So langweilig es mitunter sein kann, über Musik zu reden oder Geschichten aus dem Bandalltag zu hören – bei Ginga macht es Freude, ihren Enthusiasmus zu spüren.
Ihr habt nach zwei Jahren euer Album noch mal aufgenommen und spielt auch live noch die Songs von »They Should Have Told Us« in meist ähnlicher Reihenfolge. Seid ihr auf der Suche nach Perfektion?
Emanuel Donner: Nein, wir hören uns das Album nicht mehr an …
Matthias Loitsch: … und dass wir live eine ähnliche Reihenfolge spielen, liegt an den ersten drei Liedern, die genau so zusammenpassen und bei denen der Instrumentenwechsel gut klappt. Der Rest ist schlicht Gewohnheit.
Alex Konrad: Neu aufgenommen haben wir, weil immer mehr Leute meinten, dass wir eine Single rausbringen sollten, diese aber neu aufnehmen müssten. Bei der ersten Albumversion war noch vieles zusammengeschustert. Andi Pils, bei dem wir aufgenommen hatten, war damals das fünfte Bandmitglied und hat uns bei den Arrangements viel unterstützt. Wir mussten danach erst lernen, die Stücke auf die Bühne zu bringen. Bei den Single-Aufnahmen haben wir dann schnell entschieden, die Chance zu nützen und das gesamte Album neu einzuspielen. Einen Großteil davon live zu viert und wir konnten alles einbringen, was wir bis dahin gelernt hatten.
Wie kam es zu den internationalen Kontakten für die neue Version?
AK: Klemens und ich haben ein Erasmus-Auslandssemester in London gemacht und dort unter anderem Daniel Rejmer kennengelernt, der das Album dann gemischt hat. Über unseren Booker Jeroen Siebens sind die Kontakte nach Belgien gekommen, wo wir mit Mons Jegers das Album neu eingespielt haben.
Auch die Neuaufnahmen sind dezidiert dreckig und Lo-Fi. Wart ihr je versucht, beim zweiten Mal eine richtig glatte Radio-Pop-Version zu produzieren?
AK: Mons Jegers hatte so etwas wie uns noch nie produziert – er finanziert sein Studio mit einer Boyband, Get Ready, die er in den 90ern aufgenommen hat. Wir haben viel voneinander gelernt, aber auch viele seiner Vorschläge und Ideen abgelehnt.
ML: Er hat alle Klischees bedient, aber wir haben durch ihn manche Parts noch pushen können.
AK: Ja, es ging nun um Pop. Die ersten Aufnahmen waren nach Arcade Fire und anderen Bands irgendwie Folk. Diesmal ging es darum, Pop zu besetzen und sich dessen gute Seiten zurückzuholen. Aber eben Lo-Fi und nicht jeden Kompromiss eingehend. Klar ist Lo-Fi mittlerweile auch schon ein Alternative-Klischee – doch auch dieses wollten wir brechen. Hätte das Album nun diesen typisch cleanen britischen Gitarrenpop-Sound, wüssten wir auf der Bühne gar nicht, wie wir uns dazu bewegen und dreinschauen sollten. Das würden wir physisch nicht hinbekommen. Uns interessiert mehr das Spiel mit Genres – auch wenn das mittlerweile wohl auch im Promozettel von Zweitfrau steht. Wir wollten uns das Recht auf die Melodie nehmen und nicht zurückschrecken, weil etwas zu poppig ist. Andererseits ging es eben darum, bis zum Artwork auf das Handgemachte zu bestehen und das beizubehalten.
Ihr hättet aber, gerade was das Artwork betrifft, nicht nur durch den Pappschuber glatter werden können, sondern auch innen mehr Hochglanz.
ML: Wir wollten neu aufnehmen und poppiger werden. Es war schwer, die Grenze zu finden zwischen unseren Ideen und dem Wunsch, dass möglichst viele sich angesprochen fühlen, dass das Album für viele hörbar ist und nicht nur für einen Alternative-Markt.
