Das Jugend Medien Festival Youki in Wels sucht in seiner 13. Ausgabe »Probierräume«. Der Coming-of-Age-Schnappschuss »Tilva Roš« findet solche unter Skatern in der serbischen Peripherie. Über Raumkämpfe wissen auch die Welser Skater zu berichten.
Jugend braucht Probierräume und erzeugt sie ständig. Ob real – in Form von Jugendzentren, Baumhäusern oder Jugendzimmern – oder virtuell und medial, Probierräume sind elementare Entwicklungs- und Schaffenssphären. Hier ist Platz zum Anprobieren von Selbstentwürfen und auch für das Scheitern im positivsten Sinne. Youki selbst dient gleichermaßen als Probierraum, seit das Festival 1999 zum ersten Mal stattfand: Während junge Filmschaffende von 10 bis 26 Jahren dazu angehalten sind, ihre Werke einzureichen, bietet das Programm Workshops mit Fokus auf unterschiedliche visuelle und filmbezogene Bereiche. Unter dem Motto des Peter Alexander-Lieds »Ein Schloss auf dem Mond« werden beim Festival verschiedene Probierräume diskutiert und vorgestellt. Dabei gibt es auch die Gelegenheit, Nikola Ležaićs erstaunliches Debüt-Drama »Tilva Roš« zu sehen. Ležaić folgt darin dem Skate-Team Kolos, dessen Figuren und Lebenswelten in der ehemaligen Bergwerksstadt Bor zum Großteil auf realen Personen basiert. Der Regisseur wurde auf die beiden Teenager Stefan Đorđević und Marko »Toda« Todorović durch deren einstündige DIY-Doku »Crap – Pain Is Empty« aufmerksam und entwickelte darüber die Geschichte zu »Tilva Roš«. Die Leidenschaft der beiden sind selbstverletzerische Stunts im Stil von Formaten wie »Jackass« oder »Dirty Sanchez«. Ihre selbstgedrehten Videos sind wesentlicher Bestandteil des Films und werden wiederkehrend in die sonst geradlinige Indie-Ästhetik eingebettet.
Begleitend zur Vorführung werden junge Welser Skateboarder ihre eigenen Erfahrungen mit dem Erobern von Probierräumen diskutieren. Während die Kids in »Tilva Roš« sich von Politik weitestgehend fern halten, stellte nämlich die Welser Skate-Szene, die sich um 2001 herauskristallisierte, Forderungen an die Stadt. Stilistisch sehr stark abweichend von früheren Ansätzen einer Skater-Kultur in den 80ern, begann die Subkultur, den öffentlichen Raum für sich neu zu erschließen. Statt Unterstützung brachte die Stadtverwaltung der Bewegung allerdings Missbilligung und Barrieren entgegen. Zehn Jahre später kann von einem Sieg gesprochen werden, die Stadt Wels ist heute im Begriff, den Bau einer Skatehalle umzusetzen. Von der Straße werden die Skater damit aber nicht zu verbannen sein, denn die Stadt als Bühne bietet ihre eigenen Reize.
Diesen Kampf um Anerkennung vor Ort dokumentiert auch das Video »Deckerinnerungen«, das bei der Youki-Gala Mitte Oktober präsentiert wurde. Die Doku belegt schon in ihrer Form den Stellenwert, den Gemeinschaftsgefühl in der Skate-Kultur hat: Die Erzählungen aus dem Off werden kaum bestimmten Gesichtern zugeordnet, sondern beliebig zusammengeschnitten, was den Eindruck der Szene als Zusammenschmelzen zur Gemeinschaftsidentität verstärkt. Ähnliches Zusammengehörigkeitsgefühl vor dem heimeligen Hintergrund einer Landjugend zeigt auch »Tilva Roš«. Das Skate-Team Kolos in Bor definiert sich ebenfalls über eine enge Gruppenstruktur. Wer aufgenommen werden will, muss zuerst um die Gunst der Protagonisten werben.
Dass Frauen bzw. Mädchen in dieser Sphäre offenbar keinen Platz haben, wird in »Deckerinnerungen« klar ausgesprochen, will jedoch unhinterfragt bleiben. Auch für »Tilva Roš« wurde das einzige Mädchen der Gruppe von außerhalb geholt und war die einzige unter den Jugendlichen, die als Schauspielerin gecastet wurde. Die Gestaltung ihrer Rolle fällt leider sehr platt aus und erschöpft sich in der Darbietung des Objekts der Begierde, das gleichsam einen Keil in die Bubenfreundschaft treibt. Das 13. Youki Festival stellt jedenfalls mit »Tilva Roš« eine treffsichere Verknüpfung aus internationalem Abräumer und regionalem Zeitgeschehen her.
Das Internationale Jugend Medien Festival Youki findet von 22. bis 26. November in Wels statt.