In der heimischen Film-Szene brodelt es: Es gäbe ein Image-Problem bei Jugendlichen. Wir haben uns bei jungen Filmemachern umgehört.
Clara Stern – „Das österreichische Kino gilt seit den 1990er Jahren als „Feel-Bad-Cinema“
Clara Stern studiert an der Filmakademie Wien. Mit ihrem Film „Die Inseln, die wir sind“ lief sie auf mehreren Festivals. Im The Gap Interview spricht die Regisseurin und Drehbuchautorin über Filmverwertung zuzeiten digitaler Möglichkeiten und das Fehlen österreichischer Kinderfilme und qualitativ hochwertiger Komödien. Die heimische Filmbranche, so legt die aktuelle Studie des Filmfonds Wien nahe, kennt das Publikum zwischen 14 und 29 zu wenig. Nimmst auch du das so wahr? Ich glaube, das Problem beginnt fast schon früher. Wenn es kaum österreichische Kinderfilme gibt, wenn also Kinder keine österreichischen Filme sehen, warum sollten sie sich später anschauen? Es ist schwierig zu sagen, ob die Branche das Publikum zu wenig kennt oder aber ob es sich vielleicht auf Grund der geringeren Größe des Zielpublikums nicht auszahlt, Filme für diese Zielgruppe zu machen. Vor allem befinden sich Menschen zwischen 14 und 29 Jahren in zwei bis drei völlig unterschiedlichen Lebensabschnitten (Schule, Ausbildung/Studium, Beruf). Das bedeutet, dass man Filme mit sehr unterschiedlichen Themen bräuchte, um die Interessen dieser Zielgruppe auch abzudecken. Gerade junge Leute fühlen sich von den Inhalten des heimischen Kinos selten angesprochen. Ein Image-Problem, so könnte man provokant feststellen, beginnt bereits beim Drehbuch. Hat Österreich die falschen Bücher? Hat Österreich die falschen Drehbücher ist eine sehr allgemeine Frage, die ich nicht beantworten kann. Man müsste sich eher anschauen, ob Drehbücher mit Themen, die ein jüngeres Publikum ansprechen könnten, eingereicht aber nicht gefördert werden. Oder hängt es mit dem Autorenkino und dem Durchschnittsalter der Regisseure zusammen? Falls Österreich die falschen Drehbücher hätte bzw. wenn die richtigen in der Schublade liegen, wäre die wichtigste Frage, was sich ändern müsste. Wo muss man ansetzen, was muss man fördern, was unterstützen, was bisher nicht gefördert wird? Vom Drehbuch bis zum fertigen Film dauert es sehr lang. Veränderungen würden also nicht von heute auf morgen passieren. Vor allem im Web agiert man zu altmodisch und unspezifisch, so die Studienautoren. Eine Sache von Marketing und Verleih oder geht dich das auch selbst als Filmemacher an? Wenn es darum geht, die Filme auf Plattformen zu bewerben, die das Zielpublikum nutzt, dann muss das schon von Produktion und Verleih geändert bzw. geleistet werden. Als Filmemacherin habe ich während den Vorbereitungen und dem Dreh kaum Zeit, mich um eine Facebook-Seite des Films zu kümmern. Wichtig ist, dass Zielgruppen ab der Vorproduktion definiert werden. Dann muss man den geeigneten Weg suchen, um mit ihnen in Kontakt zu treten, sie regelmäßig mit neuen (Insider-)Informationen versorgen. Das freilich ist ein großer Mehraufwand und man kann vorher nicht sagen, wie viele Leute mehr das im Endeffekt ins Kino lockt. Sollte hier ein Anstieg an Besuchern passieren, würde vielleicht auch Crowdfunding in Österreich endlich besser funktionieren. Als Autorin kann ich natürlich auch leichter Themen im Film nennen, die spezifische Zielgruppen ansprechen. Was aber mit diesen Informationen weiter geschieht steht außerhalb meiner Möglichkeiten. Wir beobachten bei vielen jungen Filmemachern eine Art Kult um die physische Apparatur Kino. Dem gegenüber steht die andauernde, beinahe fetischhafte Forderung, sich den digitalen Möglichkeiten zuzuwenden. Wie sinnvoll ist es, das