Unsere Theater und Performance-Expertin Magdalena macht sich mit dem Zug auf den langen Weg nach Japan, um die dortige Szene zu erkunden. Was sie erlebt, lest ihr hier.
Das Bild, das ich zur Mongolei vor meinem Besuch im Kopf hatte, sah ungefähr so aus: Staubige Weiten, runde Zelte und viele Pferde, um halsbrecherische Rennen zu bestreiten. Die Hauptstadt Ulaan Baatar hätte demzufolge bloß aus dem Bahnhofsgebäude und zwei kartenspielenden Beamten vor einer Schranke bestehen müssen. Bei der Ankunft in "UB", wie die Profi-Backpacker (zu denen ich mich nach wie vor nicht zähle) zu sagen pflegen, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Auch an der Mongolei ist die siebzigjährige Zugehörigkeit zur Sowjetunion nicht spurlos vorbei gegangen: Die Russen taten ihr Bestes um der Stadt den Buddhismus auszutreiben und rissen Tempel um Tempel nieder (einige blieben durch die blitzartige Umwandlung in Museen zum Glück bestehen) und errichteten stattdessen Plattenbau um Plattenbau. Und auch ihre Schrift ließen sie hier: Bis heute wird auf Kyrillisch geschrieben.
Billige Kredite gegen Rundzelte
Mehr als die Hälfte der Einwohner der Mongolei leben in der Hauptstadt. Das macht den Rest des Landes zwar zu einem der am dünnst besiedelten Flecken unserer Erde, doch in UB kracht es ordentlich. Denn das Nomadenleben wird immer härter: Heiße Sommer und harte Winter setzen den Viehbeständen arg zu und die Wüste Gobi dehnt sich immer mehr aus. Jedes Jahr geben etliche Nomaden auf und ziehen mitsamt ihrer Jurten in die Stadt. Die Regierung versucht durch großzügige Kreditvergabe zur Eigenheimbeschaffung und extensiven Wohnungsbau die Landflüchtlinge endgültig sesshaft zu machen. Das ist kein bloßer Altruismus: Die Holzöfen der zahlreichen schlecht gedämmten Rundzelte am Stadtrand färben jeden Winter den Himmel rußschwarz.
Streetstyle-Star goes Mongolia
Anzeichen, dass meine Einschätzung der Mongolei nicht ganz richtig sein konnte, gab es übrigens schon etwas früher. Die Russin Miroslava Duma, Streetstylestar und smarte Unternehmerin, launchte Anfang August einen mongolischen Ableger ihres höchst erfolgreichen Online-Magazins "Buro 247" bei dem sich alles um Luxusmode dreht. Und so verwunderte es dann doch nicht weiter, dass im Zentrum von UB, gleich neben dem gerade frisch umbenannten "Grand Chinggis Khan Square" eine riesengroße Louis-Vuitton-Filiale zu finden ist. Auch Zara und Mango haben ihren Weg in die Mongolei gefunden. H&M hat zwar keine eigenen Filialen, doch bekommt man das gesamte Sortiment des Textilschweden über Zwischenhändler an jeder Straßenecke. Überhaupt ist Ulaan Baatar, übrigens die Hauptstadt die am weitesten vom Meer entfernt ist, bis in die letzte Pore durchglobalisiert. In den großen Supermärkten bekommt man alles von russischem Kaviar bis zu chinesischen Fertignudeln. Was besonders verwundert ist die Prominenz, mit der deutsche Produkte vertreten sind: In jedem Dorfladen findet man das gesamte Trolli- und Haribo-Sortiment, alles ausschließlich Deutsch beschriftet. Und in UB strahlen an einem an vielen Ecken die Mozartkugeln der Berchtesgadener Firma Reber entgegen. Zum Glück sind diese ungeniessbar – es gibt also wenigstens noch einen Grund nach Österreich zurückzukehren und der heißt Fürst.
Gangnam-Style überall
Am präsentesten im Stadtbild ist jedoch alles Koreanische. Das liegt daran, dass Korea die beliebteste Exildestination der Mongolen ist und viele Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern bestehen. Kimchi gibt es überall, K-Pop dröhnt aus allen Lautsprechern und es ist unvorstellbar, dass es irgendwo mehr Karaokebars geben kann als hier. Sogar inmitten der Steppe, in Dörfern die aus nicht viel mehr als einem winzigen Supermarkt, zehn Einfamilienhäusern und einem Telefonmasten bestehen gibt Sing-Along. Inclusive VIP-Bereich, versteht sich.
Karaoke Back-Up-Plan
Auch die mongolische Popmusik nimmt sich gerne Anleihen am internationalen Markt. Jeder Popsong scheint ein "westliches“ Vorbild zu haben. Dieses Meisterwerk von "Ankhuush und Bazukh" etwa klingt als hätten sich die Schöpfer Gigi D’Agostinos "La Passion" einmal zu oft angehört. Der größte Popstar heißt Bold und trägt den Beinamen "Michael Jackson der Mongolei". Mittlerweile baut er allerdings lieber Einkaufszentren als zu singen. Nur für ein Duett mit "Mongolia’s hottest Guy" Rokit Bay (jeder Musiker muss hier anscheinend einen catchy Beinamen tragen) kehrte er noch einmal auf die Bühne zurück. Rokit Bays großer Hit "Bor arist Gump" bezieht sich auf Forrest Gumps Ungeschicktheit in Punkto Frauen und ist gar nicht mal so schlecht. Falls man aber beim Karaoke singen doch lieber auf Altbekanntes zurückgreifen will: Der 70er-Jahre-Schlager "Dschingis Khan" schaffte es auch hier in die Charts und ist in jedem Songkatalog zu finden. Die Globalisierung hat eben auch ihre guten Seiten.
Magdalena befindet sich gerade bei Kilometer 10.000 irgendwo zwischen Korea und Japan. Sie war bereits in Lemberg, Kiew, Moskau, Kazan, Jekaterinenburg, Novosibirsk, Irkutsk, Seoul und Busan und ist somit fast am Ziel. Wer der Reisenden hautnah folgen will, dem sei der Instagram-Kanal @viertewand empfohlen!