Das sehr gute Erstlingswerk der Wiener Gruppe Buntspecht vereint klassische Musiken aus dem Wasserkopf Wien mit zeitgenössischem Pop-Appeal. Normalerweise gibt’s für so was einen Amadeus. Neben einem Loblied auf das Album haben wir hier auch eine exklusive Videopremiere für euch: »Hinterkammerl« feiert den Glimmerstangerlgenuss – es tut so gut!
Es kann uns scheißegal sein, was die Leute in den Bierzelten, an den Stammtischen und auf der Regierungsbank sagen und denken. Die schwafeln da irgendwas von nationaler Identität. Ungeachtet dessen, ob so ein Schmafu überhaupt existieren kann, in Österreich tut er es auf keinen Fall. Alles Kultur, alles Leben, alles, was eben diese Identität ausmachen sollte, ist nicht hausgemacht. Das war schon immer so. Und so wurden hier auch die Musiken, ursprünglich weit gereist, auseinander dividiert, damit sich möglichst viele Leute zusammenfinden. Klezmer, Gypsy, Bossa nova, Folk, Balkan-Pop – alles, was man so abwertend und heilfasten-esoterisch als World Music verunglimpft, kam nach Wien, wurde vereinnahmt und austriatisiert.
Die jeweiligen Szenen bleiben den Popkultur-KonsumentInnen weitgehend verborgen, vielleicht verirrt man sich am Donauinselfest einmal ins Ö1-Zelt, aber das war’s auch schon mit Berührungspunkten. Bemüht sich jemand um Ausnahmen, wie etwa 5/8erl in Ehr’n, hagelt’s gleich Amadeusse. Einen solchen könnte es alsbald also auch für die erst 2016 gegründete Wiener Gruppe Buntspecht geben, die mit ihrem fabulösen Debüt »Großteils Kleinigkeiten« die Verbindung von vermeintlich zu Hochkultur gewordener Gypsy-Musik mit modernem, aber niemals aufgesetzt wirkendem Pop-Appeal betreiben. Die elf Stücke entwickeln dabei einen fast ungewohnt dichten Sog, animieren zum Tanzen und zu Zwischenrufen – Achtung: Gefahrenpotenzial für Cultural Appropriation von Seiten des Publikums.
Auch die Lyrik begeistert
Vorgetragen in einprägsamer nasaler Stimme in Wiener Hochdeutsch vermag auch die Lyrik zu begeistern. Sie ist überraschend und treibt das Instrumentale vor sich her. Dass sich Buntspecht auch größtmöglichen Unwegsamkeiten gerne stellen, teilen sie dabei unverblümt mit: »Ja, alle wollen Rosen, wollen Blumen frischgepflückt, aber am herrlichsten sind Brennnesseln, nackt an die Brust gedrückt«, heißt es etwa in »Brennnesseln«. Gute Einstellung und eine gute Voraussetzung dafür, die hohen Erwartungen von Fans der ersten Stunde, der Branche und sich selbst zu erfüllen.
»Großteils Kleinigkeiten« von Buntspecht erscheint am 23. Februar 2018 bei Phat Penguin Records. Das Release-Konzert findet am 15. März im Radiokulturhaus in Wien statt. Weitere Auftritte sind geplant für 31. März in Leitersdorf (Roter Gugl), für 6. April in Linz (Stadtwerkstatt) sowie für 10. Juni in Wien (Theater am Spittelberg).