Der neue Film des Regisseurs Stephan Richter, "Einer Von Uns", stützt sich auf wahre Tatsachen und thematisiert Jugendrebellion und Polizeigewalt mit starken Bildern, die man sich garantiert einprägt. Wir haben den Wahlwiener zum Interview getroffen, um über den Film, Konsumverhalten und Polizeigewalt zu sprechen.
War es schwer, einen Schauspieler für diese außergewöhnliche Rolle zu finden? Immerhin ist die Rolle emotional behaftet.
Ja und nein. Interesannterweise ist uns Jack Hofer schon sehr früh untergekommen. Unter den ersten 50 Castings war er schon dabei und ich war selbst irritiert davon, dass es so schnell ging. Ich habe relativ bald erkannt, dass er die Rolle irgendwie in sich hat. Er war irgendwo zwischen Mann und Kind und hat irsinnigen Einsatz gezeigt. Ich hatte dann ein Jahr Zeit mit ihm zu arbeiten und ihm die Rolle auf den Leib zu schreiben. Sich die Zeit zu nehmen, um mit den Darstellern zu arbeiten, ist gerade in diesem Alter besonders wichtig.
Was meinst du mit der Aussage, dass der Supermarkt eine Metapher für ein globales Gesellschaftssystem ist, welches schon lange nicht mehr funktioniert?
Da muss man sich nur ansehen, was momentan in Europa passiert. Wir leben in einem geld- und warenorientiertem System, dass überall kollabiert. Trotzdem versuchen wir ständig diese Fassaden aufrecht zu erhalten. Wenn etwas nicht mehr passt, wird es einfach weggeworfen. Unsere Gesellschaft produziert einfach sehr viel Müll um weiterhin zu glänzen. Ich finde das zeigt der Betrieb des Supermarktes ganz deutlich. Man sieht was unsere Prioritäten sind – in kleinen Ortschaften gibt es unzählige Supermärkte, aber wenig Freiraum für die Jugend.
Gibt es seitens der Gesellschaft Kritik am Film?
Im Vorfeld gab es viel Kritik. Seit der Premiere kam bis jetzt aber noch nicht viel. Bei der Viennale waren die Reaktionen jedoch sehr gut. Offiziell läuft der Film ab dem 20. November in den Kinos und ich bin sehr gespannt darauf, wie die Leute den Film annehmen werden.
Was sagt der Schauspieler Jack Hofer über seine Rolle? Immer hin ist diese ja emotional behaftet.
Das musst du ihn selbst fragen, da kann ich nicht für ihn sprechen.
Hat er dir gegenüber denn nichts erwähnt?
Naja, ich wollte immer, dass er sozusagen den Florian P. in sich findet und so haben wir auch die Rolle angelegt. Wie gesagt, habe ich viel Zeit mit ihm verbracht. Ihm persönlich war es immer sehr wichtig, dass man diesem Jungen, mit dem Film ein Denkmal setzt. Diesen Ansatz finde ich schön.
Der Produzent Arash T. Rihai spricht von einem außer Kontrolle geratenen Polizeisystem, sowohl außerhalb als auch innerhalb der EU. Wie siehst du das?
Ich denke, da muss man vorsichtig sein. Man darf nicht alle Dinge in einen Topf werfen. Der Vorfall aus Krems ist eine komplexe Angelegenheit. Ich denke aber, dass es gerade in Österreich eine gewisse "Obrigkeitshörigkeit" gibt – wenn ein Polizist das macht, ist das halb so schlimm. Die Schuld wird dann schnell woanders gesucht. Von Seiten der Polizei hätte man zumindest hören müssen, dass das ein großer Fehler war. Das ist nicht passiert und hat mich irrsinnig gestört. Es geht nicht darum, dass der Polizist jahrelang hinter Gitter kommt. Man hätte auf menschlicher Ebene anders damit umgehen müssen. Der Fall ist ja eine Art Präzedenzfall. Wo hört das auf? Darf man dann jemanden, der kifft, auch einfach erschießen?
Denkst du, dass bei Polizeibeamten die Hemmschwelle sinkt?
Natürlich ist da eine Gefahr, dass so etwas gesellschaftsfähig wird und das gilt es in jedem Fall zu vermeiden. Es laufen da draußen tausende Jugendliche herum, denen genau das passieren hätte können. Man muss mehr auf die Anliegen der Jugendlichen eingehen. Sie brauchen Platz sich zu entfalten.
Wird es weitere Filme zum Thema "Jugendrebellion" von dir geben?
Mich interessieren vor allem österreichische Geschichten, weil Österreich mein Umfeld ist. Ich will nur erzählen, was ich selbst erleben bzw. erfahren kann. Jugendkultur interessiert mich immer, weil sie etwas Anarchisches hat, etwas Unberechenbares. Es ist einfach eine spannende Phase im Leben des Menschen. Man handelt noch nicht nach Normen, sondern einfach aus sich selbst heraus.
Wenn nicht alles nach der Norm läuft ist es umso wichtiger, dass es ein Jugendstrafrecht gibt.
Natürlich! Jugendstraftaten müssen einfach anders beurteilt werden. Das UN-Kinderrecht besagt, dass Kinder vor Gewalt beschützt werden müssen. Ein Kind ist man bis achtzehn Jahre, da ist es egal ob ein 14-Jähriger ins Fitnessstudio geht und älter aussieht. Er ist und bleibt immer noch ein Kind. Das darf nicht übersehen werden, sonst geben wir ganz grundsätzliche Werte auf. Man darf demokratische Grundsätze nicht über Board werfen. Das gilt auch für andere Dinge, die um uns herum kursieren. Flüchtlingsdebatte oder die Terroranschläge.
Am 19. November 2015 findet in Krems die Premiere zum Film "Einer Von Uns" statt. Ab 20. November kommt er in österreichische Kinos.