Das erste Halbjahr 2013 ist vorbei. Weil man sich am Jahresende dann wieder nicht daran erinnert, haben wir Highlights von heuer aufgerollt.
Disclosure - Settle
Es ist Musik unserer Zeit. Viel zu perfekt. Komplett aus dem Computer. Voller kleiner Spuren und Hinweise. Und was für Melodien. Dabei möchten wir den Beat vorgeben. Doch eigentlich tut es der Computer. Er sagt uns, was gut ist, er sagt uns, was schnell ist und uns weiterbringt. Disclosure lassen sich zwar auch vom Computer den Beat vorgeben, aber sie haben ganz unterschiedliche Freunde mit wunderbaren Stimmen, die dem Sound noch Entschleunigung, Unordnung und eine gewissen Universalität geben – so absurd das bei Dance Music klingen mag. Disclosure - Settle - Artikel
ASAP Rocky - Long Live ASAP
ASAP Rocky macht trotz Major-Label-Deal da weiter, wo er aufgehört hat. Harlem trifft Houston, Codein trifft Kokain – das offizielle Debüt-Album »Long Live Asap« untermauert den Hype. Asap Rocky denkt seinen Sound behutsam weiter und schielt mit einem Auge auf die große Pop-Bühne. Das Album hat textlich sowie musikalisch kaum Längen. Es greift unzählige spannende Ästhetiken der letzten Jahre auf, verschmiert sie mit Asap Rockys Stil und übersetzt das in fesselnden, zeitgenössischen HipHop. HipHop hat einen neuen Kronprinzen. ASAP Rocky - Long Live ASAP - Artikel
Rhye - Woman
Das in Los Angeles ansässige Duo Rhye nähert sich dem Phänomen R’n’B jetzt von der Pop-Seite. Es raubt ihm den Beat, um ihn in Songs zu überführen. Falsett-Gesang, Streicher, Pianos und Prince-Gitarren strecken große Gefühle über die gesamte Breite des Sounds. Eine universelle, wunderschöne Mixtur aus R’n’B, Pop und Soul. Rhye zeigen keine Angst vor großen Gesten. Ihre Musik ist melancholisch, zerbrechlich und sinnlich zugleich. Rhye - Woman - Artikel
Charlie XCX - True Romance
Mit Charli XCX kommt nicht nur das 90er Revival im Pop an, sondern auch noch das ganze Internet mit seinen Cut-up- und Collage-Techniken. Zumindest an der Oberfläche. Videos dreht sie mit ihrem Freund, packt ihre besten Freundinnen mit rein, schreibt die Songs. Natürlich nicht ganz alleine, aber viel stärker, als man das von einer 20-Jährigen erwarten würde. »I Love It« von Icona Pop, das ist übrigens auch von ihr. Charlie XCX - True Romance - Artikel
Amok - Atoms for Peace
Die Freiräume zwischen den Polyrhythmen aus Drums, Percussions, Synths, Gitarre und Bass werden von Yorkes Stimme umflossen und halten so alles bis ins letzte Quantum zusammen. Dabei entfaltet sich ein Wechselspiel zwischen ihm und den übrigen Musikern. Jeder Ton und Klang fängt den anderen auf, um die durch die Bewegung freigesetzte Energie zu etwas noch Größerem zu verwandeln. Yorke bildet dabei den Nukleus um den seine vier Kollegen als Elektronen musikalisch im Gegenpart schwingen und schließlich fusionieren. Amok - Atoms for Peace - Review
Autre ne veut - Anxiety
Die Gewissheit zu sterben verhindert nicht, dass man sich ins Gesicht lügt. Das ist die Ebene, auf der Autre Ne Veut – Arthur Ashin aus Brooklyn – sich Gefühlen nähert, in ihren dunkelgrauen Kern hineinbohrt, vielleicht, weil er in Psychoanalyse war. Autre Ne Veut bringen Gefühlsexpressionismus in eine kühle Form und vertonen theatralische Konstellationen von Schuld und Sühne. So geht Pop Art. Autre ne veut - Anxiety - Artikel
Daughter - If You Leave
Mit „If you leave“ schafft Daughter so etwas wie symbolischen Naturalismus, mit rätselhaften Bedeutungen, die nie ganz sagen was sie umtreibt, dabei Körper, Stoff und Raum der Songs ganz natürlich klingen lassen. Hat hier jemand Klassiker gesagt? Daughter - If You Leave - Review
Mount Kimbie - Cold Spring Fault Less Youth