Image-Problem am Spannungsfeld Digitalisierung vs. Analog, Web vs. Kino dingfest machen zu wollen? Ich glaube, es gibt eben zwei Tendenzen: Einerseits Zuschauer, die sich Filme in bester Qualität auf großen Leinwänden anschauen wollen. Andererseits Zuschauer, die sich Filme am Abend schnell zuhause streamen wollen. Umso stärker Plattformen ausgebaut werden, wo es Filme kann nach dem Kinostart billiger als im Kino und in guter Qualität zum Downloaden/ Streaming gibt, umso eher kann man die illegalen Downloads stoppen. Mundpropaganda ist auch sehr wichtig für die Entscheidung, einen Film im Kino zu sehen. Für mich ist es wichtig, Filme im Kino zu sehen bzw. zu zeigen. Vielen Zuschauer geht es aber um die Geschichte und die erzählt sich auch bei einem qualitativ schlechten Download. Ob das Ganze aber mit dem Image-Problem des Österreichischen Films zu tun hat, kann ich nicht sagen. Ausgespielt wird in der Studie auch ein österreichisches Kino mit "ernsteren" Themen gegenüber leichteren und zugänglicheren Themen internationaler Filme. Ist es nicht gar wünschenswert, dass nach der Fülle an Kabarett-Filmen der späten 90er Jahren nun auch ernstere Themen behandelt werden? Ernstere Themen werden nicht erst jetzt filmisch behandelt, das österreichische Kino gilt seit den 1990ern als "Feel-Bad-Cinema". Das ist auch gut so. Kino und Film ermöglichen es, schwierige Themen ausführlich zu erläutern. Die Zuschauer können mit Situationen und Problemstellungen konfrontiert werden, ohne sie zu belehren. Ob man mit ernsten Themen ein jüngeres Publikum anlockt, ist eine ganz andere Frage. Es gibt einen Bedarf an hochqualitativen, österreichischen Komödien, die keine Lustspiele und keine Kabarettfilme sind, sondern die intelligent unterhalten.
Florian Pochlatko – “Gute Filme entstehen nur, wenn man bereit ist ein echtes Risiko einzugehen”
Der Kurzspielfilm “Erdbeerland” machte Florian Pochlatko bekannt. Auszeichnungen gab es u.a. bei der Diagonale in Graz sowie dem VIS Vienna Independent Shorts Festival in Wien. Jüngst wurde “Erdbeerland” für einen österreichischen Filmpreis nominiert. Filminteressierten war der Regisseur zahlreicher weiterer Kurzfilme und Musikvideos (König Leopold) bereits vor seiner Viennale-Teilnahme nicht unbekannt. Die heimische Filmbranche, so legt die aktuelle Studie des Filmfonds Wien nahe, kennt das Publikum zwischen 14 und 29 zu wenig. Nimmst auch du das so wahr? Es gibt genug Beispiele, die beweisen, dass ein guter Film unabhängig davon, ob er für eine spezielle Zielgruppe zugeschnitten ist oder nicht ein guter Film bleibt und dass das auch von einem jungen Publikum honoriert wird. Aber, jetzt, wo du es erwähnst, ist es schon auffallend, dass es eigentlich sehr wenige Filme gibt, die sich dezidiert um diese Altersgruppe bemühen. Und da, wenn mich nicht alles täuscht, diese Altersgruppe ja eigentlich noch immer die Hauptaltersgruppe der Kinogeher darstellt, ist es auch gar nicht so verwunderlich, dass es schlechte Besucherzahlen gibt. Gerade junge Leute fühlen sich von den Inhalten des heimischen Kinos selten angesprochen. Ein Image-Problem, so könnte man provokant feststellen, beginnt bereits beim Drehbuch. Hat Österreich die falschen Bücher? Ich glaube, dass das Imageproblem nicht nur die Filmszene betrifft, sondern eigentlich ganz viele Kulturschaffende in Österreich. Man siehe zum Beispiel die florierende Popmusikszene, die von einer breiten Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen wird, aber halt unter dem Tisch oder eben anderswo abgefeiert wird. Beim Film ist es da noch ein wenig besser, weil es mittlerweile viele gute Plattformen für den jungen