6 Fragen an: Tomas Zierhofer-Kin

Das Donaufestival wird zehn und hat den eigenen Anspruch zum Festivalthema gemacht: Redefining Arts. Wir haben den langjährigen Festivalleiter Tomas Zierhofer-Kin gefragt, was Kunst in einer Zeit tiefer globaler Umbrüche soll.

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Kiew, Stockholm, London, Athen – reagieren Musik, Kunst und ihre Festivals ausreichend auf diese tiefen Umbrüche, die wir derzeit erleben?

Die meisten Festivals in keinster Weise! Wir erleben sowohl in der Hochkultur als auch in der Popkultur und ihren Institutionen eine Epoche dramatisch fahrlässiger Entpolitisierung. Es läuft im Moment darauf hinaus, seltsame Blasen zu erschaffen, die weder dem Wesen der Kunst noch dem der Gesellschaft entsprechen, eskapistische Blasen zwischen Wellness und Betäubung sind an der Tagesordnung. Dabei gibt es enorm viele künstlerische Ansätze für neue Utopien, Denk- und Erlebensmodelle, die wir im Moment brauchen wie ein Stück Brot und von denen wir politisch viel lernen könnten.

Im Donaufestival-Programm ist von Utopien jenseits überkommener dualistischer Denk- und Handlungsmodelle die Rede. Ist Performance wirklich diese Gondel in eine andere Realität?

Performance ist so ein seltsamer Begriff geworden. Wir versuchen unter diesem Begriff viele neue Kunstformen und deren Inhalte zusammenzufassen, die sich im darstellenden Bereich von historischen Formen abgrenzen und Neues versuchen. Und ich kann mit Überzeugung sagen, dass daher die wichtigen Impulse zu einem neuen Denken und Erleben kommen.

Wenn etwa der große Keith Hennessy mit „Turbulence (A Dance About The Economy)“ eine fast zweistündige Grenzerfahrung erschafft, in der 15 Performerinnen und Performer zusammen mit dem Publikum ihre Körper, ihren Geist und ihre Emotionen riskieren und uns in eine anarchische Welt entführen, aus der wir herauskommen, als hätten wir in einem Wald ein unglaubliches Erlebnis gehabt, von dem wir zwar nicht wissen, was es genau war, aber wir davon ausgehen, dass es unser Leben entscheidend prägen und verändern wird, dann denke ich, dass eben diese neue Kunstformen, die kein Theater, keine bildende Kunst, kein Aktivismus, sondern etwas ganz Neues sind, enorm viel bewirken können.

Mit Fennesz ist nur ein österreichischer Act bis jetzt bestätigt: Woran fehlt es der österreichischen Musikszene, um am Donaufestival präsenter zu sein? Ist österreichische Musik zu wenig avantgardistisch?

Wir haben in der zehnjährigen Geschichte immer wieder österreichische Musikerinnen und Musiker eingeladen – und auch einige Spezialprojekte gemacht! Natürlich sind wir zu klein, dass wir jedes Jahr zehn österreichische Musikerinnen und Musiker präsentieren, die die Menschen sowieso das ganze Jahr über hören können, deshalb die Spezialprojekte; es wäre ja auch sinnlos, wenn dann alle spielen, aber kein Mensch im Publikum ist! Zu wenig avantgardistisch, haha! Es gibt doch einige, deren Radikaliät ich mehr als bewundere; und damit meine ich nicht nur Radikalität im Sinne von klanglicher Innovation, sondern auch von ihrer Inhaltlichkeit und Haltung!

Aber wir müssen auch sehen, dass viele, die mehr wagen wollten, in diesem Land einfach von dieser stupiden Indie-Gleichmacherei-Szene überlebenstechnisch in die Knie gezwungen werden! Der Markt, wie der Marketing-Mensch sagen würde, oder das Umfeld, wie ich eher sagen würde, ist einfach klein und eng hier. Ich würde mir vielmehr wünschen, dass der Staat da einmal Akzente setzt und die Musikerinnen und Musiker finanziell dabei unterstützt, international aufzutreten. Und somit ihren Wagemut fördert! Denn es heißt ja nicht, dass wir nur das künstlerisch produzieren sollen, was bei den Alpenseppeln gut ankommt … das Kochen im eigenen Saft tut nur ganz wenigen Gerichten gut.

Es wird erstmals die Möglichkeit eines Wahlabos angeboten. In den vergangenen Jahren waren die Preise für die einzelnen Wochenenden unterschiedlich. Warum hat man sich zu diesem Schritt entschlossen?

Die Preise für die Wochenend-Pässe haben sich immer an den Tagespreisen orientiert, klar! Wir haben bemerkt, dass viele Menschen gerne öfter kommen, aber – besonders wenn sie in Wien, Linz, Graz etc. leben – dann nicht immer unbedingt an allen Tagen eines Wochenendes. Ab nun können sich alle ihre Lieblingstage herauspicken. Dafür gibt es dann gestaffelte Ermäßigungen, die vom Normalpreis eines Tages bis hin zur maximalen Ermäßigung bei sechs Tagen reichen. Es gibt also die Wochenend-Pässe noch immer, wenn man sie sich selbst auswählt.

Österreichische Festivals bekommen weniger Geld, das Kontraste Festival ist abgesagt, das Spring immer noch nicht angekündigt, der Publikumsandrang stagniert insgesamt. Was bedeutet das umgelegt auf Krems?

Es ist eine dramatische Lage, in die wir kommen oder besser, in der wir sind! Die Argumente von finanziellen Engpässen der öffentlichen Hände sind doch größtenteils nur ein Vorwand dafür, interessante oder brisante Dinge abzudrehen! Es wird ja nach wie vor enorm viel Geld in diverse Großveranstaltungen gesteckt. Wir müssen uns nur langsam wieder darauf besinnen, was der sogenannte Kulturauftrag bedeutet.

Nicht, dass jemand gegen ein Publikum arbeiten will, aber es ist nicht notwendigerweise so, dass eine hohe Auslastung einer künstlerischen Qualität oder einer zukunftsweisenden Arbeit entspräche. Dasselbe Phänomen sehen wir auch in der Wissenschaft und ihrer Förderung: alles muss immer sofort in die Hände der Geschäftemacher und der Wirtschaft. Hätten wir historisch immer so gehandelt, dann wäre die Erde noch immer eine Scheibe!

Erwin Pröll ist 67. Was kommt nachher und wie groß ist sonst die Akzeptanz für avantgardistische Kunstfestivals in der Landespolitik?

Was oder wer nachher kommt, entzieht sich meiner Einschätzung und Kenntnis. Wir können nur hoffen, dass es kein Mitglied des Dentaltechniker-Verbandes wird! Die Akzeptanz für avantgardistische Kunstfestivals ist in Niederösterreich wie im Rest der österreichischen Welt natürlich nicht sehr hoch, denn die meisten Politikerinnen und Politiker haben einfach nicht den Mut, so etwas bis aufs Blut zu verteidigen. Erwin Pröll ist so einer. Das hätte ich mir – bevor ich ihn kannte – auch niemals gedacht.

Donaufestival

25. April bis 3. Mai Krems, verschiedene Locations

www.donaufestival.at

Bild(er) © Magdalena Blaszczuk
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