departure Interviews, Pt.3: comfortzone

Die Musik ist im Umbruch. comfortzone stellt sich mit einem internationalen Vertriebssystem und einem diskursiven Newsletter auf die Veränderung ein. Das Projekt erhielt von departure eine Förderzusage.

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Seit 2009 besteht das Label comfortzone und versucht seitdem, feministische und queere Positionen in der elektronischen Musikszene zu vertreten und eine Plattform dafür zu geben. Der stilistische Rahmen bleibt dabei eher undogmatisch, sodass Stücke der Klangforschung bis hin zu Clubsounds auf den bisherigen Platten zu findensind.

Mit der departure-Förderung soll der Aufbau eines internationalen Vertriebssystems bzw. der Vertrieb über Trost gestärkt werden. Außerdem wird ein zweimal jährlich erscheinender englischsprachiger Newsletter ins Leben gerufen, der Raum für Diskurs schaffen und den klassischen Promotext damit ablösen soll. Dieser diskursive Impuls ist laut Mitbegründerin Christina Nemec als Reaktion auf die Verlagerung des Musikmarktes ins Internet zu verstehen. Der Newsletter soll in Zusammenarbeit mit namhaften Musikjournalisten und Journalistinnen entstehen und relevanten Magazinen beigelegt werden.

Christina Nemec oder Chra, wie ihr musikalisches Alter Ego lautet, hat dazu ein paar Fragen beantwortet.

Was wird an der comfortzone post neu bzw. innovativ sein?

Die comfortzone post soll selbstverständlich einerseits das Label bekannter machen und damit die Artists, andererseits auch aktuelle Diskussionen rund ums Produzieren, Performen und Vertreiben aufgreifen, sowie stilistische Trends und künstlerische Positionen behandeln. Da wir es als Beilage für ausgewählte Musikmagazine in englischer Sprache konzipieren, können wir –wenn wir eine größere Auflage drucken – den Folder auch unseren Vertriebspartnern und Partnerinnen zur Distribution schicken, ebenso unseren redaktionellen Partnerinnen und Partnern. Weiters wollen wir redaktionell nicht nur mit Musikjournalisten und -ournalisten arbeiten, sondern auch mit befreundeten Labels, wie etwa Laton, und dem Festivalnetzwerk ICAS (International Cities for Advanced Music). Dadurch versprechen wir uns zusätzlich mehr Reichweite und Relevanz.

Mit welchen Medien werdet ihr konkret Kooperation anstreben?

Kooperationen mit Skug, Wire und De:Bug sind geplant.

Was bietet ihr als Label euren Artists? Deckt ihr auch Bereiche wie Management, Booking, Merchandising etc. ab?

Wir betreiben klassische Produktionsbegleitung und Produktionsabwicklung ab Mastering, Promotion, Vertrieb (national als auch international) und stellen unsere Kontakte zur Verfügung. Auch Managementtätigkeiten, teilweise Booking (Kooperationen mit befreundeten kleinen Agenturen) und Merchandising im kleinen Rahmen behandeln wir. Die Bereiche sind durchaus noch ausbaufähig, schließlich besteht das Label in der Form erst seit Herbst 2009 und ist momentan ein Einfraubetrieb.

Wie genau kann man sich die „comfortzone post“ als Diskursplattform vorstellen? Wie werdet ihr den Diskurs entfachen bzw. am Laufen halten?

comfortzone post soll sich insofern als Diskursplattform positionieren, als dass es in diesem Bereich in bestimmten Themenfeldern, die unser Aufgabengebiet sind, noch wenig (Pop-)Literatur gibt, etwa über Kumbia Queerness Electro in Südamerika. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern von ICAS wollen wir auch beleuchten, wie Vernetzung und gegenseitige Festivalunterstützung es möglich machen, dass es zum Beispiel auch in südamerikanischen Städten selbstverständlich Festivals für elektronische Musik (Independent nicht Mainstream) gibt. Für 2012 und 2013 plant comfortzone einen Südamerika-Schwerpunkt. Kanada soll über die Kooperation mit dem ICAS-Netzwerk abgedeckt werden. Parallel dazu finden Kontaktanbahnungen und Austausch mit japanischen Künstlerinnen und Künstlern, Festivals und Distributoren statt.

Wie sieht eure Zielgruppe aus, welche Ansätze zum Crowdsourcing bzw. zur Fanbindung gibt es?


Wir sehen unser Publikum auf Augenhöhe und engagieren uns. Wir versuchen, gute Shows zu spielen, gute Vorträge zu halten, unsere Plattformen informativ und attraktiv zu gestalten und setzen auf die einzelnen Nischen und Subszenen der von uns veröffentlichten Artists.

Aus welchem Grund strebt ihr den Aufbau eines internationalen Vertriebssystems an? Wird der Vertrieb nicht weiterhin über Trost laufen? Wie wird die Zusammenarbeit mit Trost in Zukunft aussehen?

Selbstverständlich läuft der gesamte Vertrieb weiterhin über Trost – aber international wird über Trost mit vor Ort spezialisierten Vertrieben und Mailordern wie Cargo, Boomkat und Forced Exposure gearbeitet.