Klippenspringen vom Mount Kimbie: Nach einem Überalbum sind Mount Kimbie von der Klippe der Redundanzgefahr hinunter ins Wasser gehüpft und haben sich aus der Gischt neu selbst erfunden. "Cold Spring Fault Less Youth" ist ein Manifest dafür, dass sie 2013 noch wichtig sind für jene Musik formerly known as Dubstep. Mount Kimbie - Cold Spring Fault Less Youth - Review
Sex Jams - Trouble Honey
Als sich Sex Jams 2008 aus diversen Vorgängern fusionierten, wagten sie behutsame, erste Schritte auf dem gefährlich dünnen Eis abseits der Wiener Indiepop-Szene. Ach, Blödsinn. Sie spuckten in die Hände, nahmen Anlauf und trampelten schallend lachend und mit ausgestrecktem Mittelfinger an der Skinny-Jeans und Jutebeutel tragendenden Hipster-Meute vorbei und ließen ihre Gitarren das Eis erst einmal gehörig wegfetzen. Seither sind die Sex Jams zum Quintett gewachsen (Katie Trenk, Lukas Bauer sowie die Mile Me Deaf-Kollegen Flo Seyser, Rudi Braitenthaller und Wolfgang Möstl). Doc Martens, schlecht blondierte Haare, Beanies und Kunstpelzmäntel sind auch wieder cool. Dabei klingt der Sound auf „Trouble, Honey“ vielfältiger, größer. Warum? Weil sie gelernt haben, locker zu lassen und sich selbst nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. Sex Jams - Trouble Honey - Artikel
Sigur Ros - Kveikur
Auf ihrem siebten Studio Album distanzieren sich Sigur Rós von ihren Ausflügen in Richtung Aromatherapie-Sountrack, sind eindeutig kantenreicher und räudiger als auf dem Vorgänger „Valtari“. Gerne wird den Isländern vorgeworfen ihre Musik klinge, als würden sich Wale unterhalten. Auf „Kveikur“ sind diese Wale dahingerafft worden und liegen nun blutend in ihren letzten Zügen am Strand. Sigur Ros - Kveikur - Review
Zomby - With Love
Zomby assoziiert sich wild durch die letzten 25 Jahre der elektronischen Musikgeschichte. Und klingt damit erstaunlich modern. Die Platte schafft es erstaunlicherweise gleichzeitig schlüssig und wirr zu sein. Sie ist ein Kaleidoskop, ein Mosaik der – primär britischen – elektronischen Musik der letzten 25 Jahre. Zomby - With Love - Review
Austra - Olympia
Das Bett ist noch kalt. Eingehüllt von Dunkelheit fühlen sich Austra am Wohlsten. Dort, wo der jedermann zum Philosophen wird. Dort und am Dancefloor. Man kehrt gerne zurück zu dieser seltsamen Mischung aus tanzbaren Songs und dunkler, beklemmender Stimme, die überraschenderweise beim zweiten Album besser als jemals zuvor funktioniert, die aus den Ruinen eines Dancefloors gebaut ist, Caspar David Friedrich in der Disco, Selbstporträt mit fiedelndem Tod, quasi. Austra - Olympia - Review
Ta-ku - Dowhatyoulove
Für Liebhaber von soul- und funklastigen Hip Hop-Instrumentalen ein absolutes Must-have. Kopfnicken erwünscht. Ein australischer Dorian Concept mit dem gewissen Fingergespür für Breaks an der richtigen Stelle und hinkende Kicks. Der autodidakte Junge aus Perth steigt in die Fußstapfen eines J. Dilla´s und macht seinen Job mehr als nur gut. Muß man feiern. Ta-ku - Dowhatyoulove - Review
Pantha du Prince & The Bell Laboratory- Elements of Light
Soundwissenschafter Hendrik Weber alias Pantha Du Prince hat mit Osloer Musikern unter dem Namen The Bell Laboratory 45 Minuten sakral-perkussiven Sound komponiert, der gewöhnlicher Clubmusik fremde Impulse gibt, sie sogar übertrifft. Nur durch sein gebautes, elektronisch-rhythmisches Gerüst, werden die Töne der archaischen Klangkörper zusammengehalten, gar eingefangen, um dem Song Struktur zu geben. Und irgendwie entsteht Licht, im Bruchteil eines Augenblicks. Pantha du Prince & The Bell Laboratory - Elements of Light - Review
Foxygen - We are the 21st Century Ambassadors of Peace Magic
