Bier und Zuckerwatte

Mile Me Deaf galt lange Zeit als unüberblickbares Sammelbecken musikalischer Grenzideen. Mit dem Debütalbum »Eat Skull« hält nun gelassene Ordnung Einzug.

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Zehn Jahre sind seit der Gründung von Mile Me Deaf vergangen. Mit der Zeit änderte sich nicht nur die Besetzung, auch die musikalische Ausrichtung nahm dabei neue Formen an. Als Versuchsfeld abwegiger Ideen konzipiert, behielt Möstl stets die Narrenfreiheit, die in manch etabliertem Projekt für Kopfschütteln gesorgt hätte. Dadurch verweilte Mile Me Deaf über die Jahre auch meist unter den Fühlern des Popradar, blieb unberechenbar, unscheinbar und frei von Veröffentlichungsdruck. Vom Schaffen ohne Rechenschaft entfernt sich Möstl nun mit großen Schritten. »Eat Skull« ist das offizielle Debütalbum nach unzähligen Demotapes und Compilations. Es öffnet sich dem Weird-Pop und überrascht zugleich mit Zugänglichkeit.

Killed By 9V Batteries, Sex Jams, Zuchthaus oder Goldsoundz, Möstls musikalischer Ausdrucksdrang ist weithin bekannt. Irgendwo dazwischen hat der Grazer Zeit für 500 Songs gefunden. Kaum ein anderer entspricht damit dem Bild des nimmermüden Kreativgeists so wie Möstl. Dabei schuf er in den vergangenen zehn Jahren nicht nur Berge an Aufnahmen und Schubladen längst vergessener Songskizzen, Möstl entwickelte auch die Fähigkeiten eines Verbinders. Was Mile Me Deaf mit ständigen Wechselbesetzungen und Gastspielen befreundeter Musiker bereits über Jahre vorlebt, findet jetzt auch auf Labelebene eine Entsprechung.

Gemeinsamer Dreh- und Angelpunkt

Im Fall von Mile Me Deaf war es das Wiener Label Fettkakao, das 2011 die 7-Inch »Swing Back To Me« veröffentlichte. Von der positiven Resonanz angetrieben fand das einstige Nebenprojekt den Weg auf Vinyl und in den Vertrieb. Anfang Juni erscheint »Eat Skull« auf Fettkakao und Siluh Records als Kooperationsidee, von der beide Seiten gleichermaßen angetan sind. Wolfgang Möstl erfüllt dabei die Funktion des zentralen Dreh- und Angelpunkts. Auf Vertrauen und Mitspracherecht fußt auch ein Großteil der künstlerischen Freiheit, auf die sich Möstl in seiner Umsetzung gerne beruft.

In Anbetracht seiner musikalischen Vergangenheit hat sich Mile Me Deaf vom einstigen Experimentierfeld weitestgehend entfernt. Fast durchgehend wandern die Titel auf »Eat Skull« durch entspannte Popgefilde, irgendwo zwischen den Fabelbands Girls und Yuck. Spürbar abgenommen haben dabei die Noise-Anteile, manchmal wurde komplett auf jegliche Form der Verzerrung verzichtet. So vielseitig die einzelnen Teile auch erscheinen mögen, »Eat Skull« eint eine gemeinsame Stimmung. Sie lässt den Sound verwaschen, herrlich gelassen und rund erscheinen. Dabei bleibt auch Platz für akustische Gitarren, Mundharmonikas und trashige Keyboardsounds. »Eat Skull« ist in erster Linie ein – wenn auch vorsichtig – euphorisches und ausgelassenes Album geworden. Wie auf dem Cover zelebriert es ein Leben aus Bier und Zuckerwatte. Bitter und süß zugleich, ein Grundton, wie ihn das Leben schreibt. Hätte man die letzten zehn Jahre ständiger Umtriebigkeit nicht im Hinterkopf – man würde dieser Unbeschwertheit Möstls und der gefühlten Leichtigkeit dieses Albums wohl ein wenig misstrauisch gegenüberstehen.

»Eat Skull« erscheint am 1. Juni als Kooperation von Fettkakao (Vinyl) und Siluh Records (CD). Zeitgleich wird es ein Mile Me Deaf »Best Of« der letzten zehn Jahre als gratis Download geben.

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