Mit Geist, Emotion und Wortspielen lässt Casper eine Nische des Deutschrap wieder auferstehen, die viele bereits für tot erklärt haben. Wir haben Casper interviewt.
Das typische Rapper-Gen fehlt Casper, sagt er selbst. Doch vermutlich ist es gerade dieser vermeintliche Nachteil, der seine Interpretation des Deutschrap so interessant macht. Seine stetig wachsende Fangemeinde sieht das offenbar ähnlich, und beförderte seine neue Platte "X.O.X.O." sogar auf Platz eins der deutschen Albumcharts.
Am 22. Oktober ist Casper live presented by The Gap mit seiner Band in der Szene Wien zu Gast. Im Interview mit The Gap sprach er schon jetzt über seine Musik, seine Vorbilder und die deutsche Rapszene.
Bushido wurde kürzlich gefragt wie er es aushalte, dass du im Moment mehr Platten verkaufst als er. Er meinte darauf, dass deine Musik ohnehin kein Rap wäre. Wie siehst du das?
Also wenn jemand jetzt eine Platte von Bushido, Kool Savas oder Sido anmacht und sagt: "Pass auf, das ist Rap!" dann würde ich sagen, er hat Recht. Ich habe meine Platte nicht auf Technik, auf Eier oder Existenzbelegung hin geschrieben. Trotzdem finde ich das "X.O.X.O." eine Rapplatte ist. Nur habe ich versucht darüber hinaus auch das restliche musikalische Buffet zu bedienen.
Früher hast du dich ja auch in Baggies und XL-Shirts mit anderen Rappern gebattlet. Heute trägst du Röhrenjeans und singst über dein Leben und deine Gefühle. Ein Imagewechsel?
Einen Imagewechsel kann man das nicht unbedingt nennen. Ich bin früher tatsächlich mit Baggies rumgerannt. Aber ich komm ja auch aus der Skateboardszene. Ich hatte eine sehr rappige Jugend und fand auch breite Hosen richtig geil. Doch irgendwann wollte ich einfach nicht mehr mit riesigen Klamotten rumlaufen. Ich hab das aber jetzt nicht bewusst geändert. Das war einfach so.
Spielte dein Abstecher in den Hardcore da eine Rolle? Inwiefern hat dich das in deiner Entwicklung als Künstler beeinflusst?
Das spielte sicher eine Rolle. Wobei Abstecher zum Hardcore ist nicht ganz richtig. Eigentlich hab ich immer beides gehört. Mir war Rap nur eine Zeit lang einfach zu blöd. Es gab da ne Phase, da kamen echt miese Platten raus. Wo ich dachte: Jungs, ihr redet alle nur noch Scheiße. Das war die Zeit, wo diese "Prollphase" in Deutschland losging. Also Proll im Sinne von: "Ich trag die teuersten Acces, ich fahr das dickste Auto, ich bums die und die, ich mach das und das!" Und ich dachte nur: "Eh man tust du nicht. Du hast auch kein Geld und dein Schmuck ist nicht echt, also willst du mir erzählen?"
Ich war da außerdem grad in einer Phase meines Lebens, wo ich von zu Hause ausgezogen bin, nur ne Matraze und nen Fernseher besessen hab und mir mein Leben aufbauen musste. Miete bezahlen, Job suchen, Möbel kaufen. Und dann machst du das Radio an und hörst so einen Scheiß. Eh Mann, ne! Das war eine Zeit, wo mir Rap einfach auch nicht weiterhelfen konnte. Da hat mich Hardcore einfach mehr gekickt. Da schreien die Leute ihre Agressionen raus und singen über alltagsrelevante Themen.
Apropos Aggressionen rausschreien: Deine Stimme hört sich auf der aktuellen Aufnahme schon kratziger an als auf den Früheren. Ist das dein neues Stilmittel, oder ein Opfer, das du für deine Zeit als Hardcore-Sänger bringen musstest?
