Seit Kurzem findet international eine rege Diskussion über »Hostile Architecture« statt – Gestaltung im urbanen Raum, die Randgruppen vertreiben soll. Und wie sieht es bei uns aus?
All die Häusln
Anlässlich des Besuchs in der Gruft ergibt sich dann auch die Gelegenheit, mit einem direkt Betroffenen zu sprechen. Daniel, seit zwei Jahren auf der Straße, ist davon überzeugt, dass es eine Tendenz dazu gebe, zentrale Orte in der Stadt möglichst frei von Obdachlosen zu kriegen.
Das sei allerdings weniger eine Frage von Details bei Sitzgelegenheiten oder sonstiger Möblierung, sondern vor allem eine Maßnahme, die mittels Polizeikontrolle ausgeführt werde. »Sobald du in der Sonne mit einer Decke auf der Wiese oder auf einer Bank liegst und dabei einpennst, ist schon die Polizei da. Die fackeln nicht lang und vertreiben dich, auch wenn du nichts gemacht hast. Ausweiskontrolle, Bettelverbot usw. Und weg bist du.« Am Westbahnhof seien es uniformierte Mitarbeiter eines Wachdienstes, die diesen Job erledigen würden. »Die lassen dich erst gar nicht hinsetzen.«
Im Zusammenhang mit Stadtmöblierung und öffentlicher Infrastruktur gibt es für Daniel noch ein weiteres zentrales Thema: die Toiletten. »Das ist für uns ein Riesenproblem, über das niemand spricht. Früher gab es viel mehr öffentliche Klos. Heute sind die meisten abgesperrt, zum Beispiel bei den Wiener Linien. Da musst du beinhart zahlen, was sich von uns ja keiner leisten kann. Auch der McDonald’s ist weggefallen, da ist es genauso.« Sozialarbeiterin Susanne Peter verweist bei diesem Thema auf ein neues Projekt am Praterstern: Hier kann man ein neu gestaltetes Pissoir mit Jetons betreten, die von der Sozialeinrichtung SAM ausgegeben werden.
Skate Stoppers
Immerhin kein Kloproblem hat eine andere Gruppe, die in Großstädten immer mehr in den Fokus von Hostile Design gerät: die Skater. In San Francisco begann man schon vor längerer Zeit mit sogenannten »Schweineohren« – herausstehenden Metallringen – auf Randsteinen und niedrigen Mauerkanten, das Skaten zu verhindern. Erst kürzlich berichtete der britische Observer und die BBC über die sogenannte »Camden Bench«, eine Beton-Sitzbank in London, die gleich doppelt böse ist: Ihre abgeschrägte Sitzfläche verhindert, dass man darauf gut liegen kann, und der Kantenverlauf ist selbst für geübte Skater eine Herausforderung.
Noch viel mehr Hostile Design hat der Dokumentarfotograf Marc Vallée auf Lager. Seit 2011 fotografiert er in seiner Heimatstadt London »anti-skateboarding devices«, zwei kleine Publikationen hat er schon herausgebracht. »Es gibt so viele davon, von nachträglich angebrachten Add-ons bis hin zu elegant eingebauten Designs«, so Vallée. »Über Twitter schicken mir mittlerweile Leute aus der ganzen Welt Beispiele.«
Mit seinen Fotos wolle er nicht nur die Interessen einer Gruppe – in diesem Fall der Skater – unterstützen. »Meine Bilder sind die visuelle Antwort auf die immer stärker werdende Privatisierung des öffentlichen Raumes. Unternehmen und lokale Behörden benutzen Skate Stoppers und andere Defensive Architecture, um unser Gruppenverhalten zu beeinflussen und den öffentlichen Raum zu kontrollieren. Ein Ziel meines Projekts ist es, dass die Leute sich zu fragen beginnen, für wen die Stadt eigentlich gemacht ist und wer sie kontrolliert.«
Und wie stellt sich das Problem aus Designer-Sicht dar? Gestalter Wolfgang Hints-Famira leitet mit seiner Frau das in Bad Vöslau ansässige Unternehmen Miramondo, das sich auf öffentliche Möblierung spezialisiert hat und europaweit tätig ist. Die Verantwortung will er nicht auf die Designerinnen und Designer abgeschoben sehen: »Ich denke, dieses Thema muss gesellschaftlich aufgearbeitet werden. Es ist eine Aufgabe, die sich in den Bereichen, Politik, Soziologie, Ethik und Moral stellt und erst im Anschluss daran in der Architektur oder im Design.«
Skate Stopper Fotos: www.marcvallee.co.uk