AK: Es ging darum, die Ideen, die man hat, allgemein verständlicher rüberzubringen. Als wir die Nummern vor Jahren geschrieben haben, haben wir noch nicht daran gedacht Songs zu schreiben, die vielleicht auch einmal in Radio laufen könnten. Heute müssten wir meditieren, um uns in diesen Zustand zurückzuversetzen. Es haben sich aber auch die Zeiten geändert. Wenn Stel uns von den Anfängen von Starsailor erzählt, dann ist das heute einfach nicht mehr so. Es gibt keine Labels mehr, die eine Band aufbauen. Stattdessen verdient man durch Konzerte und Tantiemen aus dem Radio. In London werden die Bands hochgekocht und kurz darauf gibt es sie nicht mehr.
Gab es da auch Angebote?
AK: Ja, wir hatten in London Angebote, »Fashion« als Single zu veröffentlichen und bei Erfolg weiter zu arbeiten. Das finde ich aber uninteressant. Das wären Verträge gewesen, die wir nicht unterschreiben wollten.
Klemens Wihlidal: Es ist gut für uns, dass wir Zeit hatten. Wir mussten nicht sofort radiotaugliche Singles schreiben.
Bandbusiness im Spannungsfeld zwischen Leidenschaft und dem Wissen, wie das Business läuft? Ginga, als Band, die weiß was sie will?
AK: Ja, die Band nimmt ja auch viel von unserem täglichen Leben ein.
ML: Es ist uns wichtig zu wissen, dass wir das wirklich machen wollen. Und dass das auch mit viel Arbeit verbunden ist.
AK: Ich bin nicht der Typ, der zugekokst vom Manager auf die Bühne gezogen werden muss. Wir mögen es, an der Band zu arbeiten. Und von den Sex Pistols bis zu den Drums gab es immer wieder Bands, die Konzepte hatten und wussten, was sie wollen. Es geht auch darum, sich das zu erkämpfen, was man machen will. Und ja, es freut schon, wenn man dazulernt und damit arbeiten kann, wie bestimmte Parts funktionieren, die dann auch beim Publikum aufgehen.
Welche Rolle spielen eure Kunststudien? Gerade im Pop gibt es einige erfolgreiche Acts mit Kunst-Hintergrund. Hilft das beim Reflektieren des eigenen Tuns?
AK: Ja, auch in Österreich. Paper Bird studiert glaub ich Kunst, und auch Soap & Skin. Früher das Hotel Morphilo Orchester oder heute Gustav.
KW: Das hat nicht nur mit Aussehen und Präsentation zu tun, sondern als Kunststudent hat man den Luxus der Zeit, an eigenen Sachen zu arbeiten. Es war auch ein Grund dafür, dieses Studium zu beginnen und wir haben uns gegen die Musik-Uni entschieden. Wir haben von den theoretischen Vorlesungen über Präsentation sicher viel mitgenommen.
AK: Das Kunststudium hat geholfen zu wissen, wie man rüberkommen will, welches Bild man kommunizieren will. Musik ist ja auch ein Spiel mit Klischees und ein Spiel mit Pop-Bildern.
Ihr umgeht damit auch jegliche Indie-Authentizitäts-Diskussionen.
AK: Musik kommuniziert auch über Bilder. Man erkennt einen Popstar wie Britney auf Kilometer. Da sind wir sicher vielschichtiger – was am Markt auch ein Problem ist. Auf der anderen Seite schützt uns das vor Einvernahmen von bestimmten Seiten.
Aber das Ziel bleibt London?
AK: Klar. Wenn man Musik machen will, geht man wohin, wo andere Leute sitzen, die etwas dazu zu sagen haben. Und London ist einfach die Stadt für Musik in Europa.
ED: Man muss auch anwesend sein. Man kann nicht in Wien sitzen und sagen: Wir wären gern in London und international bekannt.
Was fehlt noch dazu? Was sind eure nächsten Schritte?
AK: Wir müssen noch mehr Einfachheit lernen. Das kann auch spannend sein, mit Einfachheit eine eigene Stimme zu entwickeln.
ML: Es war für uns sicher die größte Lernerfahrung, sich zurückzunehmen. Heute wissen wir, dass keiner von uns sein Können ausspielen muss.
AK: Jedenfalls werden noch vor Weihnachten nach London fahren und dort mit James Stelfox an neuen Nummern zu arbeiten beginnen.
»They Should Have Told Us« erscheint am 15. September bei Monkey Music. Der enge Tourplan der Band (www.thisisginga.com) sieht auch einen Stopp am 15. Oktober in der Arena Wien vor – im Rahmen von Teen Gap. Zur Coverstory von Martin Mühl und Max Zeller geht es hier.