Echt? Oh gott is sie echt kratziger geworden? Naja, die Zeit als Hardcoresänger hat auf jeden Fall geschadet. Ich hab immer falsch geschrien. Der Verfall schreitet also voran, auf der nächsten Platte gibt’s dann nur mehr weißes Rauschen.
Du hast in einem anderen Interview Hardcore Bands wie Modern Life is War oder Gallows als wichtige Einflüsse bezeichnet. Wirkte sich das auch auf deine Musik aus?
Auf die Musik selbst eigentlich nicht, aber Modern Life Is War ist für mich immer noch eine sehr wichtige Band. Ich liebe die Art wie Jeffrey Eaton schreibt. Da passt einfach alles zusammen. Wenn ich die Platten heute höre, dann hat das auch nach fünf Jahren noch die gleiche enorme Wirkung auf mich. Für die Musik die ich heute mache, ist das jetzt nicht so wichtig, aber es hat halt jeder seine Vorbilder. Mir fehlt halt "leider" dieses richtige Rapper-Gen. Von wegen durch die Gegend schreien: "Yeah ich bin der Krasseste."
Das macht dein ehemaliger Label Kollege Kollegah aber offensichtlich sehr gerne. Besitzt er dieses Gen, das dir fehlt oder ist das alles ohnehin nur inszeniert?
Klar ist Kollegah inzeniert. Toni is wahrscheinlich der intelligenteste Mensch der Welt und rein technisch gesehen der beste Rapper. Kollegah ist einfach eine aufgeplusterte Kunstfigur. Ich finds schon cool, wenn man sich auf larger than life inzenieren kann und das dann auch noch über Jahre erfolgreich durchzieht. "Eh der Boooss!!!" Es ist schade, dass die Leute in Deutschland das oft nicht checken.
Lange Zeit hatte man das Gefühl, dass die Vielfalt im deutschen Rap mehr und mehr verloren geht. Wie stehts denn eigentlich im Moment um die deutsche Rapszene?
Also, lange Zeit war es wirklich so, dass es immer nur eine einzige Schiene gab. Die machte dann jeder, bis es niemand mehr hören konnte und dann kam die nächste und so weiter und so fort. Erst war weich, dann kam hart und weich war tot. Was momentan passiert ist richtig cool. Es gibt sehr gute harte Rapper wie Haftbefehl oder Kollegah und dann gibt es so mein Umfeld mit Marteria, K.I.Z. oder Prinz Pi. Natürlich gibt’s dann auch noch die Gruppe rund um Fettes Brot aber auch die ganz Asozialen. Ich denke es ist das erste Mal, dass es im deutschen Rap so eine Koexistenz gibt. Jeder kann sich seine Nische suchen, ohne den anderen als existenzgefährdent ansehen zu müssen.
Du bist ja in deiner Nische ziemlich erfolgreich und auch die Rezensionen zu deinem Album sind ziemlich gut. Gab es überhaupt Kritiken, die dich getroffen haben?
Es gab da schon Zeitungsartikel, die mich richtig genervt haben. Was da gesagt wurde, war Kritik auf einem ganz tiefen Level. So von wegen: Ich nehm dem das nicht ab, der hat das alles gar nicht wirklich erlebt und so weiter. Der Kern von alldem war, dass meine Musik einfach zu weich ist. Wenn die das denken, dann nehm ich das ja gerne an, aber dann sollten sie zumindest die Eier haben auch über harte Musik zu schreiben. Und genau das ist das Ding. Die schreiben keine Feuilltonberichte über Haftbefehl oder Kollegah. Die sind ihnen zu asozial. Und dann komm ich und mach was nicht Asoziales und das ist dann wieder zu weich. Das ist für mich ein Fähnchen-im-Wind-Rebellentum. Ihr findet mich scheiße? Ok. Aber dann solltet ihr eure Arbeit ordentlich machen und nicht blöd rumquatschen.
