Joyce Muniz goes Pulp Fiction

Joyce Muniz presst eine neue EP und steht zu diesem Anlass Rede und Antwort – über die neuen Musikgesichter Wiens, ihre Person im Allgemeinen und Speziellen und was sie mit dreizehn auf Privatpartys machte.

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Ein Om-Zeichen auf dem Finger, ein Schmetterling auf dem Rücken, ein Brasil-Stempel auf der Arschbacke. Joyce Muniz überrascht nicht nur mit einer außerordentlich bunten Ansammlung an Tattoos, sondern auch mit einem beispiellosen Mix aus Musikstilen. Die mal Wienerin, mal Brasilianerin präsentiert am 16. September ihre neue EP „Pulp Fiction“ aus dem Hause Exploited Records. Einen Klangteppich aus Afro-House, Tropicaltech, Jackin-House und Deep-House verspricht die Platte der 28-Jährigen, die zum ersten Mal live eigene Tracks performen wird.

Du bist seit 16 Jahren in Wien. Hat es sich gelohnt, hierher zu kommen?

Es war nicht wirklich meine Entscheidung, sondern die meiner Mama. Ich war damals ja noch ein Kind. Aber ich glaube, sie hat für mich die richtige Entscheidung getroffen. Wäre ich in Brasilien aufgewachsen, wäre ich erst ganz brav in die Schule gegangen, hätte dann studiert, die Uni abgeschlossen, etc. – so wie es sich der Rest meiner Familie dort gewünscht hat. Meine Mama ausgenommen, komme ich aus einer traditionellen Familie. Wäre ich nicht nach Wien gekommen – mein Leben wäre ganz anders verlaufen.

Das klingt, als ob deine Umgebung deinen Weg ziemlich beeinflusst hat?

Absolut. Die Einflüsse, die auf dich wirken, bestimmen dein Leben. Wien ist deshalb auf jeden Fall der richtige Ort für mich. Bei mir hat sich das Ganze hier irgendwie entwickelt. Mit dreizehn habe ich auf Privatparties immer schon meine CDs mitgenommen habe, habe immer nur meine Platten gespielt habe und gesagt: „Diese CDs sind die besten. Mein Geschmack ist der beste.“ Ich habe niemand anderen rangelassen. Ich muss schon sagen: Ich war da sehr egoistisch. Aber so bin ich dazu gekommen, dass ich mit fünfzehn, sechzehn meine Turntables gekauft und im Keller von meiner Mama angefangen habe richtig zu üben.

Hast du neben dem Auflegen auch einmal ein Instrument gespielt?

Nein, mein Rhythmus kommt aus der Percussion. Der Großonkel meiner Mama hat eine Sambaschule geführt und meine ganze Familie hat Percussion gemacht. Auch ich spiele heute Bongos und Congas. Aber ein „richtiges“ Instrument habe ich nie gelernt – noch nicht.

Und wenn du dir eines aussuchen könntest?

Dann wäre das Klavier.

Wer sind deine musikalischen Vorbilder?

Da gibt es einige. Jorge Ben, Tim Maia und Elis Regina sind einfach der Wahnsinn. Die haben so viele Stücke geschrieben, welche die brasilianische Musik geprägt haben und einfach hammermäßig sind. Und dann sind da noch James Brown oder Quincy Jones – ich sag’ dir: no Quincy Jones – no Hip Hop, no House Music!

Hörst du auch deine eigene Musik?

Natürlich! Ich muss meine eigene Musik hören. Sonst würde ich sterben oder so. (lacht) Ich spiele meine eigene Musik, ich lege meine eigene Musik auf, daher höre ich sie auch.

Du warst dieses Jahr am Springfestival im Graz. Das war aber nicht das erste Mal.

Ja, ich war vorher schon zweimal dort, aber als Sängerin: 2004 mit Shanti Roots und dann noch vor zwei Jahren. Das war ein riesiger Zufall, weil ich eigentlich nur privat auf das Festival gekommen bin. Beim Essen habe ich dann aber zufällig Drumagic, die brasilianischen Drum’n’Bass-Producer getroffen. Die meinten: „Wir spielen heute live. Willst du für uns singen?“ Und ich so: „Naja, wenn ich die Credits bekomme, dann mach’ ich mit.“ So bin ich also dazu gekommen mit Drumagic live zu singen.

Was war das für ein Gefühl?

Es war Killer! Das Feedback danach war einfach extrem super, weil sich die Leute nicht erwartet haben, dass wir was zusammen machen.

War das bis dahin dein größter Live-Act?

Nein, der größte Live-Act war für mich das Jazzfest Wien 2003. Damals haben wir vor Miriam Makeba gespielt. Das war extrem geil – Miriam Makeba ist halt Miriam Makeba. Wir haben uns mit ihr den Backstagebereich geteilt. Sie kam einfach mit ihrer ganzen Familie, mit Kindern, Enkelkinder und so weiter. Das war schon ein Wahnsinn, so richtig „Yeah“. Ein paar Monate danach ist sie gestorben.

Bei dir ging es seitdem ja immer aufwärts. Hast du manchmal Angst, das könnte sich ändern?

