Unsere Theater und Performance-Expertin Magdalena macht sich mit dem Zug auf den langen Weg nach Japan, um die dortige Theater- und Performance-Szene zu erkunden. Was sie erlebt, lest ihr hier.
Das mit dem Auslandsaufenthalt erledigen viele schon in der Schule. Mit Zahnspange. Oder im Bachelor-Studium. Mit tränenreichem Beziehungsende. Die Autorin dieser Zeilen tut dies erst im Master. Mit Mitte Zwanzig. Es ist das letzte Aufbegehren gegen den drohenden Bürojob (Hi there, HR-Chefs dieser Welt!) und die Flucht aus einem tendenziell neo-biedermeierlichen Leben. Und doch steht ein höherer Zweck hinter dem Austauschsemester.
Denn es geht nach Tokyo und auf den dortigen Bühnen geht es gerade ordentlich zur Sache, berichtet mir eine japanische Kulturkritikerin: So viel sei los in den zahlreichen Performance- und Theaterspielstätten, dass kein Print- oder Onlinemedium es schafft, das Geschehen abzubilden, geschweige so etwas wie einen kompletten Veranstaltungskalender zu erstellen. Stattdessen stehen vor den etablierten Häusern Abend für Abend dutzende Flyerverteiler und preisen die kommenden Produktionen an.
Große Kontraste
Ein ziemlich großer Kontrast zum ordentlichen "Stundenplan" der Wiener Theaterszene. Hier bewegt man sich schließlich – und leider fast ausschließlich – in den geordneten Bahnen die zwischen Burgtheater, Schauspielhaus, Brut und Volkstheater verlaufen.
Ein wenig schmerzt es natürlich, dass der temporäre Abschied genau kommen muss wenn auch hier so viel Spannendes ansteht: Die drei neuen Intendanzen von Kira Kirsch am brut, Thomas Schweigen am Schauspielhaus und Anna Badora am Volkstheater werden mit kommendem Herbst hoffentlich viele neue Namen und Ansätze in unsere Museumsstadt bringen. Aber wohl auch keine ganz unbekannten. Denn die deutschsprachige Theaterwelt ist relativ überschaubar. Auch wenn man sich die Spielpläne der großen "internationalen" Festivals ansieht, bekommt man immer wieder die gleichen Akteure vor die Linse. Exemplarisch sei hierfür der libanesische Künstler Rahib Mroué angeführt.
Seine Performance "Riding on a Cloud" feierte seine Deutschlandpremiere 2014 beim von Mathias Lilienthal kuratierten, hochbejubelten Festival "Theater der Welt" in Mannheim. Kurz darauf war der Abend bei den Wiener Festwochen zu sehen. Dann unter anderem am HAU in Berlin, beim Impulse Theater Festival in Mülheim an der Ruhr, am Mousonturm in Frankfurt am Main und in Hamburg auf Kampnagel beim Internationalen Sommerfestival, bevor der Abend schließlich diesen Juli bei der Sommerszene in Salzburg auftauchte und endgültig zu einem Sinnbild fürs globalisierte Welttheater wurde. Dem normalen Festivalbesucher mag dies garnicht auffallen, und es macht natürlich durchaus Sinn eine gelungenen Arbeit öfter zu zeigen. Doch einen lebendigen Eindruck der jeweiligen landesspezifischen Theaterszene bekommt man dadurch noch lange nicht.
Reichen sechs Monate?
Wie lange es dafür überhaupt braucht und ob knappe sechs Monate genug sind, das wird sich noch zeigen. An dieser Stelle werde ich auf jeden Fall ab und an an meinen Erkundigungen der japanischen Kultur teilhaben lassen.
Die Anreise erfolgt übrigens nur mit Eisenbahn und Schiff. Es geht durch die Ukraine, Russland, die Monogolei, China und Korea. Eine anlassbezogene Mini-Weltreise also. Die Idee dazu entstand aus der Not heraus, dass die endgültige Bestätigung der japanischen Uni auf sich warten ließ. Und währenddessen die Lust danach, diversen Preisvergleichsseiten und dem billigsten Flug hinterzuhecheln, versiegte. Dann eben mit der Transsib, aus purem Trotz. Und so ist dieser Text irgendwo zwischen Moskau und Kazan entstanden.
Magda befindet sich gerade bei Kilometer 2531. Sie war bereits in Lemberg, Kiew und Moskau. Am Plan stehen Kazan, Jekaterinenburg, Novosibirsk, Irkutsk, Ulan Baator, Beijing, Seoul, Busan, Fukuoka und Tokyo. Wer der Reisenden hautnah folgen will, dem sei der Instagram-Kanal @viertewand empfohlen.