Die klassischsten aller klassischen Musiken im neuen, schicken Gewand: Foxygen wissen, wie Pop gehen kann. Bunt, übersprudelnd. Ihnen gelingt der schwere Tanz auf heißem Drahtseil zwischen Humor (der aber eben gerade nicht bloß Ironie ist) und einer hohen musikalischen Kunstfertigkeit, die dabei nie in den heiligen Ernst stumpfen Handwerks wegbricht. Eine rätselhafte Platte, die normal genug ist, um Foxygen demnächst in kleine Stadien zu hieven. Foxygen - We are the 21st Century Ambassadors - Review
Fidlar - Fidlar
Kaum lässt man den (Surf)-Rock aus den Augen kommt so etwas daher. Fidlar haben da eine Platte ausgerotzt, die alles Unheilige feiert. Bis auf Satan, obwohl der sicher auch irgendwie seine Finger im Spiel hatte. Das Album lässt sich getrost mit »Musik, zu der man sich gerne die Nase bricht« beschreiben. Was man natürlich nur empfehlen kann. Fidlar - Fidlar - Review
Unknown Mortal Orchestra - II
In einer Gezeitenlinie aus Wahn, Depression und Übermut zeichnet das Unknown Mortal Orchestra psychedelische Muster an Wände, gegen die auch Syd Barrett einst seinen Kopf geschlagen haben könnte. “II“ beinhaltet alles, was man von der Band schon lange gelesen, sich aber nie zu erwarten getraut hat. Es ist ein rundherum gelungenes, experimentelles, schwarzbuntes Indie-Kleinod, das von vielen verpasst und von einigen zur Platte des Jahres erkoren werden wird. Unknown Mortal Orchestra - II - Review
Various Artists - The Celluloid Records Story 1980-1982
Ein Instrumentalstück von Drum-Gottheit Ginger Baker steht hier neben einer Zusammenarbeit von Afrika Bambaataa und John Lydon, dazwischen ist Platz für Richard Hell und die senegalesische Gruppe Touré Kunda. Musiken, die oft kaum irgendetwas miteinander zu tun hatten, und genau deshalb zueinander geführt werden mussten. Fantastisch. Various Artists - The Celluloid Records Story 1980-1987 - Review
These New Puritans - Field of Reeds
These New Puritans sind heute eher Konzept denn Band. »Field Of Reeds«, das bemerkenswerte dritte Album der Engländer, bemüht sich um die totale Kunst. Man merkt dem gerade mal in seinen mittleren 20ern steckenden Barnett die Anstrengung an, hier unbedingt ein finsteres Opus stemmen zu wollen. Aber mit noch jugendlich-frischem Wissen und Tatendrang neue Welten probieren, das ist es vielleicht doch auch schon: Punk. These New Puritans - Field of Reeds - Review
Chakuza - Magnolia
Chakuza bricht mit seiner Vergangenheit. Entgegen seinem Ruf als Straßen-Rapper und Bushido-Attaché ist der Linzer mit dem Album »Magnolia« in seiner musikalischen Wahlheimat angekommen. Und wurde ganz nebenbei erwachsen. Er erzählt auf „Magnolia“ seine Geschichte und schafft es, dabei nur selten in den Pathos abzudriften. Er klingt ruhig, nachdenklich und melancholisch. Rundumschläge sucht man vergebens. Für das musikalische Grundkonzept ist das Produzentenduo Stickle und Steddy verantwortlich, das schon Casper zu seinem Durchbruchalbum „XOXO“ verholfen hatte. Ähnlichkeiten zwischen den beiden Künstlern sind dabei nicht ganz von der Hand zu weisen, Vergleiche scheitern aber spätestens bei den verschiedenen Zugangsweisen zu rappen. Auch ohne Chakuzas musikalische Vergangenheit zu kennen hat man das Gefühl, dass Street-Rap irgendwo im Rucksack des gelernten Kochs verstaut ist. Doch Schimpfen ist nicht mehr. Trotzdem gelingt ihm der Sprung über die Conscious-Rap-Kitschfalle. Als Erwachsener springt es sich eben leichter. Chakuza - Magnolia - Artikel
Naked Lunch - All is Fever
Oliver Welter: „Nun, der Titel unseres Albums ist sehr bewusst gewählt und stand schon sehr früh fest. Und ja, der Begriff des Fiebers schlägt um sich. Ich merke das bei mir persönlich, bei meinem näheren Umfeld und natürlich auch im großen, globalen Prozess, dass es Zeit für Veränderungen ist. Wir liegen alle irgendwie krank darnieder und wir werden hoffentlich genesen rausgehen. Es herrscht zurzeit eine Haltlosigkeit. Ganz wenige wissen, wohin sie sich bewegen sollen, wie es weiter geht, und was es für Möglichkeiten gibt. Hat sich mein Lebensmodell als richtig herausgestellt, oder ist es ein Scheißdreck? Und wenn es scheiße ist, was wäre die Alternative dazu? Das sind die Fragen, die den Alltag beherrschen.“ Naked Lunch - ALL IS FEVER - Artikel