Film gibt, die sehr gute Vermittlungsarbeit leisten und junge Leute überhaupt erst darauf aufmerksam machen, dass es da draussen was gibt, das sie interessieren könnte. Längerfristig gesehen kann das schon sehr viel bringen. Und zu den Drehbüchern: Das sehe ich absolut nicht so. Ich denke, dass die Vielfalt der Ideen in Österreich großartig ist. Wenn man zum Beispiel ganz an den Anfang geht und sich Filme von Jugendlichen und Kindern ansieht in Wels am Youki oder bei den Film und Videotagen in Wien, dann kann man wirklich unverfälschte Arbeiten sehen, die ab und zu schon fast explodieren, weil sie so gut und eigenständig sind. Das vermisse ich bei den Arbeiten Älterer schon sehr. An den Unis oder in der “freien Wildbahn” wird einem immer gesagt, wie ein Film zu sein hat, wen er ansprechen muss und was die Zielgruppe ja eigentlich interessiert. Raus kommt dann geshapte Einheitsware, die überall auf der Welt gleich aussieht. Aber ich versteh’ schon, dass es wahrscheinlich nicht so einfach ist, Fördergeber und Investoren davon zu überzeugen unkonventionelle neue Wege zu beschreiten, da es ja im Filmbereich meistens um größere Geldbeträge bis hin zu Existenzen geht, die auf dem Spiel stehen. Das scheint das Dilemma. Gute Filme entstehen aber nur, wenn man bereit ist ein echtes Risiko einzugehen. Das bedeutet dann, dass es immer auch dein letzter Film sein könnte, wenn der Plan nicht aufgeht. Das macht die Leute vorsichtig und das merkt man den Filmen auch an. Da lob ich mir eigentlich das als sperrig verschrieene Autorenkino hierzulande, weil hier Sachen gemacht werden, die so eigen und viel diskutiert sind, dass sie anscheinend auf der ganzen Welt besprochen werden. Und das wird auch von den Fördergebern mitgetragen. Man darf nicht vergessen, wie lange es für Haneke oder Seidl gedauert hat, von einer breiten Masse angenommen zu werden. Immer wieder die Keule der Massentauglichkeit und des Publikumserfolgs zu schwingen, ist wirklich der falscheste Weg. Trotzdem finde ich, dass es auch für das Autorenkino und die ganze Filmszene befruchtend wäre, würde es ein mainstreamigeres Gegengewicht geben. Dahin geht die Tendenz im Moment auch: In Österreich werden nun auch gute Genrefilme gemacht. Man darf nicht vergessen, dass es genau so schwer ist, einen echt guten Genrefilm zu machen. Das schaffen nur wenige. Vor allem im Web agiert man zu altmodisch und unspezifisch, meinen die Studienautoren. Eine Sache von Marketing und Verleih oder geht dich das auch selbst als Filmemacher an? Also in dem Stadium, in dem ich mich befinde, mache ich schon ganz viel selbst, was die Verbreitung der Filme angeht. Dass es einen ziemlichen Aufholbedarf bei den Vermarktungsstrategien der Verleiher gibt, finde ich schon. Wird in der Ausbildung und Förderung zu wenig Wert auf neue Medienformate gelegt? Hauptsache es wird Wert auf gute Inhalte gelegt, weil der wird immer wichtig sein, unabhängig des Mediums. Wir beobachten bei vielen jungen Filmemachern eine Art Kult um die physische Apparatur Kino. Dem gegenüber steht die andauernde, beinahe fetischhafte Forderung, sich den digitalen Möglichkeiten zuzuwenden. Wie sinnvoll ist es, das Image-Problem am Spannungsfeld Digitialsierung vs. Analog, Web vs. Kino dingfest machen zu wollen? Ich glaube das Kino wird nie aussterben. Yeahkinofetisch!! Du geile physische Aparatur ich will dich rattern hören und flickern sehen!! 