Ein ehemaliger spanischer Torero, der sich nach einer Zeichentrick-Figur benennt und Bass-Drops mit Blockflöten nachäfft. Wir haben DJ Detweiler interviewt.
Du bist auf einer Party. Mit deinen Teenager-Freunden hörst du Künstler, die vor fünf Jahren das Maß aller Dinge waren. Ihr lasst sie alle Revue passieren. Chase and Status, Prodigy, DJ Zinc, sämtliche UKF-Konsorten – die Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen.
Diese Rave-Mainstreamer haben elektronische Musik institutionalisiert und massenkompatibel gemacht. Für die Jogginganzug-Prolls aus East London, aber auch für die festlandeuropäischen Mittelstand-Kids. Von heute aus betrachtet ist es dir natürlich todpeinlich, so etwas aufrichtig gemocht zu haben. Aus Furcht vor aufgestellten Zehennägeln ob deiner Scham eilst du zum Aux-Stecker um den totgehörten Wobbles und ausrechenbaren Ekstatse-Tonfolgen zuvorzukommen.
Doch was passiert stattdessen? Eine mit volksschulischem Dilettantismus gespielte Flöte versucht die Drop-Melodien nachzuäffen – mit mäßigem Erfolg. Dafür beben jetzt sämtliche Zwerchfelle. Hier zeigt sich wie viel Spaß schlaugemachtem Trash innewohnen kann.
Der Urheber dieser Verflöthornung nennt sich DJ Detweiler. Ja, genau, der dickliche Hauptcharakter mit der roten Kappe aus "Disney’s große Pause". Sein Verhalten hat allerdings weniger mit der kindlichen Zeichentrickfigur gemein. Gebärdet sich DJ Detweiler doch wie einer der Großen. Gerade auf Amerikatour – voller Terminplan, das Übliche. Bis zum endgültigen Interviewtermin sind mehrere Anläufe nötig. Außerdem: Keine Bilder, keine Videos – Anonymität muss gewahrt bleiben.
Ganz normaler Werdegang
Anfangen lässt sich wohl am besten mit der angeblichen, von ihm verbreiteten Biografie im Schnelldurchlauf: Detweiler stammt aus dem spanischen Murcia und ist passenderweise im früheren Leben Torero gewesen. Er ist Mitglied einer spanischen Flötenpunkband – bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihn der Fame zu blenden beginnt. Er beschließt auszusteigen. Von nun an verdingt er sich mehr oder weniger erfolgreich als Online-Bettler. Weil der durchschlagende Erfolg ausbleibt, widmet er sich notgedrungen wieder dem Flötenspiel und startet das Projekt DJ Detweiler.
Die Idee – watscheneinfach und genial – zündet. Gleich der erste Remix von Prodigys "Smack My Bitch Up" entwickelt sich rasend schnell zum viralen Soundcloud-Phänomen. Seitdem jagt Detweiler in den erforderlichen Abständen neue Eigeninterpretationen in die Soundcloudwelt. Erschöpft sich der Spaßfaktor einmal, wandert er halt in den nächsten Bekanntenkreis. Unzählige gibt es derer nicht – die Verbreitungsmethode ist also begrenzt. Folglich wird das Werk des Spaniers wohl nicht lange (über)leben. Ist auch nicht von Bedeutung. Ein Versuch den unfassbaren Urheber dieses schnelllebigen Hypes zu fassen.
Wofür brauchst du eigentlich einen Produzenten, ich dachte immer du bist ein Solokünstler?
DJ Detweiler: Da steckt sehr viel Arbeit dahinter – man erreicht sonst ja nicht einfach so über Nacht 500.000 Klicks auf Soundcloud. Ohne mein Team wäre das alles gar nicht möglich. An einer einzigen Single arbeiten wir wochenlang. Ich bin einfach ein Perfektionist, wenn etwas nicht perfekt wird, werde ich sehr wütend. (lacht)
Momentan tourst du in den Staaten. Für viele Musiker ist das mit großem finanziellen und organisatorischem Aufwand (Visa etc.) verbunden. Wie ist es dir möglich, schon am Anfang deiner Karriere in den USA zu spielen?
Offiziell bin ich in den USA als Tourist, das ist eigentlich illegal, aber billiger und einfacher. Finanziell ist das möglich, weil mich verschiedene Major-Labels kontaktierten und mir geheime VIP-Gigs im ganzen Land verschafft haben.
Ich nehme mal an, dass du und deine Produzenten alle Samples der von euch verwendeten Hits aufgrund der Urheberrechte neu einspielen müsst, oder?
Naja, bei den meisten meiner Tracks habe ich vorher direkt die Erlaubnis der Künstler eingeholt. Mit vielen bin ich gut befreundet. Manchen habe ich sogar all ihre Fähigkeiten beigebracht. Wie bei Hudson Mohawke.