Das Brut werkt im Exil Werk X und präsentiert ab morgen die Performance-Installation »Bergeins«. Das Projekt von »Freundliche Mitte« ist ein Auf und Ab. Zuerst als Wohlfühlclub, dann als jener Ort, der das Publikum aus seinem resignativen Halbschlaf reissen soll. Autorin und Freundliche Mitte-Mitglied, Gerhild Steinbuch, erklärt warum.
Könntest Du das Projekt kurz für uns beschreiben, damit es ein bisschen leichter vorstellbar wird?
In Bergeins beschäftigen wir uns mit der rechten Normalität in Österreich. Nach dem Wahlergebnis also insbesondere auch mit der neuen Regierung. Der Abend sieht so aus, dass das Publikum in eine Art Club geht. Es gibt Artefakte, die an die Welt draußen erinnern, diese sind aber extrem stilisiert und schaffen so eher Distanz als Nähe. Zusätzlich lullt eine Erzählerstimme das Publikum ein – doch was sie erzählt ist eigentlich nicht so zum Wohlfühlen. Mit der Zeit bricht dieser Club dann immer mehr auf. Die Idee, die dieser Konstruktion zugrunde liegt, war die Blase zu bespiegeln in der wir uns bewegen und auf die Passivität hinzuweisen, die man sich, in einer Art Resignation und Rückzug, selbst aufbaut. Bergeins soll einen Anstoß bieten aus dieser Passivität herauszukommen und sich zu aktivieren.
Anstoß dazu war die Nationalratswahl oder war die Idee vorher schon da?
Die Idee war vorher schon da. Die kam uns schon, als die Identitären vor 2 Jahren durch Wien marschiert sind. Ich hatte davor schon einiges zu den Identitären und zur Neuen Rechten recherchiert. Und dann kamen die Entwicklungen in Österreich, wie sie kamen und uns war sehr schnell klar, dass wir auch konkret zum Wahlausgang etwas machen möchten.
Ihr habt euch dabei ja bewusst gegen eine Regieinstanz entschieden. War das nur bei diesem Projekt so oder arbeitet ihr immer ohne RegisseurIn?
Immer. Freundliche Mitte besteht in der Gründungsformation aus drei Leuten. Ich komme von der Textseite, Philine Rinnert ist Bühnenbildnerin und Sebastian Straub Schauspieler. Wir arbeiten immer ohne Regie, weil wir es sehr schön finden, wenn jeder sich aus seiner Expertenposition heraus einbringen kann. Wir handeln Entscheidungen dann untereinander aus.
Wie lang habt ihr daran gearbeitet?
Schon sehr lang. Das Konzept etwas mit dem Berg als Symbol und zu den Rechten zu machen, gibt es seit mehr als zwei Jahren. Konkret haben wir Anfang des Sommers am Projekt zu arbeiten begonnen.
Freundliche Mitte: Bergeins, 14.-18. Feb. im brut im Werk X-Eldorado
Im Herbst 2017 wählt Österreich – und es wählt rechts: Neben einer sich der Rhetorik der Ausgrenzung bedienenden ehemaligen Partei der Mitte finden sich mit der FPÖ auch Politiker*innen in der neuen Regierung, die ihre Nähe zum Rechtsextremismus kaum verhehlen. Freundliche Mitte: Bergeins beschäftigt sich mit den Konsequenzen einer Welt, die rechtes Denken als Normalität hinnimmt. Sa 17. Februar, 17:30 Uhr gibts außerdem ein Symposium angesichts des Rechtsrucks in Europa, Eintritt frei!
Posted by brut Wien on Dienstag, 6. Februar 2018
In Bergeins geht ja auch viel um den Gemeinschaftsbegriff. Hat sich der für euch während der Arbeit an diesem Projekt verändert?
Theater ist immer ein Aushandlungsprozess. Das war, speziell bei diesem Projekt ein wichtiger Teil der Arbeit, weil wir unser Kollektiv für Bergeins um neue Mitglieder erweitert und zusätzlich auch mit Vereinen gearbeitet haben, wie zum Beispiel mit jungen Tischlern von Jugend am Werk, mit SeniorInnen oder dem Subchor. Außerdem finden wir, wenn man sich an den Rechten und deren Gemeinschaftsbegriff abarbeitet, dann macht es nicht viel Sinn etwas im Alleingang zu entwickeln. Der Aushandlungsprozess ist ja gerade das Schöne bei dieser kollektiven Arbeit.
Nach welchen Kriterien habt ihr diese Vereine ausgesucht?
Wir wollten Leute von ganz jung bis ganz alt und auch mit unterschiedlichen Backgrounds. Einfach um nicht bloß uns, als sprechberechtigte Mehrheit, zu vervielfältigen.