2013 war für den österreichischen Film laut Besucherzahlen ein desaströses Jahr. Übersättigung, Querschläger oder nur kurzer Spannungsabfall nach so vielen guten Jahren? Ja wie gesagt: Immer wieder die Keule der Massentauglichkeit und des Publikumserfolgs zu schwingen, ist glaub ich wirklich der falscheste Weg, der irgendwann, wenn alles mal so richtig scheisse läuft, dazu führen könnte, dass die Filmkünstler nicht mehr arbeiten können und dann läuft nur mehr Schlosshotel Orth im Kino, weil des hat ja gute Zuseherzahlen im Fernsehen, also muss es im Kino auch gehen. Dann gibt’s keinen Oscar mehr, über den sich alle freuen können und kein internationales Standing, aber einen österreichischen Abklatsch von Hangover am Strand von Bibione. Amen. Die österreichische Filmlandschaft ist jetzt auch nicht die größte, da kann man sich eigentlich nicht erwarten, dass jedes Jahr ein fetter Renner und ein super Kunstfilm rauskommen. So weit ich mich erinnere – so lange ist das zugegeben noch nicht – wird doch jedes Jahr über die Besucherzahlen polemisiert. Auch wenn die besten Filme rausgekommen sind. Vielleicht sollte man versuchen, mehr Vermittlungsarbeit über die breitenwirksamen Kanäle wie de ORF 1 oder Ö3 zuzulassen und nicht alles immer auf Nischenplätze verräumen und auf die Filmkulturschaffenden schieben. Dass gute österreichische Filme beispielsweise im ORF meistens schlechte Sendeplätze bekommen, ist allgemein bekannt. Das heisst auch, dass nicht genug auf gute Filme aufmerksam gemacht wird. Das endet in einer Spirale, die zu dem schon oben genannten Image-Problem führt. Österreichisches Kulturschaffen kommt in den seltensten Fällen in der breiten Masse an, weil es von den hiesigen Multiplikatoren nicht ernst genug genommen wird. Ausgespielt wird in der Studie auch ein österreichisches Kino mit "ernsteren" Themen gegenüber leichteren und zugänglicheren Themen internationaler Filme. Ist es nicht gar wünschenswert, dass nach der Fülle an Kabarett-Filmen der späten 90er Jahren nun auch ernstere Themen behandelt werden? Ja schlauer als der Herr Willhelmer und die Frau Mückstein und auch die Frau Stern kann ich das nicht mehr ausdrücken. Ich finde dass sie das sehr gut formuliert haben und gebe ihnen ziemlich recht.
Katharina Mueckstein – „Natürlich ist man enttäuscht, wenn man denkt, man geht in den Zirkus und landet stattdessen im Burgtheater“
Auf Festivals feierte die junge Regisseurin Katharina Mückstein mit ihrer Coming-of-Age-Geschichte „Talea“ international Erfolge. Zum Publikumsrenner wurde einer der besten heimischen Filme des Jahres (nominiert für Drehbuch und Regie beim österreichischen Filmpreis) dennoch nicht. Katharina Mückstein über Marktkonformität, alte Männer, die die Branche dominieren, Film als Kunst und die Notwendigkeit, Film differenziert zu sehen. Die heimische Filmbranche, so legt die aktuelle Studie des Filmfonds Wien nahe, kennt das Publikum zwischen 14 und 29 zu wenig. Nimmst auch du das so wahr? Ich kann mir schon vorstellen, dass das stimmt, denn die Filmszene ist – insbesondere in den Bereichen Regie, Produktion und Kamera – im Durchschnitt alt und männlich dominiert. Es gibt also nur wenige junge Leute, die beim Filme-Machen zum Zug kommen und sich selbst mit dem jungen Publikum identifizieren. Jugendliche haben ja auch gesamtgesellschaftlich keine starke Lobby und werden nur als Konsumenten ernst genommen. An der Herangehensweise dieser Studie sieht man, dass das in der Filmbranche nicht anders ist. Schlagen die Macher der Studie eigentlich vor, als Reaktion mehr junge Filmemacher zu fördern? Menschen – egal welchen Alters – fühlen sich ja von Filmen dann angesprochen, wenn die Filmemacher ein aufrichtiges Interesse an der Kommunikation mit ihnen haben. Ich halte nichts davon, Menschen in Zielgruppen zu betrachten – das überlasse ich den Werbern – und, ich glaube auch nicht, dass die 14- bis 