Stockfotografie ist oft nicht schön, manchmal beängstigend, kommerziell aber jedenfalls irre relevant. Mit dem Einzug qualitativ hochwertiger Digitalkameras in den Hobbysektor fielen die Preise so weit, dass sie dem Microstock-Bereich jetzt auf den Kopf fallen. Die Entwicklung geht währenddessen weiter: Mobil und im Medienbereich.
Funny in disguise
Getty also. Der Branchengigant verfügt über ein Archiv von über 80 Millionen Fotos und 50.000 Stunden Videomaterial aus dem Macro-, Mid-, und Microstockbereich. Mehr als 1.600 Mitarbeiter in über 50 Ländern bearbeiten die Creative Professional (Werbung und Grafikdesign), Medien (Online und Print) sowie Corporate Communication. Und natürlich findet sich in diesen riesigen visuellen Datenbergen auch jede Menge Schwachsinn, der sich in Form von Blogs oder über Tumblr hervorragend für Spiel- und Sammelspaß eignet. Die awkwardness der schönen, heilen Stilbildwelt, in der die Menschen mindestens so glänzend strahlen, wie die übersättigten Salatblätter und Orangensaftgläser in ihren Photoshop-Händen, liegt bei Gettycritics.com oft im Detail. Besonders beängstigend: Getty Dubs. Videomaterial von der Stange, üblicherweise ohne Tonspur erhältlich, wird durch eigene, mehr oder weniger passende neue Tonspuren verfremdet. Awkwardstockphotos.com pickt sich offensichtliche Rosinen aus der klebrigen Masse. Warum um alles in der Welt montiert man ein kleines Mädchen in schwarzem Kleid, lächelnd und die Arme eher ge- als ungezwungen nach oben gestreckt, auf einen Eisbecher (ohne Eis), ein schwarz-oranges Flammenimitat im Hintergrund, und wer zum Teufel (ver-)kauft das? Witze darüber sind so einfach wie Brot oder Witze über Miley Cyrus. Das Geschäft läuft.
Und jetzt mobil
Und das Geschäft läuft weiter. Nach der digitalen steht dem Geschäft mit der Fotografie nun die mobile Revolution ins Haus. Online braucht oftmals keine Spiegelreflexqualität, Geschwindigkeit zählt, und nun kommt die Crowd und ihre immer besser fotografierenden, omnipräsenten Smartphonekameras ins Spiel, das sich schnell weiterdreht. Nach der Flutung der Stockfotografie durch die breite Masse steht als nächstes dem medialen Segment, in dem die Faktoren Aktualität und Authentizität eine größere Rolle spielen, ein Umbruch ins Haus. "Die Crowd ist die neue Pressefotografie", postuliert das im Februar 2011 in Finnland gegründete Startup Scoopshot. Die Gratis-App (u.a. für iOS und Android) verspricht bares Geld durch den Verkauf brandaktueller Fotos an internationale Medienhäuser. Auf mehr als 350.000 mobile Fotografen kann das binnen drei Jahren zum Marktführer ins Sachen Crowdsourced Images for Brands and Publishers aufgestiegene Unternehmen mittlerweile zählen, das sich erst vor wenigen Wochen eine 3,9 Mio. US-Dollar starke Expansionsspritze einer finnischen Investorengruppe gönnte. Das Prinzip ist einfach: Unternehmen oder Medien stellen den Fotografen Aufgaben, die sie zu erfüllen haben. Die besten Bilder werden gekauft und veröffentlicht. Der Auftraggeber gelangt so auf schnellstmöglichem Weg zu vermeintlich authentischen Bildern, der Auftragnehmer gewinnt the fame und im Optimalfall auch the money.
Einer, der das mit dem Money, das auf der Auftraggeberseite wartet, verstanden hat, hat sich seine Anteile an Scoopshot diesen Sommer gesichert. Yuri Arcurs war schon im Juli mit 1,2 Mio. US-Dollar eingestiegen. Am selben Tag, an dem der Mann, der weltweit alle acht Sekunden ein Foto verkauft, den Wechsel seines Microimperiums zu Getty bekanntgab. For the money.
Der meistverkaufende Fotograf der Welt, Yuri Arcurs (34), bloggt selbst auf arcurs.com – nicht oft, dafür etwas überheblich und lesenswert. Gettycritics.com und Awkwardstockphotos.com nehmen ihn, bzw. seine Fotos, dafür vollkommen zu Recht aufs Korn. Wird ihn nicht interessieren.