CD Project RED hat viel getan, um wieder gut zu machen, was beim Start verbockt wurde. »Cyberpunk 2077« ist heute ein hervorragendes Spiel und die »Phantom Liberty«-Expansion liefert neuen, packenden Content.
„Das wird nix mehr„, habe ich hier vor zweieinhalb Jahren getitelt. Ich habe mich geirrt! »Cyberpunk 2077«, wohl eines der geyptesten Spiele aller Zeiten, war damals trotz sehr gelungener Elemente ein Riesen-Flop. Die für ein derartiges Spiel so zentrale Atmosphäre wurde von Bugs und der Abwesenheit von NPC- und Fahrzeug-KI in Stücke gerissen. Die Rollenspiel-Elemente waren unausgegoren und die Gegner*innen in den gewaltsamen Auseinandersetzungen hilflos dumm. Das konnten auch die großartige Inszenierung und eine der faszinierendsten Städte der Videospielgeschichte nicht retten. Und zu allem Überdruss tat sich die Führung eines der letzten ‚vertrauenswürdigen‘ AAA-Studios (CD Projekt Red) durch gezielte Irreführung von Spieler*innen und Presse hervor.
Umso schöner (und seltener) ist es in der Gaming-Industrie, dass in den folgenden Monaten und Jahren der Eindruck entstand, dass auf die Katastrophe ein Umdenken und der Versuch einer Wiedergutmachung folgte, wie wir ihn in den letzten Jahren sonst wohl nur im Fall von »No Man’s Sky« erlebt haben. Von Studio-Mitarbeiter*innen ist zu hören, dass auf das Wohlbefinden der Belegschaft jetzt mehr Wert gelegt wird. Und über zweieinhalb Jahre hinweg wurde das Spiel nun kontinuierlich repariert und nachgebessert, so das es heute wohl annährend dem gerecht wird, was viele sich damals erträumten.
Im Zentrum des Spiels steht heute wie 2021 die Spielwelt mit ihrer lebendigen, vertikal vielschichtigen Zukunftsstadt und dem westernartigen Umland. Sie gehört zum graphisch Schönsten und Detailverliebtesten, was Videospielwelten zu bieten haben. Und sie ist voller erinnerungswürdiger, herausragend inszenierter Figuren und deren Geschichten. Nur ‚echte‘ Entscheidungen mit Einfluss auf die Handlung á la »Witcher« darf man sich auch in Version 2.0 nicht erwarten.
Die KIs wurden grundlegend überarbeitet, die Charakterentwicklung neu aufgestellt, der Nahkampf verfeinert und Straßenschlachten aus fahrenden Fahrzeugen ermöglicht. Dazu gibt es jetzt ein ernst zu nehmendes Polizei-System mit Fahndungssternen á la »GTA«. Die ‚alten‘ Missionen werden durch die Neuerungen selbstverständlich nicht grundlegend verändert. Aber sie schaffen das runde Gesamterlebnis, das für ein Spiel dieser Art so entscheidend ist.
Parallel zum kostenlosen 2.0-Update kann in der kostenpflichtigen »Phantom Liberty«-Erweiterung mit Idris Elba an einem Agenten-Thriller in einem neu hinzugefügten Stadtteil teilgenommen werden. Der ist die Zeit und das Geld wert und fügt sich auch bei einem Neu-Einstieg ins Spiel stimmig ins Gesamtprodukt.
»Cyberpunk 2.0« kann nicht alle Schwächen seiner Ursprungsversion ausbessern, aber es fühlt sich ganz klar nicht nach einer zwei Jahre alten Enttäuschung, sondern nach einem gelungenen High-end-Spiel an.
»Cyberpunk 2077 2.0« ist für PC, Xbox Series X/S und PS5 erschienen. Die Versionen für PS4 und Xbox 360 wurden nicht upgedatet.