Bestandsaufnahmen der Medienkunst

Matthias Tarasiewicz von 5uper.net über die neue Ausgabe des Festivals Coded Cultures, den Versuch eines Festivals ohne Zentrale oder auch die Suche nach neuen Definitionen von Medienkunst.

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Seit dem letzten Coded Cultures Festival sind zwei Jahre vergangen. Inwiefern hat die digitale Evolution Praxen innerhalb des Medienkunstsektors beeinflusst?

Seit 2009 gab es einige neue Entwicklungen: 2010 wurde zum Jahr der Tablet-Computer durch Apples iPad, Facebook wurde richtig populär (mit damals 500 Millionen Mitgliedern) und US-Behörden haben den 22-jährigen Ex-Soldaten Bradley Manning (Vorwurf: Whistleblower) verhaftet. Während die technologischen Entwicklungen das Konsumverhalten der User verändern – theoretisch wird am iPad mehr gelesen als geschrieben – hat sich parallel durch Wikileaks und andere Transparenzbewegungen (Openleaks, lulsec) die Debatte über Privacy und Datenschutz verstärkt in den Mainstream bewegt. Arbeiten in der Medienkunst haben sich bereits mit diesen Themen auseinandergesetzt. Beispielsweise die Web 2.0 Suicide Machine oder auch das Asylabwehramt (AAbA).

Hat sich für euch die Aufgabe der Medienkunst in diesem Zeitraum verändert?

Nein, nicht wirklich. Medienkunst muss heute kritisch sein – sie kann sich endlich Inhalten widmen: Bereits 2006 hat Inke Arns in »Über die Zeitgenossenschaft der Medienkunst« festgestellt: »Medienkunst ist keine formale Kategorie bzw. kein formales Genre mehr, als das sie vor allem in den 1990er Jahren noch aufgefasst wurde, sondern sie zeichnet sich durch eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit der uns umgebenden, zunehmend medialisierten und auf neuen Technologien basierenden Welt aus.« Die »Digitalisierung« ist abgeschlossen, somit wird eigentlich jede zeitgenössische Kunstpraxis zur Medienkunst. Es muss also ein neues Profil für (neue) Medienkunst entwickelt oder beschrieben werden. Genau das versuchen wir – nicht nur mit dem Festival – zu thematisieren.

Euer diesjähriges Thema ist »City as Interface«. In welcher Weise sind Städte als Interface zu begreifen und wer bedient sie? Bzw. wie können sie genützt werden?

Das Konzept für »City As Interface« basiert auf der Idee, die Stadt selbst als Ausstellungsfläche zu nutzen. Einerseits neue ungenutzte urbane Räume zu bespielen und andererseits bereits bestehende, großteils selbstorganisierte Strukturen einzubeziehen. Neue Kunst- und Kulturpraktiken passieren nicht nur in Galerien und Museen: Es gibt sehr viele Orte, an denen innovative und interessante Projekte und Prozesse passieren, die wir mit Coded Cultures 2011 darstellen wollen.

5uper.net hat immer auch einen Fokus auf Technologie. Wie passiert bei euch der Research- und Auswahl-Prozess?

5uper.net ist eine von Medienkünstlern geleitete Initiative – wir versuchen mit Coded Cultures internationale und lokale Künstler, Produzenten und Gruppierungen einzuladen, um eine Zusammenarbeit innerhalb des Festivals zu ermöglichen. Wir haben unterschiedliche Zugänge zu den Begriffen »Medienkunst« und »New Media Arts«. Das Festival ist für uns eine gute Möglichkeit, um diese Zugänge zu untersuchen und Bestandsaufnahmen zu machen, was heute als Medienkunst verstanden wird. Dabei ist für uns besonders interessant zu untersuchen, wie sich neue Technologie und auch neue Kulturpraxen auf die Gesellschaft und auf die Kunst auswirken.

Eine der Bemühungen des heurigen Coded Culture-Festivals ist es, als Festival weit in die Stadt hineinzureichen, das Festival auch räumlich nicht von dieser abzugrenzen. Wie kann das funktionieren?

Ein großer Vorteil ist, dass wir Aktionen und Interventionen in der Stadt präsentieren können – insofern auch neue Arbeiten und Herangehensweisen. Gleichzeitig ist das Problem aber natürlich, dass wir kein Festivalzentrum in diesem Sinn haben, sondern alles verteilt präsentieren und deswegen die Entwicklung einer Narration sehr wichtig war. Wir hoffen, mit unseren Ansätzen neue Zielgruppen und Interessierte für neue Medienkunst begeistern zu können, sind uns aber auch bewusst, dass es schwieriger sein wird, viele Leute an den Donaukanal zu bringen als z.B. ins Museumsquartier. Für uns ist das Coded Cultures Festival ein Experiment, um neue Präsentations- und Ausstellungsformen auszutesten.

Coded Cultures, gegründet 2004, findet von 21. September bis 2. Oktober 2011 in Wien statt. Die Kuratoren sind Michal Wlodkowski, Georg Russegger und Matthias Tarasiewicz. codedcultures.net

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