Der neu gegründete Verein Stadtschrift birgt alte Geschäftsbeschriftungen und gibt erstmals einen kleinen Einblick in seine Sammlung.
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Das Thema Typografie und Stadtbeobachtung liegt seit Jahren in der Luft, die unterschiedlichsten Protagonisten – Künstlerinnen, Grafikdesigner, Fotografinnen, Flaneure, Urbanistinnen etc. – setzen sich damit auseinander. Warum das steigende Interesse? Zum einen hat der seit den späten 90er Jahren anhaltende Retro-Trend die Sensibilität gegenüber alten Geschäftsbeschriftungen deutlich erhöht, was auch zur Folge hat, dass Vintage-Läden mehr oder weniger „coole“ Buchstaben mittlerweile zu gesalzenen Preisen anbieten.
Die rasche Veränderung von Wohnvierteln und Einkaufsstraßen trug ebenfalls dazu bei, dass alte Schriften plötzlich vermehrt „gerettet“ werden müssen, denn so schnell kann man gar nicht schauen, sind die Bagger da und die nostalgischen „Milch“- oder „Fußpflege“-Schilder in der Mulde. Was nachfolgt, ist nicht nur buchstäblich schnelllebiger, sondern gestalterisch oft unbedarft und billig produziert. Handwerkliches Können, einst Grundlage typografischer Qualität, spielt schon lange keine Rolle mehr.
Weltkulturerbe Leuchtbuchstaben
Bereits 2005 entstand in Berlin eine Initiative, die es sich zum Ziel gemacht hat, ausgediente Leuchtschriften und Buchstaben aus dem Stadtbild zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mittlerweile ist daraus das viel beachtete „Buchstabenmuseum“ mit unzähligen Exponaten entstanden. Dass auch in Deutschland das Thema hochaktuell ist, beweist unter anderem das neue „Typotopografie“-Magazin aus dem August Dressbach Verlag in München, dessen fünfte und jüngste Ausgabe sich mit Wien auseinandersetzt.
Doch auch in Österreich tut sich was. Zum Beispiel hat der Linzer Grafikdesigner Martin Ulrich Kehrer bereits vor Jahren Wien mit der Kamera durchforstet, woraus 2009 das wunderbare Buch „Stadtalphabet“ im Sonderzahl Verlag und eine Ausstellung im Wien Museum resultierte. Vor zwei Jahren gründeten Roland Hörmann und Birgit Ecker den Verein „Stadtschrift“, um das „Bewusstsein für die Bedeutung der handwerklichen Kunst, typografischen Vielfalt sowie der identitätsstiftenden Relevanz von Stadtbeschriftung“ zu fördern. Den Anstoß zum Sammeln gab eine alte „Fußpflege“-Beschriftung beim Brunnenmarkt, die nur durch Zufall vor der Zerstörung gerettet werden konnte. Mittlerweile hat der Verein ein großes Netzwerk an „Informanten“, die Alarm schlagen, wenn wieder einmal rücksichtslos modernisiert wird.
Die wunderbare Mariandl
Erstmals zeigen nun die Buchstabensammler einige ihrer Schätze öffentlich, genauer gesagt 16 Schriftzüge aus den Jahren 1918 bis 1981. Wer die kleine Ausstellung im „Treffpunkt Lerchenfeld“ betritt, überlegt sofort, wo er die Exponate „im echten Leben“ schon gesehen hat. Zum Beispiel „Thalia-Apotheke“ oder „Autoradio“. Oder den wunderbaren „Mariandl“-Schriftzug, der jahrzehntelang in der Favoritenstraße Wind und Wetter ausgesetzt war, was man ihm ansieht. Überhaupt sind es nicht nur die typografischen Feinheiten, die faszinieren, sondern auch die Materialität der Schriften, die den Reiz ausmachen. Ganz abgesehen davon, dass viele Schriften vom Wandel unserer Konsumgewohnheiten erzählen: Heute gibt´s keine Milchgeschäfte mehr und „Autoradios“ (wenn die überhaupt noch so genannt werden) kaufen die Leute beim „Saturn“.
Die kleine, sehr fein gestaltete und mit präzisen Informationen ausgestattete Präsentation soll natürlich erst der Anfang sein. Mittelfristig geht es den Initiatoren darum, die geretteten Schriftzüge möglichst permanent der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und damit „zurückzugeben“. Davor gilt es noch, weitere Bewusstseinsarbeit zu leisten, schließlich handelt es sich immer noch um ein Nischenthema. Der erste Schritt ist jedenfalls getan. Chapeau!
Die Ausstellung geht noch bis 31. Jänner 2014 – Korrektur, wurde bis 13. März verlängert – im Treffpunkt Lerchenfeld, Lerchenfelderstraße 141, 1070 Wien. Öffnungszeiten: Di 10-12:30, 15-19 Uhr, Mi 15-19 Uhr, Do 10-17.