Bonny Bear aka Bon Iver aka Justin Vernon plus Band war gestern Abend erstmalig in Österreich und der ausverkauften Wiener Open Air Arena zu Gast. Die Show des zweimaligen Grammy-Gewinners brachte das erwartet großartig-große Kino. Nikolaus Ostermann hat Stills gemacht, Stefan Niederwieser Gedanken.
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Es war ein bisschen kurz. Das ist aber auch schon das einzige, was man da gestern aussetzten konnte. Ansonsten hat sich dieser Mann jeden Preis verdient, den man ihm wünschen kann. Eine perfekte Mischung aus Weirdness, blutiger Emotion, Folk-Impressionismus und künstlerischen Verfremdungen schallte aus der Arena Wien hinaus in die Erdberger Nacht. Unter dem Gebälk der Open-Air-Bühne hing Moos, das die Projektionen nur so halb durchließ, die Bühne selbst war zu einem sanft pulsierenden LED-Altar umgebaut. Makellos angerichtet.
Erste Überraschung: der sonst eher geduckte Sound von Bon Iver funktioniert auch blendend auf der großen Bühne. Wenn bei "Perth" etwa der Bass das Fundament verlegt oder auf "Hinnon, TX" seine bauchigen Akzente setzt. Wenn sich insgesamt neun Musiker auf der Bühne abrackern und ganz ohne Posen das Letzte aus den Songs herausholen. Zweite Überraschung: Justin Vernon sagt "Y’all", obwohl Wisconsin eigentlich nicht gerade zu den Redneck-Staaten der USA zählt. Dritte Überraschung: Er singt genauso wie auf Platte. Was auch sonst? Nunja, immerhin klingt das doch sehr kräftezehrend. Es macht einen Teil der Faszination aus, dieses Aus-Sich-Heraus-Pressen, als würde er sich seine Songs therapeutisch abzwingen. Dass die Stimme dann doch ganz samtig in die Eingeweide schoss, war zumindest nicht selbstverständlich. "Woods" etwa, eine Autotune-Symphonetta, die so ähnlich auf einem zu hören war, performte Justin Vernon im Chor mit seinen eigenen Autotune-Loops. Da waren sie auch, die kleinen Schlenker und Verzierungen, die gerade genug Schub und Druck auf einzelne Silben legen, die er aber dennoch so zurückhaltend einsetzt, dass es nicht gekünstelt wirkt.
Und vonwegen gekünstelt: "Beth/Rest", Bon Ivers Coverversion des ALF-Intros, offenbarte live speziellste Qualitäten der Band. Immer wieder waren im Rhythmus kleine Fallen eingebaut, Akkorde werden früher oder später gewechselt, als man das gelernt hat. Diese Brüchigkeit und Verfremdungen von manchmal gefälligen und bekannten Genres hatten schon Wilco perfekte Punktlandungen und Weltruhm eingebracht. Quer durchs Konzert stand einem da der Mund offen. Am Ende durfte man den sogar einsetzen: bei "The Wolves Act I & II" wurde mitgesungen. "What might have been lost / what might have been lost / what might have been lost / what might have been lost." Darauf kann sich wirklich jeder seinen eigenen Reim machen. Ja, wir sind knapp daran vorbeigeschrammt. Musik als Gegengift für die Hinterhältigkeiten des Lebens. Viel mehr geht nicht.