Blutiger Schnee

Film goes TV, Hollywood-Stars go TV, TV goes Anthology. Eine neue Serie nach diesem Rezept klingt ja so spannend wie Fotos vom Holi-Festival auf Tinder. Aber man hat die Rechnung ohne die Coens gemacht. Jetzt neu im Onlineportal Ihrer Wahl: Fargo.

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Man kann es fast schon gar nicht mehr hören, dieses ständige Serienempfehlen. „Du musst dir unbedingt Breaking Bad anschauen. Das Finale!“, „True Detective ist sooo arg“ oder auch „OMG, die Mädels von Girls sind genauso wie ich, zieh dir das rein!“ fetzen einem auf WG-Parties um die Ohren, wie Hits aus der Youtube-Disco. Die Erkenntnis, dass Serien die besseren Filme sind, dass Binge-Watching der einzig wahre Weg ist, ist schon so ein alter Hut, den würde nicht mal mehr Pharrell tragen. Wenn man aber die (US-amerikanische) Serienlandschaft der letzten Monate genauer betrachtet, lassen sich ein paar Trends rausfiltern, die die Entwicklung maßgeblich geprägt haben.

Trendige Serien

So werden gerade immer mehr – mehr oder weniger erfolgreiche – Filme zu Serien umkonzeptioniert. Klar, darunter ist auch Schutt wie die MTV-Show Teen Wolf, aber auch durchaus Brauchbares und in seiner Spannung und Düsternis Wunderbares wie Bates Motel zu finden. Das Prequel zu Hitchcocks Welterfolg Psycho ist durchaus zu empfehlen. Auch umgekehrt, von der Serie zum Film, hat das ja bekanntlich teilweise sehr gut und dann auch wieder gar nicht geklappt.

Wir alle – und die Academy – haben sich ja wieder in Matthew McConaughey verliebt und True Detective war ja doch eh ganz super. Er und der sogar noch ein bisschen bessere Woody Harrelson (ja, da wird es Steine regnen) werden in der zweiten Staffel aber nicht mehr zu sehen sein. True Detective ist nämlich eine Anthology-Serie, Trend Nummer zwei. Nach jeder Staffel werden die Hauptdarsteller ausgetauscht. Entweder sind ihre Geschichten zu Ende erzählt oder – und das kommt durchaus öfter vor – die Schauspieler und ihre Rollen werden zu alt für die anvisierte Zielgruppe. Frag nach bei Skins.

Die wohl wichtigste Entwicklung der letzten Jahre war auch die auffälligste und die den neuen Wert des Fernsehens unterstreichende: Hollywoodstars wollen ins Fernsehen, ganz einfach. Neben den schon angesprochenen Serien sind das aktuell natürlich auch Vorreiter Kevin Spacey (House Of Cards), John Goodman (Alpha House), Kevin Bacon (The Following) oder Ron Perlman (Sons Of Anarchy). Die Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen, je nachdem, wie man Hollywoodstars definiert.

Fargo

Jetzt kommt die obligatorische Serienempfehlung – denn es gibt etwas Neues, etwas ganz Frisches. Etwas, dass diese drei Trends aufgreift und kombiniert, wie noch keine Serie zuvor: Fargo. Ja, der 1996er Film der Coen Brothers, der mit Awards – unter anderem mit zwei Academy Awards und der Besten Regie in Cannes – überschüttet wurde, ist nun in Serienform gegossen worden, mit den Coen Brothers als Executive Producers, das „created by“ gehört Noah Hawley. Außerdem werden die Hauptdarsteller in jeder Staffel ausgetauscht, gespielt werden die Hauptrollen von Billy Bob Thornton und Martin Freeman, den man als Bilbo Beutlin kennt. Also alle drei Kategorien erfüllt.

The Quirky Dead

Seit einer Woche läuft die Serie nun auf dem Fox-Sender FX. Es ist bereits der zweite Versuch, den Film fürs Fernsehen zu adaptieren. 1997 scheiterte der erste – ohne die Zustimmung der Coen Brüder – grandios, die Pilotfolge wurde gar nicht erst ausgestrahlt.

Worum geht’s? Ähnlich als beim filmischen Vorbild spielt die Handlung nicht in Fargo, North Dakota, sondern in Minnesota, in der größeren Umgebung der Twin Cities. Martin Freemans Lester Nygaard gibt Profikiller Billy Bob Thornton alias Lorne Malvo unbeabsichtigt den Auftrag, einen ehemaligen Highschool-Bully zu erledigen, am Ende stehen mehrere Tote. Lester verwickelt sich immer tiefer in Verstrickungen. Das ruft natürlich die Polizei auf den Plan, gespielt vom unbeschriebenen Blatt Allison Tolman und Colin „Mein-Name-ist-zu-groß-für-mein-Talent“ Hanks. Wichtiger als der Fall sind aber natürlich Land und Leute, ein Kleinstadtportrait eben.

Klingt alles sehr nach dem Original, ist es teilweise auch: Die Namen wurden leicht geändert (statt Margie Gunderson heißt die Polizistin Molly Sulverson), der Schauplatz ist in etwa derselbe (die Kleinstadt Bemidji liegt etwas nördlicher als das aus dem Film bekannte Brainerd), wie der Film spielt auch die Serie in der Vergangenheit (2006 statt 1987). Die Quirkiness der Charaktere ist ganz Coen-typisch. Dabei sticht wie so oft Bob Odenkirk als weirder Deputy hervor, sein eigenes Breaking-Bad-Spin-Off Better Call Saul feiert übrigens im November Premiere.

Im Gegensatz zu beispielsweise Bates Motel ist Fargo jedoch zu keiner Zeit mit den handelnden Figuren des Films in Kontakt und erzählt eine eigenständige Geschichte. Jedoch saugt die Serie den eindrucksvollen atmosphärischen Sog der Vorlage auf, die Bedrückung der Kälte, die Angst vor der weißen Weite, das idiomatisches „Geez“, der typische Schmäh. Das macht Fargo insgesamt zu einer sehenswerten Serie, sowohl für Freunde des Originals, als auch für Serienfans im Allgemeinen. Aufgewärmt schmeckt also nicht nur Gulasch gut.

Fargo wird jeden Dienstag um 22 Uhr Ortszeit auf FX ausgestrahlt.

Bild(er) © FX / Chris Large
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