Vampire Weekend - Modern Vampires of the City
Selten ist sich eine Band so bewusst über die Zitathaftigkeit und Verweisfülle ihrer Musik und klingt trotzdem so intuitiv und unbeschwert wie Vampire Weekend. Aus dem Faible für Afrobeat und tropische Rhythmen wollten sie auf dem neuen Album keine große Sache mehr machen, auch wenn sie an Rhythmus und Percussion immer noch großes Interesse demonstrieren. Schnell wird klar: Es geht um neue Mittel zum gleichen Zweck. Klassischere Melodien und Songformeln, Aufnahmen in einem Studio aus den 30er Jahren, Stimmmanipulation und Chöre gehören zu den Neuerungen. Eine Ästhetik der Verweise, Zitate, Stückelung, Verfremdung und Vermischung bleibt die Konstante der Album-Trilogie, die „Modern Vampires Of The City“ nun komplettiert. Vampire Weekend - Modern Vampires of the City - Artikel
Crack Ignaz - Buttmeingoa Freekony 2013
Crack Ignaz präsentiert Cloud Rap nach österreichischer Bauart. Das klingt vorerst sehr spannend, aber auch nach einem Reimer, der sein Profil noch schärft. Das alte Sampling-Prinzip von Hip Hop nutzt er bestmöglich für die eigene Sache. Crack Ignaz steht für jungen Rap aus Österreich, der entspannt nach den Sternen am Indie-Himmel greift. Er instrumentalisiert selbstbewusst, was er gerade zur Inspiration brauchen kann und schafft es dabei, originell und cool zu sein. Crack Ignaz - Buttmeingoa Freekony 2013 - Review
Deerhunter - Monomania
»Monomania« ist sicher kein gutes Weihnachtsgeschenk für Mama und auch keine wilde Punkrock-Party. Eher sollte man einen an der Waffel haben. Oder sich darüber freuen können, wenn Songs »Leather Jacket II« heißen, wenn aus fast kindischem Maschinenlärm ein Refrainmonster steigt, wenn 20 Sekunden lang ein Motorrad röhrt – egal, ob einen das nun an Musique Concrète, Heroin, dunkle Sonnenbrillen oder Filme aus den 50ern erinnert. »Monomania« ist voll von solchen Momenten, da spricht jemand nicht einfach nur eine Sprache, er meistert sie und spielt damit. Und damit – man sagt es ungern vorschnell – ist der Korpus von Cox’ Songs mit Deerhunter und Atlas Sound über die Jahre selbst zu einem der ergiebigsten Trümmerhaufen der US-Rockmusik geworden. Eine tolle, irre, verwirrende Platte über Musik selbst, ihre Möglichkeiten, ihre Geschichte, ihre losen Enden. Genauer, Alternative Rock. Deerhunter - Monomania - Review
Francis International Airport - Cache
Der gut gelaunte Francis ist erwachsen geworden und hat dabei viel Synthpop, Kraut und Psychedelia konsumiert. Mit mutigem Tellerrandland-Pop feiert man die Elektrifizierung der Gitarrenband mit. »Cache« ist wie der Kater danach geworden. Gegrübelt wird darüber, wie eine Gitarrenband im Jahr 2013 noch spannend und neu klingen kann – mit altem Instrumentarium, aber großzügigem Blick über den Tellerrand, mit magischer Atmosphäre und gut arrangiertem Minimalismus. Detailverliebt und introvertiert flüstert man traditionellem Indie-Pop etwas zu: So zeitlos und unbeschwert zu klingen, als würde man irgendwo im Universum schweben. Dass das die internationale Popszene oft zu hören bekommt, stört nicht. Francis flüstert irgendwie anders. FRANCIS INTERNATIONAL AIRPORT - Cache - Review
Das Jahr 2013 zeigt sich bisher vielseitig und farbenfroh, zumindest was die Musik angeht. Für Party und gute Laune wird dabei ebenso gesorgt wie für nachdenklichere, melancholische Momente. Neben internationalen Ikonen und Neuentdeckungen hat auch die eine oder andere österreichische Band dieses Jahr bereits einen Leckerbissen serviert.