David Schalko und Evi Romen zollen Fritz Langs »M – Eine Stadt sucht einen Mörder« im Serienformat Tribut. Ein Gespräch über den eigentlich unantastbaren Filmklassiker und ihren gemeinsamen Schreibprozess, über aktuelle politische Tendenzen und dennoch bestehende Hoffnung.
Welche weitere Herangehensweise gab es für Sie, dieses Projekt zu recherchieren?
Romen: Wir haben eine Herangehensweise gewählt, in der wir uns nicht in unsere Büros zurückgezogen haben, sondern durch die Stadt flaniert sind, und wir haben unsere Schreibtermine an verschiedene Orte dieser Stadt gelegt, um zu beobachten und Stimmungen einzufangen. Die Stadt ist die Hauptdarstellerin – daher muss man sich auch in ihr bewegen können.
In der Serie hat jede Gruppe, jedes Milieu eine eigene Agenda und es geht ja auch um die Mobilisierung von Angst – ein aktuelles Thema. Gibt es für solche gesellschaftspolitischen Situationen überhaupt Lösungsvorschläge?
Romen: Ich bin immer davon überzeugt, dass es Lösungen gibt.
Schalko: Viele Leute wollen das ja so. Eine Wahl entspricht immer einem gewissen Willen. Das muss man auch respektieren. Ich glaube, in dem Moment, in dem Politik einen gewissen Grundsatz verlässt, der entweder den demokratischen Boden oder den bürgerlichen Konsens in Bezug auf Rechtsstaat und Menschenrechte betrifft, hört der Spaß auf. Dann gibt es nur eine einzige Lösung, und die heißt: Widerstand.
Das wurde in der Kulturbranche letztens etwa auch bei der Verleihung des österreichischen Filmpreises angesprochen.
Romen: Wobei das ja immer ein Bad in der eigenen Badewanne ist – wie auch Ingrid Burkhard gesagt hat: ein warmes Bad. Widerstand muss aus den eigenen Reihen hinausgehen und muss sich zeigen, so wie das etwa bei den aktuellen Demos der Fall ist. Ich möchte aber betonen, dass wir »M« über mehrere Jahre entwickelt haben und wir daher nicht wissen konnten, wie die politische Situation sein wird, wenn die Serie erscheint. Erstaunlicherweise haben wir sehr viel vorhergesagt; nicht, weil wir so weise sind, sondern weil vieles sich bereits zuvor in Entwicklung befunden hat. Ich wage aber zu behaupten, dass die Realität wesentlich härter ist als unsere fiktionale Erzählung.
Schalko: Ich glaube mit Widerstand muss auch – unabhängig aller politischen Couleurs – ein gemeinsames Grundprinzip gemeint sein, welches es zu verteidigen gilt: dass man eben gewisse Dinge nicht verlässt, auf denen unsere demokratische und aufgeklärte Gesellschaft basiert. Dazwischen ist der Spielraum der Politik.
Romen: Für mich heißt das: Mensch sein, Mensch bleiben.
Herr Schalko, Sie haben in einem Interview einmal gesagt: »Wir leben in Zeiten, die uns mit einer Politikergeneration konfrontieren, die Gewaltentrennung im Staat, einen der wichtigsten demokratischen Grundsätze, nicht respektiert. Der direkte Weg zu herrschen steht über allem; und dieser direkte Durchgriff ist etwas sehr Präfaschistoides.«
Schalko: Das war aber schon, bevor Herr Kickl über den Rechtsstaat philosophiert hat. Im Prinzip ist das alles ja vorhersehbar. Was man wählt, das bekommt man auch. Es hat niemand jemals ein Geheimnis daraus gemacht, wie gewisse Kreise in der FPÖ denken oder was sie wollen. Das ist einfach nur die Deklination eines Gedankengutes, das sich seinen Weg bahnt. Die Fragen lauten eher: Wie lange halten sich solche Menschen in der Regierung? Und wo sind wir in drei Jahren? Das sind die Fragen, die mich interessieren. Und das hängt auch sehr stark mit unserem Bundeskanzler zusammen. Letztendlich hat er diese Menschen in die Regierung geholt und er ist somit auch mitverantwortlich dafür, wie weit sie gehen.
Romen: Ich habe gerade darüber nachgedacht, was du gesagt hast: Also, dass die WählerInnen das gewählt haben, was sie wollten. Ohne jetzt den Wähler/der Wählerin mangelnde Intelligenz zu unterstellen – ich habe immer folgendes Gefühl: Es wird so viel geschrien, dass man gar nicht mehr weiß, wo man hinhören soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man als Wähler/Wählerin wirklich weiß, was man kriegt, wenn man sein Kreuz macht. Denn vor lauter Geschrei kann man trotz aller Intelligenz nicht mehr durchblicken.
Die Serie zeigt – ähnlich wie Fritz Langs Film – gewissermaßen einen Vorabend und greift Ereignisse auf, deren Auswirkungen auf unser Leben noch nicht bekannt sind. Inwiefern gibt es dennoch Hoffnung in turbulenten und komplexen Zeiten wie diesen?
Schalko: Natürlich gibt es noch Hoffnung, um Gottes willen. Wir leben noch immer in einer totalen Luxusgesellschaft. Es ist der Menschheit – statistisch gesehen – noch nie so gut gegangen. In der gesamten Menschheitsgeschichte sind noch nie so wenig Menschen in Kriegen ums Leben gekommen. Der Lebensstandard war noch nie so hoch, die Armut noch nie so niedrig. Es ist eher erstaunlich, dass man sich in so dunkle Spiralen begibt, wenn es einem eigentlich so gut geht.
Romen: Ich glaube, es gibt einen wesentlichen Vorteil in unserer heutigen digitalisierten Welt: Es kommt einfach sehr viel ans Licht. Und wo Licht ist, da sieht man den ganzen Dreck, man sieht den ganzen Staub, der sich angesammelt hat, und den muss man zuerst wegwischen. Insofern bin ich eigentlich sehr positiv gestimmt: Mit Putzarbeit, mit Wachsamkeit, mit sehr viel Licht können wir, so denke ich, ein positives Zukunftsszenario vor Augen haben.
»M – Eine Stadt sucht einen Mörder« ist am 17., 20. und 22. Februar 2019 auf ORF eins zu sehen – jeweils in Doppelfolgen um 20.15 und 21 Uhr. Sieben Tage nach ihrer Ausstrahlung sind die einzelnen Episoden auch in der ORF TVthek abrufbar. Sowie ab 23. Februar beim Streaming-Dienst TV now.