Um auch noch jenseits der 30 würdevoll feiern zu gehen, sollte man vor allem nicht ungefragt allen erzählen, dass früher alles besser war.
Mensch, waren das damals Zeiten. Was haben wir getanzt, gezogen, getrunken und gevögelt. Das könnt ihr euch heute gar nicht mehr vorstellen. Und klar waren wir alle auf dieser einen Party, die im Nachhinein zum definierenden Moment einer Dekade erklärt wurde. So oder ähnlich erzählt man das seiner jungen Verwandtschaft, die gerade nach Wien zieht. Oder den jungen Menschen, die man in einer Bar beeindrucken will.
Früher war immer alles besser, aber in der Clubkultur besonders
Auf die eigene Jugend blickt der Mensch durch einen dicken Nostalgiefilter. Wie berechtigt ist schwer zu sagen, auch weil sich in der Rückschau stets drei Entwicklungen überlagern: Die Welt verändert sich, die Stadt verändert sich, man selbst und sein Freundeskreis verändern sich. Vor zehn Jahren gab es noch kein Facebook, vor zehn Jahren waren die Clubs in Wien noch ganz andere, vor zehn Jahren wollten deine Bekannten noch nicht »spätestens um zwei zuhause sein«, um noch was vom Sonntag zu haben. Das hat alles seinen Anteil daran, dass das Nachtleben für dich gefühlt den Bach runtergeht. Man darf aber eben nicht vergessen, dass diese Sichtweise wahrscheinlich mehr über den eigenen Standpunkt verrät als über Wien. Es passiert ja was. Man kriegt es halt nur weniger mit. Oder es gefällt einem halt nicht, weil die jungen Leute sich partout nicht so verhalten wollen wie man sich vor 15 Jahren verhalten musste. Die sind aber nicht verpflichtet, auf die Befindlichkeiten der Älteren Rücksicht nehmen. Hat man ja selbst damals auch nicht.
So spätestens Anfang Dreißig müssen auch regelmäßige Clubgänger akzeptieren, dass sich ihre Rolle ändert. Das hat durchaus auch seine Vorteile. Wenn man nicht mehr jedes Wochenende zweimal unterwegs sein muss, kann man die Nächte, in denen es passiert, viel intensiver genießen. Und es ist natürlich völlig in Ordnung, wenn man nur noch in Restaurants und auf Reunion-Partys geht. Wichtig ist dabei, die Würde zu bewahren. Und das heißt eben auch, nicht ungefragt allen zu erzählen, dass früher alles besser war.
Jonas Vogt war lange Autor bei The Gap, dann zwei Jahre Chefredakteur bei Noisey. Er richtet hier regelmässig seinen Blick auf die Clubs dieser Stadt. Jonas Vogt ist auch auf Twitter sehr witzig.