Das frag’ ich mich jedes Mal, wenn ich meinen Style ändere. Ich war immer ein Freestyle-DJ, hab mit Drum’n’Bass und Acid Techno angefangen. Jedes Mal, wenn ich ein Projekt mitgemacht habe, das musikalisch total anders war und unter einem anderen Namen produziert wurde, habe ich mir gedacht: „Scheiße, das wird keiner verstehen.“ Doch im Nachhinein sehe ich, dass es immer funktioniert hat. Weil es um Qualität geht. Ich glaube, wenn deine Musik gut ist, wird es immer ein Publikum dafür geben. Für mich, für meine Ohren als DJ gibt es keine schlechte Musik. Es gibt nur Musik, die mir nicht gefällt. Das ist ein bisschen wie Lottospielen.

Spielt also deiner Meinung nach bei deinem Erfolg Glück, Vorsehung, irgendwas „Höheres“ eine große Rolle?

Das ist schwer zu sagen. Ich wurde katholisch getauft. Meine Oma ist in der evangelischen Kirche in Brasilien. Mein Opa väterlicher Seite war Schamane und ging in die Richtung weißer Spiritismus. Und meine Mama folgt der japanischen Lehre des Lebens. Ich selbst bin sehr offen. Ich glaube an etwas Stärkeres, aber ich weiß nicht, was es ist. Für die einen ist es Jah, für die andere ist es Gott. Meine Kraft bekomme ich unterschiedlich. Ich versuche immer, Menschen um mich zu haben, die positiv sind. Ich glaube, die Kraft, die du hast, ist in dir selbst, du kannst sie nur verstärken. Meine Kraft verstärke ich mit Musik, meiner Familie oder einfach mit gutem Essen.

Fremd gekocht oder selbst gekocht?

Selbst gekocht. Ich habe die Tourismushotelfachschule gemacht und bin ausgebildete Köchin. Zu Hause koche ich extrem gerne, z.B. mexikanisches Essen.

Für wen kochst du?

Für meine liebsten Menschen.

Ist darunter auch dein Freund?

Nein, ich bin glücklich solo. Im Moment bin ich sehr mit meinem Leben beschäftigt. Ich habe gelernt, dass sich dabei alles um Timing dreht. Und momentan ist es für mich einfach nicht das richtige Timing, eine Beziehung zu haben.

Du hast gesagt, Wien wäre genau das Richtige für dich. Aber gibt es an Wien auch etwas zu kritisieren?

Wien hat, musikalisch gesehen, echt nachgelassen. Als ich angefangen habe, Musik zu kaufen und zu konsumieren, war Wien in dieser Hinsicht wichtig für die Welt. Es hat echt gut angefangen. Aber leider hat sich daraus nicht viel entwickelt. Wie man sieht, haben die meisten Labels inzwischen die Türen zugesperrt. Sobald jemand in Wien ein Label hat und international bekannt wird, denkt er nur an sich – zu viel Egoismus und Disserei. Ich finde, Wien könnte mehr familiär, mehr gemeinsam arbeiten.

Wie schafft man das?

Ich versuche mein Bestes, indem ich Parties mit Leuten veranstalte und Musik mit Leuten aus der Gegend mache, z.B. mit Stereotyp, Skero oder Karl Möstl. Ich finde es einfach traurig, dass es nichts gibt, von dem man sagt: „Das kommt aus Wien. Das ist das Gesicht von Wien.“ Dieses Gesicht hat Wien in den letzten acht Jahren leider verloren. Es gibt zwar einige extrem talentierte Leute, aber einen Style, der automatisch mit Wien identifiziert wird, den gibt es nicht.

Was hält dich trotzdem hier?

Ich liebe Wien. In Wien habe ich alles angefangen, es ist eine super Base. Wien hat gutes Potenzial im Nachtleben: Es gibt gute Clubs, die promoten und sich ins Zeug hauen, um was Neues zu machen. Ich glaube, in einem Jahr wird sich schon wieder viel verändert haben. Schon in den letzten zwei Jahren hat sich vieles durch Künstler entwickelt, die von sich aus Kontakte in Berlin, London und den USA gesucht haben, damit die ihren Scheiß raus bringen. 2012 wird es sicher wieder viele Künstler geben, von denen man sagt: „Das sind Leute aus Wien.“

Bist du eines dieser Gesichter?

Das bin ich sicher. Genauso wie auch Wolfram, D-Kay, Beware, I-Wolf, Dorian Concept, Ken Hayakawa, Makossa & Megablast, Stereotyp … Wir, die neue Generation, haben geschafft, was wir geschaffen haben. Nicht, weil uns irgendwelche Wiener Labels unterstützt haben, sondern weil wir uns aus eigenen Deals, unserem eigenen Networking mit Menschen aus anderen Ländern zusammengeschlossen haben. Wien ist dadurch eine kleine Metropole, in der was passiert. Jeder kleine Musikstyle ist hier präsent. Zürich und Lissabon sind z.B. auch solche Mini-Musikmetropolen – aber in Wien ist einfach mehr los.

Featurest du auch brasilianische Artists?

Ja, natürlich. Ich habe viele Tourneen organisiert, als ich für Man Recordings gearbeitet habe, z.B. für DJ Edgar, DJ Sandrinho und Eduk. Viele von diesen Leuten sind durch mich nach Wien gekommen und mittlerweile hab ich gute Beziehungen mit brasilianischen Künstlern und Produzenten. Ich habe eine Base in Brasilien und für die Brasilianer bin ich eine Base in Europa. Das ist schön.

Die neue EP "Pulp Ficition" von Joyce Muniz auf Exploited Records wird am 16.09. 2011 in der Pratersauna präsentiert.

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