In »Die verschissene Zeit« experimentiert Barbi Marković mit literarischen Zugängen und formt aus einem Rollenspiel einen Roman, der ins Belgrad der 1990er-Jahre führt. Ein aberwitziger Timetravel-Trip in nicht unbedingt herrliche Zeiten.
Ritt durch die Zeit
»Die verschissene Zeit« von Barbi Marković
Das muss man sich auch einmal vorstellen. Da ist man 13, das Leben in vielerlei Hinsicht eine mühsame Trübsal, und man wacht morgens in einem völlig unbekannten Zimmer auf. Und zwar vier Jahre später, im eigenen (leicht) gealterten Körper, geistig aber noch immer 13. Schlimm? Ja. Und es wird auch nicht wirklich besser. Es ist nämlich 1999 und im Laufe des Aufenthalts in der Zukunft findet man heraus, dass ein Abtreibungstermin ansteht, klaut den Porsche eines lokalen Capos, jagt ein mysteriöses Krokodilsamulett, um – soviel weiß man – diese schlimme Zukunft, in der ein Krieg plötzlich zum Alltag gehört, zu verlassen und am besten zu verändern. Dass man dazu mit dem verhassten Junkie-Bruder und seiner nicht immer ganz einfachen, leicht aufbrausenden Freundin kooperieren muss, macht das Unterfangen auch nicht einfacher.
Barbi Marković mutet ihren Romanfiguren in ihrem aktuellen Buch »Die verschissene Zeit« einiges zu – da sind die Zeitsprünge durch die 1990er-Jahre eines sich auflösenden Ex-Jugoslawiens noch die kleinste Herausforderung für ein Belgrader Time-Travelling-Trio.
Der Roman, entstanden aus einem Rollenspiel, dessen gut 50 Seiten starkes Regelwerk ein ergänzendes Element im Buch bildet, ist eine vielschichtige Tour de Force durch einen Teufelskreis aus Armut, Gewalt, Inflation, Drogen und neuen Technologien. Das merkt man auch in der durchaus originellen Erzählperspektive, eines auktorialen, (einigermaßen) zuverlässigen Erzählers, der – irgendwie ganz Spielleiter – den Leser*innen die Sicht der 13-jährigen Vanja aufs Auge drückt. Marković gelingt ein gut durchdachtes Erinnerungsstück, gespickt mit popkulturellen Referenzen und völlig überzeichneten Hommagen an Kultur, Jugend und Leute in einem Stadtviertel, das auch ohne Krieg ein hartes Pflaster ist. Pralles Leben also – zwischen Mafia, kleinen Gaunern, Drogen und Gewalt –, das überzeichnet und mit Liebe zur Karikatur, eine merkwürdige Dekade wiederauferstehen lässt und irgendwie einlädt, spielerisch nicht nur diese Geschichte neu zu schreiben.