Roadmovie-Welterklärungen

Mit »We Feed The World« und »Let’s Make Money« hat sich Erwin Wagenhofer zum Welterklärer des heimischen Kino-Dokumentarfilms gemausert. »Black Brown White« ist sein Spielfilmdebüt – der gesellschaftskritische Blick bleibt.

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Wenn man den Namen Erwin Wagenhofer hört, ist die Verbindung zur Kino-Doku Marke Österreich schnell gemacht. Stets kritisch hat er das Publikum – dem großen Erfolg sei Dank – auch weit über die nationalen Grenzen hinaus eindringlich belehrt. In »We Feed The World« (2005) führt er uns den verschwenderischen Umgang unserer Gesellschaft mit Lebensmitteln vor Augen. Drei Jahre später rechnet er in »Let’s Make Money« mit der Bereicherung Weniger auf Kosten der Armen ab. Sein aktueller Film »Black Brown White« handelt von Schleppern, die Flüchtlinge von Marokko nach Europa schleusen. Dieses Mal ist dabei aber ein Spielfilm herausgekommen. Neue Gewässer für Wagenhofer, thematisch bleibt er sich treu – der Film orientiert sich hart an der Realität.

Der Trucker Don Pedro (Fritz Karl) und sein Kollege Jimmy (Karl Markovics) betreiben ein lukratives Geschäft mit Menschenschmuggel. Während der im Rollstuhl sitzende Jimmy vom Büro aus agiert, erledigt Don Pedro, eigentlich Peter, den riskanten Part. Regelmäßig fährt er mit seinem LKW, beladen mit mehreren Tonnen Knoblauch, nach Marokko. Zurück kehrt er mit wesentlich heiklerer Fracht. Hinter dem Gemüse, in einem schmalen Hohlraum, versteckt er Flüchtlinge. Unter hohem Risiko befördert er sie über die spanische Grenze nach Europa, vorbei an Zollbeamten und Polizei. Als die junge Frau Jackie mit ihrem Sohn auftaucht und sich weigert, wie die anderen Flüchtlinge in den hinteren Teil des LKWs zu klettern, nimmt Don Pedro die beiden schließlich zu sich in die Fahrerkabine. Damit sind die Probleme vorprogrammiert.

Von allen Seiten

In »We Feed The World« sind es, wenn es um Verteilungsgerechtigkeit geht, Großkonzerne wie Nestlé, die an den Pranger gestellt werden. In »Let’s Make Money« bekommen Investmentgroßanleger ihr Fett ab. Für seine vereinfachten Darstellungen hat Wagenhofer nicht nur viel Lob, sondern auch Kritik ernten müssen. In »Black Brown White« behält der Regisseur stattdessen den Fokus dicht an seinen Protagonisten, ohne das Umfeld näher auszuleuchten. Die Ungerechtigkeit wird ausschließlich anhand des gezeigten Leids seiner Charaktere sichtbar. Wer daran Schuld hat, muss der Zuseher hier für sich entscheiden. Den Schlepper selbst, er ist ja nur ein kleines Rädchen im Getriebe, beleuchtet Wagenhofer von allen Seiten und streicht dabei auch dessen ehrenhaften Züge hervor. Sogar Jackie fühlt sich im Laufe des Films zunehmend zu Don Pedro hingezogen. Bis sich die Situation zuspitzt und er gezwungen ist, nicht mehr menschlich, sondern rational zu handeln. Beinahe wäre er sogar als passabler Held der Geschichte durchgegangen, doch ganz so simpel läuft die Story bei Wagenhofer dann auch wieder nicht. Gut für den Film, denn der Regisseur zieht hier rechtzeitig die Bremse und bewahrt sich die komplexe Thematik, statt in eine seichte Beziehungskiste zu rasen.

Während des Roadtrips durch Spanien tauchen altbekannte Orte auf, von Kameramann Martin Gschlacht (»Lourdes«, »Revanche«) imposant in Szene gesetzt. Die Reise führt vorbei an einer andalusischen Gewächshausanlage, wie wir sie schon aus »We Feed The World« kennen – da, wo hauptsächlich nordafrikanische Arbeitskräfte ohne Papiere beschäftigt sind. Als nächstes hält der Truck in einer weißen Geisterstadt in Spanien: Seit »Let’s Make Money« wissen wir, dass diese unbewohnten Siedlungen lediglich eifrigen Spekulanten für den Wertzuwachs dienen. Diese Verknüpfungen machen einen der interessantesten Aspekte von »Black Brown White« aus – zumindest für Kenner der Dokus. Dass man möglichst viel hineinpacken wollte, hat aber leider auch negative Auswirkungen. An manchen Stellen hätte eine Kürzung nicht geschadet, um die Spannung durchgängig aufrecht zu erhalten. Umso abrupter kommt dafür das Ende und macht die ein oder andere Länge wieder einigermaßen wett. Insgesamt ist Wagenhofer ein passables Debüt gelungen, mit dem er sich thematisch treu geblieben ist. Es bleibt dabei: Wo Wagenhofer drauf steht, ist Wagenhofer drin. Das kann man nun bewerten, wie man will.

»Black Brown White« startet am 18. Februar im Kino.

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