Die vierte Ausgabe der Demokratie-Simulation ist schmerzhaft realistisch und genial frustrierend.
Spiel Videospiele, haben sie gesagt. Da kannst du herrlich abschalten, haben sie gesagt. Well… »Democracy 4« macht da nicht mit. Die Runden-basierte Demokratie-Simulation von Cliff Harris und seinem Ein-Mann-Studio Positech Games ist so realistisch, dass sie schon wieder schwarz-humorig erscheint. Ein Minister will zurücktreten, weil meine sozial-liberale Politik seine religiösen Unterstützer:innen empört? Dann gibt’s halt das Go für staatlich gefördertes Bibelfernsehen. Meine linke Wählerschaft wird es mir verzeihen, habe ich doch gerade eben erst Abtreibungen finanziell unterstützt – in Wahrheit in der Hoffnung, so die Konkurrenzfähigkeit als Wirtschaftsstandort zu retten, die seit drei Spielzügen nicht aufhört, rot zu blinken.
»Democracy 4« ist in seiner Präsentation auf den ersten Blick nüchtern. Aber all die farbigen Punkte am Hauptbildschirm stehen für Maßnahmen und statistische Auswirkungen und wenn ich mit dem Mauszeiger darüber fahre, erscheinen rote und grüne Linien mit kleinen Pfeilen drauf. Und über sie wird ein beeindruckend komplexes Netz gewoben, von Einflüssen und Korrelationen. Und umso mehr ich an Reglern drehe und neue Gesetze verabschiede, Ministerien neu besetze und moralische Dilemmata zu lösen versuche, umso spürbarer entsteht da die Geschichte eines Landes und eines verzweifelten Versuchs, die nächsten Wahlen zu überstehen und trotzdem noch in den Spiegel schauen zu können.
Für Menschen mit einem moralbefreiten Mindset, wie es immer mehr PolitikerInnen an den Tag legen, ist »Democracy 4« ein solides Strategiespiel, auf das immer nur indirekt eingewirkt werden kann. Jede Entscheidung hat vor und Nachteile und deren Abwägung geht weit über klassisches Ressourcenmanagement hinaus. Besonders empfiehlt sich das Spiel allerdings jenen, die sich gerne auch über Politik den Kopf zerbrechen. Nach ein paar Stunden entsteht eventuell sogar ein Anflug von Mitleid mit allen denen, die Demokratie mit echten Wähler:innen spielen müssen.
»Democracy 4« ist momentan als Beta im Early Access für PC erhältlich.