29-jährigen eine gesonderte Behandlung brauchen. Aber: mit Sicherheit sind Jugendliche als Protagonisten im Österreichischen Film unterrepräsentiert, weil es zu wenig Förderung und Aufmerksamkeit für junge Filmemacher und ihre Themen gibt. In der Studie steht übrigens auch, dass Kino für junge Leute zu teuer ist und das sehe ich auch so. Gerade junge Leute fühlen sich von den Inhalten des heimischen Kinos selten angesprochen. Ein Image-Problem, so könnte man provokant feststellen, beginnt bereits beim Drehbuch. Hat Österreich die falschen Bücher? Die Österreichische Filmlandschaft ist ja auf der ganzen Welt bekannt für ihre Heterogenität, ihre Vielfältigkeit und ihre hohe, künstlerische Qualität. Es ist also schwierig, von "dem heimischen Kino" zu sprechen, weil das so viel Verschiedenes zugleich meint. Es lohnt sich etwa, ein paar der aktuelleren Spielfilme, z.B. "Kuma", "Die Vaterlosen", "Lourdes", "Blutgletscher", "Amour", "Die Wand", "Paradies:XYZ", "Die Lebenden" heranzuziehen und zu überlegen, was sie gemeinsam haben, außer, dass sie mit österreichischem Geld finanziert wurden. Nicht viel. Mit meinem Film „Talea“ habe ich die Erfahrung gemacht, dass in Österreich in den Schulen sehr wenig Film unterrichtet wird. Für den Kunstunterricht geht man ins Museum, nicht ins Kino. Das habe ich in anderen Ländern, zuletzt z.B. Frankreich, anders erlebt. Dort sind unheimlich viele, junge Leute ins Kino gekommen und haben eine sehr gute Sprache für Film. Sie kennen viele Filme und wissen, wovon sie reden, weil Film zur Allgemeinbildung gehört. Dort ist Film unumstritten eine künstlerische Ausdrucksform und wird den jungen Menschen auch als solche vermittelt. Wenn man also so erzogen wird, dass Film immer unterhaltsam und zielgruppenorientiert sein soll, kann man den künstlerischen, österreichischen Film auch nicht für das schätzen, was er ist, nämlich Kunst. Natürlich ist man enttäuscht, wenn man denkt, man geht in den Zirkus und landet stattdessen im Burgtheater. Ich glaube auch nicht, dass diejenigen, denen die Ernsthaftigkeit des Österreichischen Arthouse Films auf den Wecker geht, der französische, dänische oder US-amerikanische Arthouse Film so viel besser gefällt. Den Vorwurf, nicht gut beim Publikum anzukommen, muss man also den maßgeschneiderten Filmen machen, die auf eine große Menge abzielen und dann floppen. Man sagt ja auch nicht, das Burgtheater hat ein Image-Problem, weil es dort keine Dressur-Einlagen gibt. Das Image-Problem hat also damit zu tun, dass man keinen Unterschied macht in den Kategorien von Film. Dass man für unterschiedliche Erwartungen auch unterschiedliche Inhalte und Medien braucht: Youtube, Streaming, Downloads, DVDs, Filme zuhause, unterwegs, im Kino, im Museum, auf dem Fernseher, Laptop oder Smartphone, Komödien, Dramen, Dokus, Reprotagen, Spielfilme, usw. - Der einzige gemeinsame Nenner ist, dass es sich um Laufbilder handelt. Wir brauchen eine Vielfalt, kein kommerziell orientiertes Rezept für Drehbücher oder Genres. Vor allem im Web agiert man zu altmodisch und unspezifisch, meinen die Studienautoren. Eine Sache von Marketing und Verleih oder geht dich das auch selbst als Filmemacher an? Übersetzt sagt die Studie: die Filmbranche soll sich mehr an den Erfordernissen des Marktes orientieren. Für meinen Teil als künstlerische Filmemacherin kann ich sagen, dass ich diesen Auftrag nicht annehme. Was den Verkauf eines Produktes angeht, gilt dieselbe Regel für alle Branchen und Märkte: das sollen sich die Marketing-Leute überlegen. Ich finde, die Studie tut so als könne man – sorry, nochmals diesen Vergleich zu bemühen – mehr Leute ins Burgtheater