positives Feedback quer durch alle Altersgruppen.

Wie geht’s weiter mit Mural Harbor? Habt ihr noch weitere Pläne, Zukunftsvisionen, auf was darf man sich freuen?

Es gäbe noch unglaublich viele attraktive Oberflächen, im Hafen und in der Stadt. Wir hoffen, dass wir noch lange weitermachen dürfen. Schon allein aus Egoismus, deshalb haben wir ja ehrlicherweise auch damit angefangen. Der Bock vom ROA ist das älteste Bild (das allererste war von STOHEAD der es allerdings später übermalt hat) und ich freue mich immer noch jedes Mal wenn ich dran vorbeifahre. Ganz zu schweigen von unserer Aussicht auf der BoxxOffice Terrasse…da weht eine Brise Barcelona durch die Stahlstadt.

Update Ende November 2015: Mittlerweile ist das erste Jahr Mural Harbour rum. Die Sprayer gehen in Winterschlaf. Man ist sehr zufrieden, berichten die OÖN. An fast jedem Wochenende sind Street Artists vor Ort. Mittlerweile gibt es über 100 Pieces am Linzer Hafen.

Auf muralharbor.at kann man die Projekte weiterverfolgen. Wie so ein Piece entsteht kann man sich zum Beispiel hier ansehen.

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