Wer ist den eigentlich privat dein größter Kritiker?
Also tatsächlich immer ehrlich war meine Freundin. Während der Platte hab ich ihr einen neuen Song gezeigt und sie so: "Find ich richtig Kacke, das ist irgendwie langweilig und funktioniert so nicht. Da musst du was anders machen!" Ich hör mir das dann an und entweder ich sag ihr, dass ich es genau so geil finde, oder ich geb ihr Recht. Eigentlich find ichs gut, dass ich auch sonst kaum Ja-Sager kenne. Ich will auch nicht irgendwelche Arschlöcher um mich haben, die über jeden Witz lachen und alles cool finden was ich mache.
Hat dich schonmal jemand dazu gebracht deine Texte umzuschreiben?
Das Ding ist, dass ich meine Texte selber sehr oft umschreibe. Ich find ja tatsächlich meine Texte selber nicht so geil. Ich mach das einfach und ich schreib auch gerne, aber es gibt immer den Punkt wo mir mein Produzent das Ding aus den Händen reißen muss, weil ich sonst einfach nie fertig werden würde. Ich hab da einfach ne unerreichbar hohe Messlatte. Es gibt kaum Songs die ich fertig hab und sag: "Das is jetzt richtig geil."
Auch dein aktuelles Label Four Music lässt dir da freie Hand?
Absolut. Die Platte ist ja ziemlich komplex und eigentlich auch überhaupt nicht typisch für ein Major. Die sagen mir zwar schon ihre Meinung, aber sie haben jetzt nie gesagt: "Das ist Kacke änder das!" Und selbst wenn, dann hätten wir es ohnehin nicht gemacht!
Die Texte auf "X.O.X.O." sind emotional und sehr persönlich. Was ist das für ein Gefühl, auf der Bühne Details über dein Privatleben preiszugeben, wohlwissend, dass das Publikum jedes deiner Worte versteht? Gibt es da Momente in denen du dich unwohl fühlst?
Nein gar nicht. Wenn ich eine Geschichte aus meinem Leben erzählen will, dann kann ich die nicht aus einer vierten Sicht erzählen, das Ende verdrehen, den Anfang ändern oder die Person. Ich möchte, dass die Geschichte genau so erzählt wird wie es auch war, weil ich glaub, dass sie nur dann gut ankommen kann. Ich fühl mich nicht in meiner Privatsphäre belästigt und ich sehe meine Platte auch nicht als Seelenstriptease. Schließlich hab ich mich ja dazu entschieden das zu schreiben.
Deine Texte sind ja zum Teil ziemlich melancholisch. Schreibst du die wenn du schlecht drauf bist?
Seltsamerweise schreibe ich diese melancholischen Sachen, wenns mir saugut geht. Das ist einfach so. Dann kann ich sagen alles klar wir saufen jetzt 10 Bier und dann geht es los. Andersrum geht das nicht. Wenn du eh scheiße drauf bist, dann willst du ja eigentlich nicht scheiße drauf sein. Da gehst du dann lieber raus feiern um dich abzulenken und an was anderes zu denken.
Wie geht es bei dir jetzt musikalisch weiter? Könntest du dir z.B. vorstellen nochmal ein Crew Album wie vor Jahren "Kinder des Zorns" zu machen oder sind diese Zeiten vorbei?
Ich habe tatsächlich grad eine neue Crewplatte in Planung. Aber es wird jetzt nicht nochmal mit den Kindern Des Zorns sein, sondern mit anderen alten, aber bekannten Gesichtern. Mehr will ich im Moment noch nicht verraten aber es wird geil!
"X.O.X.O." von Casper ist bereits via Sony BMG erschienen. Das Video zu "So Perfekt" feierte in Österreich bei uns Premiere. Am 22. Oktober gastiert Casper live presented by The Gap in der Szene Wien. Wir werden ca. eine Woche vorher Tickets über unsre Facebook-Page verlosen.