bringen, wenn man das Burgtheater wie einen Zirkus bewirbt. Viele Produktionsfirmen haben die Erfahrung gemacht, dass sich der Aufwand und die Art des Marketings für einen Film kaum an den Kinokassen auswirkt. Wird in der Ausbildung und Förderung zu wenig Wert auf neue Medienformate gelegt? Ja. Zu meiner Zeit an der Filmakademie - ich habe bis 2010 studiert - wurde dort Film, wie in den 50er Jahren unterrichtet. Wir beobachten bei vielen jungen Filmemachern eine Art Kult um die physische Apparatur Kino. Dem gegenüber steht die andauernde, beinahe fetischhafte Forderung, sich den digitalen Möglichkeiten zuzuwenden. Wie sinnvoll ist es, das Image-Problem am Spannungsfeld Digitalisierung vs. Analog, Web vs. Kino dingfest machen zu wollen? Es geht um Vielfalt. Ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft viel weniger Kinos geben wird, die sehr spezialisiert sind. Also z.B. Event-Kinos mit 3D- und neuester Technologie und andere, die eben Kinotradition fortschreiben. Zugleich bilden sich ja unheimlich viele, interessante neue Formate wie Netflix-Serien oder Streaming-Plattformen heraus, die einfach das Kino als Ort nicht brauchen. Und alles existiert nebeneinander. Ich kann mich nur wiederholen, wenn ich sage, dass das Image-Problem verursacht wird, indem man die international höchst erfolgreiche Sparte des Österreichischen Films, nämlich den künstlerisch anspruchsvollen Film nicht für das schätzt, was er ist. Und: ich habe den Eindruck, dass sich die Film-Generation vor mir in einer Krise befindet, weil sie damit aufgewachsen ist, dass man mit Kino einen hohen Bekanntheitsgrad erreichen kann und auch finanziell große Möglichkeiten hat. Die Generation von heute 60-jährigen Regisseuren hat sich mit dem Filmemachen ein gutes Leben leisten können und ist auch noch recht bekannt geworden. Aber aufgrund der Demokratisierung durch die neuen Technologien - sowohl in der Bilderzeugung, als auch im Bereich des Broadcastings - gibt es jetzt ein riesiges Angebot an audiovisuellen Produkten und Ruhm und Geld muss unter ziemlich vielen Leuten aufgeteilt werden. Ich persönlich finde das nicht so schlimm, es ärgert mich nur, wenn meiner "Nische" die Daseinsberechtigung strittig gemacht wird. Ich glaube, mit der Technologie ändern sich die Verhältnisse und Hierarchien und das ist auch gut so bzw bringt es nichts, dagegen anzukämpfen. Die Studie ist ein Symptom dafür, dass es zurzeit mehr Fragen als Antworten gibt. Ausgespielt wird in der Studie auch ein österreichisches Kino mit "ernsteren" Themen gegenüber leichteren und zugänglicheren Themen internationaler Filme. Ist es nicht gar wünschenswert, dass nach der Fülle an Kabarett-Filmen der späten 90er Jahren nun auch ernstere Themen behandelt werden? Ich finde es schmerzlich, dass die Studie von einer Filmförderstelle durchgeführt wurde, die sich damit selbst ans Bein pinkelt. Man sagt damit, der Ö-Film sei quasi publikumsfeindlich, dabei stimmt das gar nicht: ein "ernster" Inhalt hat naturgemäß ein kleineres Publikum als ein "lustiger" und beides hat seine Berechtigung. Die Beamten von Förderstellen oder TV-RedakteurInnen fordern jetzt mehr Lustiges ein, damit die Zahlen besser ausschauen, das ist Populismus, der jetzt eben auch auf die Kunstförderung übergreift. Das finde ich besorgniserregend und sehr unsolidarisch gegenüber den FilmemacherInnen. Wenn selbst schon die Förderstelle Stimmung gegen die Künstler macht, zeigt das, dass sich unsere Gesellschaft keine Kunst mehr leisten will. Daseinsberechtigt ist nur, was Umsatz macht und das trifft auf die große Mehrheit der österreichischen, mit vielen Preisen ausgezeichneten Filme nicht zu.
