Das Lachen des Michael Kurth

Nach 6 Jahren Rapstinenz haut der Herzpoet ein Album raus. Und stellt alte Fans vors noch ältere Problem: Ist es nun Wachstum oder Verrat?

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Dieses Albumcover. Dass Curse sein Konterfei gern auf CD-Cases druckt, ist nicht neu. Stets mit todernster Miene oder schreiend. Und was ist jetzt? Ein dickes Grinsen gen Himmel. Da steckt was dahinter. Wörtlich gesehen eine CD, die guten alten Hip Hop-Althasenhate abbekommen wird. Zurecht, in deren Argumentationsrahmen. Der ist aber genug Leuten wurscht. Solange die Qualität stimmt.

G’schichtldrucker

Curse ist jetzt lieb. Ein Novum. Michael Kurth versorgte die Welt mit auditiven Stacheln, die in den Hörerherzen süßen Schmerz auslösten. Er erzählte komplexe Geschichten, von ausgebeuteten Frauen, vom Tod und vor allem von der Liebe. Diesem Thema widmete sich Curse mit Inbrunst. Er schrieb unter anderem die wohl brutalste Post-Trennungs-SMS aller Zeiten ("Und was ist jetzt"). Es war Musik, die einen durch die Pubertät bugsiert. Verkopft, emotional und eine Flut an Text. Zwei dieser Attribute haben sich in Wohlgefallen aufgelöst. Wörtlich.

Reduktion statt Rapresent

Die neue Platte quillt über vor Gefühlen. Nur richtet Curse die Stimmungskanone diesmal nicht auf des Hörers Herz, sondern himmelwärts, und verschießt Feuerwerk. Gleich zu Beginn vergleicht sich der Künstler mit Planeten Tatooine – weil der zwei Sonnen hat. Das nachfolgende Stück beschreibt die Fantasielandschaften, die man beim Spielen mit Kindern durchstreift. Die nächsten beiden Tracks sind bunte Huldigungen ans Zusammensein. Ja, "Künstler", nicht "Rapper". Textwände und Kopfnickbeats gibt’s diesmal nicht. Ein Track auf "Uns" hat im Durchschnitt so viele Worte wie ein Part eines früheren Curse-Tracks.

Doch keine Panik. Einerseits schafft der Herr Kurth es tatsächlich, wenig zu sprechen und viel zu sagen. Das Rezept ist simpel. Kompakte Aussagen, kraftvolle Bilder, mehr Emotion. Das funktioniert nicht immer, aber wenn, dann richtig. Die Sprachkunst selbst leidet allerdings darunter. Halbromane wie "Wüstenblume" lassen sich so nicht mehr erzählen. Und wer Rap der Rhetorik wegen liebt, wer süchtig ist nach Flow, Doubletime und Spits, dem wird diese Dosis nicht mal ansatzweise reichen.

Glückskeulenmethode

Und andererseits spielt der Sound seine neue Co-Hauptrolle meist mit Bravour. Besonders bei den Euphorieparts. Saftige Synths, epochale Drums. Klingt alles ein wenig wie Bastille in knackig. Im späteren Albumverlauf passt sich die Stimmung dann eher der Jahreszeit an. Doch selbst hier ist der positive Grundton nicht totzukriegen. Die süße Melancholie wurde wegrationalisiert.

Dass der Meister des Wortschwalls jetzt auf sprachlichen Minimalismus setzt, ist ein ziemlicher Brocken. Das wird einige Hip Hop-Heads vor denselbigen stoßen. Und würde Curse nicht mit so wenigen verbalen Pinselstrichen so bunte mentale Gemälde zaubern, könnte man ihm tatsächlich böse sein. Aber es klappt. Kurve gekratzt. Curse, du hast deine Fans durch seelischen Schlamm geschleppt. Und nun bist du hier, in strahlendem Weiss, und lachst. Willkommen zurück.

"Uns" erscheint am 31.10. bei Indie Neue Welt.

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