Lernt Amphibisch! In seiner aktuellen Ausstellung »Between the Tremor and a Murmur Lies a Sunset« erkundet der Kunstraum Niederoesterreich die verblüffende Sound- und Sprachenvielfalt der Natur und sucht nach Wegen, menschliche und nicht-menschliche Welt miteinander ins Gespräch zu bringen.

»Frogs are female toads.« In weißen handgefilzten Lettern auf schwarzem Grund (aus Naturwolle) prangt der Satz an einer der Wände des Kunstraum Niederoesterreich – stimmen kann das nicht, oder doch? Die Künstlerin (und passionierte Schafzüchterin) Orla Barry, von der das Filzwerk stammt, hält sich bedeckt. Die Wahrheit wissen wohl nur die Amphibien. Vielleicht fragen wir lieber sie?
Wie kommuniziert man mit Fröschen, Kröten oder den vielfältigen anderen nicht-menschlichen Bewohner*innen dieses Planeten? Wie überwindet man die kommunikative Kluft zwischen Mensch und Natur? Diese Fragen bilden den konzeptionellen Ausgangspunkt der Gruppenausstellung »Between the Tremor and a Murmur Lies a Sunset«, die derzeit im Kunstraum Niederoesterreich zu sehen ist. Sechs internationale künstlerische Positionen hat Gastkuratorin Lorena Moreno Vera in der Herrengasse 13 versammelt und dazu eingeladen, sich in einen Dialog mit dem mehr-als-menschlichen Teil des Kosmos zu begeben.

Eine Übung im Zuhören
Die These der Schau: Sprache ist kein Monopol des Menschen. Über die Fähigkeit, zu sprechen und sich mitzuteilen, verfügen auch die nicht-menschlichen Erscheinungen der Natur, Flora und Fauna ebenso wie Gesteine, Wasser und Luft. Die Frage ist nicht, ob sie kommunizieren, sondern, ob der Mensch bereit ist, ihnen zuzuhören.
Ein Schwerpunkt von »Between the Tremor and a Murmur Lies a Sunset« liegt dabei auf dem Medium Sound. Besonders eindrücklich kommt das in der Klang- und Lavastein-Installation »i build my language with rocks – ash rain« (2025) des Künstler*innen-Duos ~pes (Elizabeth Gallón Droste und Pablo Torres Gómez) zur Geltung. Die Geräusche, die wir darin hören (und die ein bisschen an den Sound von Bohrmaschinen erinnern), basieren auf Seismogrammen, die ~pes im sogenannten »Archipel der Vulkane«, auf den Liparischen Inseln vor der Nordküste Siziliens, aufgezeichnet hat.
Von Sounds, die dem Menschen in der Regel entgehen, handelt auch Tania Candianis Filminstallation »For the Animals« (2020). Schauplatz ist die Sonora-Wüste in Mexiko und den USA. Candiani hat sich auf die Spuren der auditiv sensibelsten Tiere in der Region begeben. Ihr Ziel: eine Vorstellung von der Hörwahrnehmung der tierischen Wüstenbewohner*innen gewinnen. Was heißt es, die Welt mit den Ohren eines mexikanischen Grauwolfs oder eines Rotfuchses zu erleben? Entstanden ist ein Film von großer synästhetischer Kraft, der neben Einschlafliedern für Kojoten auch faszinierende Exkurse in die Theorien von Sound-Größen wie R. Murray Schafer, Bernie Krause und Brandon LaBelle bereithält.

Im Dialog mit Gewässern und Gestirnen
Stellen die Werke von ~pes und Candiani Versuche dar, das geheime Murmeln des Kosmos hörbar zu machen, so präsentiert der Künstler Edgar Calel mit seiner monumentalen Wandarbeit »Ru K’oxk’ob’el nu k’ux / The Echo of My Spirit« (2025) einen Versuch, in dieses Murmeln musikalisch einzustimmen. Die filigranen handgestickten Muster, die wir darauf sehen, sind Partituren von Gesängen, die auf den Hochebenen Guatemalas praktiziert werden. Eines der zitierten Lieder, den »Kit Kit Song«, verdankt Calel seiner Großmutter, die damit Vögel anzulocken pflegte.
Um Musik, die verschiedene Zeiten und Gezeiten miteinander verbindet, geht es auch in Anca Beneras und Arnold Estefáns Filminstallation »How to Mend a Broken Sea?« (2024) über die Geschichte und Gegenwart des Schwarzmeerraums. Das Meer verwandelt sich darin in ein lebendiges kultur- und naturgeschichtliches Archiv, dessen Wellen von der Vielfalt der Sprachen und kulturellen Identitäten, den ökologischen Krisen und den anhaltenden geopolitischen Spannungen erzählen, die die Region prägen.
Niamh O’Malleys Filmarbeit »Sun« (2023) lenkt die Aufmerksamkeit zurück auf die visuellen Ausdrucksmöglichkeiten der Natur. »Sun« ist eine filmische Meditation über die stille Präsenz der Sonne – ohne die das menschliche Zeitempfinden keinen Ankerpunkt hätte. Allein durch ihre Helligkeit und ihre Position am Himmel zeigt die Sonne dem Menschen seinen Ort in der Zeit an: ein jahrtausendealter wortloser Dialog, der so selbstverständlich ist, dass man ihn kaum mehr registriert.
Um die Natur zu verstehen, muss man ihre Sprache sprechen. »Between the Tremor and a Murmur Lies a Sunset« ist eine Einladung, diese Sprache besser kennenzulernen – von den beredten Klängen der Wüste und des Meeres über die stumme Sprache der Gestirne bis zum Quaken der Frösche, die vielleicht doch Krötenweibchen sind.
Die Ausstellung »Between the Tremor and a Murmur Lies a Sunset« ist bis 26. Juli 2025 im Kunstraum Niederoesterreich zu sehen.