Ein Motiv für den angestrebten Aufbau des Vertriebs ist, dass der österreichische Musikabsatzmarkt derzeit für ein Label wie comfortzone, das sich nicht auf Musik aus Österreich spezialisiert – ganz im Gegenteil – nicht profitabel sein kann.

Was bedeutet die Verlagerung des Musikmarktes ins Internet für euch? Werdet ihr dem Vinyl treu bleiben oder soll Zukunft mehr digital releast werden?

Selbstverständlich wird es weiterhin Veröffentlichungen auf Vinyl und wenn gewünscht auf CD geben. Digital läuft nebenher und wächst langsam aber stetig an. Für bestimmte Platten ist der digitale Verkauf derzeit noch nicht relevant, weil wir zum Teil Sammlerstücke releasen.

Was genau soll die geplante App für regelmäßige Updates und Termine außerdem beinhalten und wie werdet ihr diese bewerben?

Daran arbeiten wir gerade. Im Grunde genommen soll es die Inhalte der comfortzone post enthalten und Tracks, die wir anlässlich unseres dreijährigen Jubiläums ab Herbst produzieren lassen. Eventuell auch kleine Instrumente zum selber spielen.

Wie findet die Vernetzung feministischer bzw. queerer Inhalte auf eurem Label statt? Inwieweit stellt dies auch ein Kriterium für die Selektion der Artists dar?

Wer das aktuelle Programm des Labels durchblättert sieht, dass wir bis auf wenige Releases feministische bzw. queere Künstlerinnen und Küntler veröffentlichen. Die Selektionskriterien verändern sich selbstverständlich mit den Erfahrungen, die wir mit den Artists machen. Mittlerweile bevorzugen wir Musikerinnen und Musiker, die bereits Erfahrung haben, ihre Tätigkeit ernst nehmen und mit unseren Grundsätzen arbeiten wollen und können.


Wird es (weiterhin) Zusammenarbeit mit anderen Plattformen wie Female Pressure, Femous oder Ladyshave geben? Bzw. wo gibt es Abgrenzung?

Selbstverständlich gibt es inhaltliche Überschneidungen und auch gemeinsame Veranstaltungen bzw. bewirbt man sich auch gegenseitig. Die comfortzone-Musikerinnen Chra und Cherry Sunkist sind ja Female Pressure-Mitglieder und Chra ist wiederum auch Mitglied von Femous. Die Abgrenzung besteht einfach darin, dass comfortzone ein Plattenlabel ist. Das sind die anderen eben nicht.

Wie sieht euer Zeitplan für die Zeit der Förderung aus? Wie werdet ihr euch finanzieren, wenn keine Fördergelder mehr fließen?

Im Herbst sollen die erste comfortzone post, die App und eine 3-Jahres-Compilation erscheinen, nächstes Jahr die Folgenummern. Parallel arbeiten wir ja an weiteren vier bis fünf Releases und kleinen Tourneen. Unser Partner Trost zeigt vor, dass man auch langfristig ohne Förderungen arbeiten kann – immerhin bald 17 Jahre. Die Finanzierung des Labels hängt selbstverständlich davon ab, welche Künstlerinnen und Künstler veröffentlicht werden und ob sich die Tonträger verkaufen bzw. über Bookings Geld rein kommt oder sich kleine Aufträge etwa beim Film oder Theater ergeben.

Was genau ermöglicht euch die Förderung, was ansonsten nicht umsetzbar gewesen wäre?

Die Grundinvestition in die Entwicklung der Idee. Nach der Evaluation zeigt sich, ob die Idee auch ohne Förderung finanzierbar sein wird.

Worin liegen die Schwächen eures Plans, wo besteht noch Verbesserungspotential?

Die Schwäche liegt darin, dass bei der Detailkonzeption mehr Kosten anfallen als ursprünglich geplant – das heißt eine Optimierung der Ressourcen ist anzustreben.

In der Vorbereitung des Focus-Calls wurde die Bereiche Distribution, Management, Rights Management und Live als besonders viel versprechend ausgemacht. Inwiefern ist euer Projekt in diesen Bereiche aktiv?

Wie oben schon beschrieben betreiben wir Bereiche wie Promotion, Werbung in Form von Inseraten, Marketing und Vertrieb (sowohl national als auch international), Betreuung, Managementtätigkeiten, teilweise Booking (in Kooperationen mit befreundeten kleinen Agenturen) und Merchandising im kleinen Rahmen. Bezüglich Rights besteht die Überlegung, einen Verlag gemeinsam mit Trost zu gründen. Derzeit sind wir auf der suche nach größeren internationalen Verlagspartnern.

Einreicher: Christina Nemec – comfortzone

Projekt: comfortzone international

Programm: focus Musik 2011

Programmlinie: departure focus

Schwerpunkt: Musik

Förderquote: 60%

Gesamtfördersumme: EUR 18.090

departure fördert den Aufbau eines internationalen Vertriebssystems, die Konzeption des Newsletters sowie die Entwicklung der Applikation.

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