Richard Wilhelmer – „Der Konsens der Masse ist das Mittelmaß“
Mit der Low-Budget-Produktion „Adams Ende“ –Robert Stadlober in der Titelrolle – gelang Richard Wilhelmer 2011 ein von der Kritik überaus geschätztes Regiedebüt. Wilhelmer studierte u.a. am renommierten California Institute of the Arts. Er lebt in Wien und Berlin. Über seine Ausbildung in Berlin, deutsche Erfolgskomödien und die heimische Szene spricht der Filmemacher mit Peter Schernhuber. Die heimische Filmbranche, so legt die aktuelle Studie des Filmfonds Wien nahe, kennt das Publikum zwischen 14 und 29 zu wenig. Nimmst auch du das so wahr? Ich kenne leider keine genauen Zahlen und weiß deshalb nicht, ob es gerade die österreichische Filmbranche ist, die das österreichische Publikum in dieser Altersgruppe zu wenig kennt. Grundsätzlich kann ich mir vorstellen dass sich jene Kinoverdrossenheit, von der vielerorts dir Rede ist, vor allem bei einer jüngeren Generation schneller bemerkbar macht, da sie natürlich viel näher an der Entwicklung neuer Formate und Sehgewohnheiten steht. Gerade junge Leute fühlen sich von den Inhalten des heimischen Kinos selten angesprochen. Ein Image-Problem, so könnte man provokant feststellen, beginnt bereits beim Drehbuch. Hat Österreich die falschen Bücher? Ich habe erst kürzlich von der Produzentin der diesjährigen deutschen Erfolgskomödie „Fak Ju Göthe“ gelesen wie sie und der Regisseur sich bei den „Kids“ monatelang umgehört haben, was sie gerne im Kino, auf ihren Smartphones oder sonst wo sehen würden. Herausgekommen ist eine erstaunlich pädagogische Komödie im Deutschrap-Slang, die dann tatsächlich jeder sehen wollte. Ob solche Konzepte den Zugang junger Leute zum Kino langfristig wirklich verbessern bezweifle ich. In seinem kürzlich erschienen Buch „Im Schwarm“ zitiert Byung-Chul Han den 1931 verstorbenen Anthropologen Gustave Le Bon. Die Massen seien, so Le Bon, „Zerstörerinnen der Kultur.“ Grundsätzlich findet sich der Konsens einer Masse, graphisch dargestellt, immer am Scheitelpunkt einer Parabel: Als Mittelmaß. Vor allem im Web agiert man zu altmodisch und unspezifisch, meinen die Studienautoren. Eine Sache von Marketing und Verleih oder geht dich das auch selbst als Filmemacher an? Das Internet hatte zumindest vordergründig die Freiheit, sich der Vermittlung und Steuerung höherer Instanzen so gut wie möglich zu entziehen. Die meisten Versuche von Marketing und Werbung sich dieser viralen Kräfte zu bedienen, scheitern bereits am puren Kalkül das dahinter steckt. Wird in der Ausbildung und Förderung zu wenig Wert auf neue Medienformate gelegt? Ich habe an der Universität der Künste - Berlin einige Jahre im Studiengang „Kunst und Medien“ studiert und immer noch keine Ahnung. Wir beobachten bei vielen jungen Filmemachern eine Art Kult um die physische Apparatur Kino. Dem gegenüber steht die andauernde, beinahe fetischhafte Forderung, sich den digitalen Möglichkeiten zuzuwenden. Wie sinnvoll ist es, das Image-Problem am Spannungsfeld Digitalisierung vs. Analog, Web vs. Kino dingfest machen zu wollen? Nostalgie ist eine sehr positive Eigenschaft des Menschen, die auch viel mit