Waren sie eher motiviert oder skeptisch?
Es war eine schöne Erfahrung weil insgesamt alle sehr dabei und motiviert waren. Wir haben mit den einzelnen Gruppen Interviews und Videos gemacht, bei denen sich die Leute sehr eingebracht haben.
Dieser Berg im Zentrum hat mich unter anderem auch an Jelinek erinnert. Er hat ja etwas Bedrohliches an sich, suggeriert aber gleichzeitig oft Heimatverbundenheit. Wie kam der Berg in euer Projekt?
Wie Du ja schon erwähnt hast, wird der Berg oft als Heimatsymbol – aber auch als rechtes Symbol – herangezogen. Das hat gewissermaßen Tradition. Dieses Symbol und seine Rückeroberung haben uns interessiert: den ausgehöhlten Begriff neu zu befüllen, mit einer Gemeinschaft der Vielen. Wir nutzen den Berg um die Frage zu stellen, wann ein Ort Schutzraum ist und wann er zum Rückzugsort wird, um sich von der Welt abzuschotten. Der Berg steht bei uns auch als riesiges Symbol im Raum. Gebaut wurde er von den jungen Tischlern von Jugend am Werk, einem der Vereine, mit denen wir zusammengearbeitet haben.
Also geht es darum, dass etwas zunächst ein Schutzraum ist, aber man gewissermaßen Gefahr läuft, dass dieser Schutzraum irgendwann zu einem Rückzugsort wird? Und sich so von der Realität abschottet?
Genau. Vor allem geht es auch darum, seine eigene Position zu hinterfragen und sich selbst die Frage zu stellen, ob man sich noch in einem Schutzraum befindet oder schon an einem Rückzugsort angekommen ist. Im Sinne einer Blase, in der man nur noch mit Leuten innerhalb dieser Blase spricht, sich „richtig“ fühlt und deswegen nicht aktiv wird.
Hat das auch etwas damit zu tun, dass die Menschen immer abgestumpfter werden? Und sich viele nur noch zu einem resignativen Schulterzucken durchringen können? Braucht es, um das zu ändern, Kunst und ihre Verfremdungsprozesse?
Es braucht auf jeden Fall aktive Politarbeit. Aber ich finde, dass auch KünstlerInnen Stellung beziehen sollten, nicht zuletzt, weil ihnen eine Plattform zu sprechen geboten wird, weil sie gehört werden. Ich habe den Eindruck, dass die Rechten momentan überall präsent sind. Österreich ist da ein Beispiel unter vielen. Vermutlich hat sich deshalb einfach eine Art Normalitätsgefühl eingestellt. Man konsumiert Schreckensnachrichten, ein Trump-Sager hier, Orban da, AFD dort und groovt sich in dieser komischen Normalität ein. Unsere Idee mit Bergeins war es, diese Normalität noch einmal zu kritisch befragen und Strategien der Aus- und Abgrenzung sichtbar zu machen. Der Text sampelt Sprachmaterial, das collagiert, neu angeordnet und von uns sozusagen ausgestellt wird. Spannend fand ich in der Recherche beispielsweise Sebastian Kurz‘ PR-Sprech oder die NLP-geschulte Sprache von u.a. Norbert Hofer,, die Täter zu Opfern macht. Ich möchte das Publikum gerne dafür sensibilisieren
Was hofft ihr, beim Publikum auszulösen?
Ich fände es schön, wenn man über Österreich, aber auch über sich nachdenkt. Aber eben nicht im Sinne einer Resignation, sondern eher mit einem Gefühl, dass man miteinander vielleicht eine neue Art der Gemeinschaft schaffen müsste und dass es etwas bringt, Stellung zu beziehen.
Wie geht es nach dem Brut mit Bergeins weiter?
Wir wurden mit dem Projekt zum DramatikerInnen Festival nach Graz eingeladen. Dort spielen wir im Dom im Berg – was natürlich als Ort sehr schön und passend ist.. Sonst arbeiten wir alle an unterschiedlichen Projekten, hoffen aber, dass wir mit Bergeins noch ein paar Gastspiele machen können.
Aufgrund der Sanierung des Künstlerhauses, ist das Brut in dieser Spielzeit an vielen verschiedenen Orten mit Programm präsent – die Aufführungen von BERGEINS finden deshalb im Werk X-Eldorado am Petersplatz statt. Bergeins wird von 14. bis 17. Februar um 19:30 & 21:00 Uhr sowie am 18. Februar um 15:30 & 19:30 Uhr aufgeführt. Am 17. Februar um 17:30 gibt es zudem eine Gesprächsrunde unter dem Claim »Die alltägliche Reche«. Mehr Infos hier.