Empathie zu tun hat. Die organische Anmutung analoger Apparaturen wirkt uns vertraut und erzeugt möglicherweise angenehme Erinnerungen und Assoziationen. Gleichwohl bin ich mir nicht sicher ob mein frisch geborener Sohn, sich nicht irgendwann kopfschüttelnd darüber wundern wird warum ich dieser umständlichen veralteten Technik so Lange nachgehangen bin. 2013 war für den österreichischen Film laut Besucherzahlen ein desaströses Jahr. Übersättigung, Querschläger oder nur kurzer Spannungsabfall nach so vielen guten Jahren? Soweit ich weiß haben aber auch hoch budgetierte Hollywood-Produktionen ihre Ziele verfehlt. Vielleicht sind solche Tendenzen auf kleineren Märkten schneller spürbar? Abgesehen davon hat Österreich gemessen an seiner Einwohnerzahl eine sehr hohe Dichte international erfolgreicher Filmemacher. Wenn man das mit den Erfolgen der Fussballnationalmannschaft vergleicht, stehen die Filmemacher immer noch ganz gut da. Verdienen tun die Fussballer wohl trotzdem besser. Ausgespielt wird in der Studie auch ein österreichisches Kino mit "ernsteren" Themen gegenüber leichteren und zugänglicheren Themen internationaler Filme. Ist es nicht gar wünschenswert, dass nach der Fülle an Kabarett-Filmen der späten 90er Jahren nun auch ernstere Themen behandelt werden? Mein ehemaliger Film-Theorie Professor am California Institute of the Arts hat im Unterricht darüber gesprochen wie in den USA zur Zeit des 2. Weltkriegs vor allem Komödien die großen Box-Office Erfolge feierten. Die These dahinter ist, dass Menschen in Krisenzeiten weniger zugänglich für schwere Themen und Genres seien. Nach dieser Theorie sollte es den Österreichern im Vergleich zu anderen Ländern doch wenigstens sonst ganz gut gehen…
Es war der Filmfonds Wien, der eine Studie zum Verhältnis junger Wienerinnen und Wiener zum österrreichischen Kino in Auftrag gegeben hat. Anfang Dezember war da zu lesen: „14-bis 29-jährige Wienerinnen und Wiener sehen österreichischen Film grundsätzlich mit Interesse, fühlen sich aber nur selten persönlich angesprochen. Sie werden zu wenig in jenen medialen Räumen abgeholt, in denen sie sich aufhalten – vor allem im Web 2.0.“. In den Medien war daraufhin von einem „Imageproblem des österreichischen Films“ (orf.at) zu lesen.
Schon ein paar Monate zuvor ortete etwa Stefan Grissemann im Profil Nervosiät, weil diese raffiniert gemachten Filme zwar international gerade äußerst präsent sind, aber gleichzeitig unter schwindenden Besucherzahlen und filmpolitischen Fehlentscheidungen leiden.
Dabei ist Auftraggeber der Studie, der Film Fonds Wien, nun kein neutraler Beobachter. Deren Leiterin, Gerlinde Seitner, schwärmt gerne für eskapistisches Feel-Good-Kino. Christoph Prenner zitierte sie in unsrer März-Coverstory "Austria Unchained": Es „müssen für das Publikum Filme gemacht werden, die es sehen will.“
Mückenstein, Wilhelmer, Stern
Wir haben die Studie zum Anlass genommen uns unter heimischen, jungen Filmschaffenden umzuhören. Sie sehen einige Probleme ähnlich, kritisieren neben der Ausbildung aber mitunter auch die Studie selbst. Dabei liessen sich Daniel Hoesl und Johann Lurf entschuldigen.