Der Zweite wird der Erste sein – Waves Vienna 2025, Tag zwei

Der Herbst hat sich pünktlich zum Start von Waves Vienna in Wien breit gemacht – trotzdem haben die Venues am Gürtel schon am Donnerstag begonnen sich aufzuwärmen.

© Alexander Galler / Dieses Jahr ist wieder die Bühne im Rhiz »presented by The Gap«.

Tag zwei? Wo ist Tag eins? Wir beginnen unsere Recaps dieses Jahr quasi verspätet – aber nicht wirklich. Denn der erste Tag galt völlig der feierlichen Eröffnung des fünfzehnten Jahres von Waves Vienna im Volkstheater und steht außer Konkurrenz, fand sich hier doch der eher arrivierte Teil der österreichischen Musikszene ein, um Geld für eine kommende UK Residency einzuspielen. So leitete Oska, die XA-Gewinnerin von 2020, höchst charmant durch den Abend, während Christina Stürmer, Josh, Teya, Yasmo, Hearts Hearts, Farce, Hans Platzgruber und Oskar Haag jeweils ein Zwei-Song-Miniset spielten. Zum Waves Vienna zieht es uns aber jährlich wegen den neuen, den unbekannten oder zumindest den bislang kaum gesehenen Acts. Und die waren eben erst ab gestern Abend zu bestaunen.


Rose May Alaba

Österreich | B72

Wer Rose May Alaba in den letzten Jahren zu wenig genau verfolgt hat – mea culpa! – mag bei der Beschreibung »Afrobeat« im Pressetext etwas verwundert sein. R&B: Ja. Afropop: Ja. Sogar diverse Indiekonglomerate hätten für zustimmendes Nicken gesorgt. Doch bereits ab dem ersten Song zeigt sich, dass das alles mehr als clubtauglich und tempotechnisch meist solide im »Up-« angesiedelt ist. Begleitet wird Alaba live von einer kleinen Band (Decks, Keys, Gitarre), was der Performance eine deutlich spürbare Dynamik verpasst. Auch das Publikum scheint das zu spüren: Beginnt das Set noch in einem eher spärlich gefüllten B72, schwillt die Menge, wie magisch angezogen, zunehmend an. Wer gegen Ende dann noch nicht in Bewegung versetzt wurde, muss wohl angenagelt sein. (bf)


Makrohang

Ungarn | Rhiz

Makrohang (Bild: Alexander Galler)

Jazz for Metalheads – so beschreibt sich das etwas nerdig aussehende Trio Makrohang aus Budapest. Die Instrumentalisten sorgen im Rhiz für wippende Köpfe und ein gebannt zusehendes Publikum. Mein erstes Set beim Waves Vienna startet laut und gleichzeitig lässt es mich treiben: Mit energiegeballten Riffs und wummernden Basslines spricht die Band mein Metalherz an – baut diese Härte dann aber mit gefühlsintensiven, leiseren Passagen, wieder ab. Makrohangs abwechslungsreicher Experimental Rock lässt Vocals an keiner Stelle vermissen. (sh)


Jøl

Spanien | Café Carina

Jøl (Bild: Klaus Zwinger)

Die komplett in schwarz gekleideten Jøl haben einen Edge, der ihre musikalische Ausrichtung schon vor Beginn ihres Auftritts im Café Carina erkennen lässt. Die fünf Spanier klettern auf die Bühne, der Drummer zählt den Takt ein und los geht’s. Viele Einflüsse kommen da zusammen – Industrial Rock, Synth-Punk und sogar Postpunk Momente. Nach zwei etwas zurückhaltenden Nummern bin ich überzeugt. Mit Späßen wie »It’s mandatory we get naked for the next one« bringt das Quintett die Zuseher*innen zum Schmunzeln. Hart aber irgendwie herzig. (sh)


Mwita Mataro

Österreich | Fanialive

Mwita Mataro ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt für uns – egal, ob mit seiner bisherigen Band At Pavillon oder erst vor Kurzem als Filmemacher. Nun hat er beim Waves Vienna das Livedebüt mit seinem neuen Solomusikprojekt hingelegt. Was erstaunlich roh – im positiven wie negativen Sinn – beginnt, behält sich im weiteren Verlauf des Sets zwar diese anfängliche Energie, während Band und Tontechnik sich jedoch zunehmend einzugrooven scheinen. Da ist noch einiges an ungenutztem Potenzial zu spüren, aber es ist auch schon sehr viel davon auf der Bühne umgesetzt. Und selbst wenn das musikalisch alles wesentlich weniger spannend wäre, als es zum jetzigem Zeitpunkt bereits ist, sollte eigentlich Mwita Mataros Charme alleine reichen, um – wie er schmunzelnd prognostiziert – in fünf Jahren die Arena Wien auszuverkaufen. (bf)


Ziferblat

Ukraine | The Loft Main Floor

Ziferblat (Bild: Klaus Zwinger)

Supergut: Waves Vienna. Auchsupergut: ESC. Zumindest beachtenswert: Mit den Ukrainern Ziferblat spielt erstmals (vage Annahme, aber wird wohl stimmen) eine Gruppe auf ersterem, nachdem sie im Vorjahr schon auf zweiterem, nur leicht größerem Event, aufgetreten ist. In Basel wurden sie Neunte, zu welcher Platzierung es beim Waves reicht, bleibt abzuwarten, mangels Ranking, zählt vor allem: Ihr Synthpop (Betonung auf der letzten Silbe) blabla scheint zumindest sehr gut anzukommen. Davon zeugen einige, ukrainische Hardcore-Fans (Publikumsumfrage, da geht das Herzerl auf) in der ersten Reihe mit Dauer-Handyfilmen und Mitschreien. Da geht sich ein Stockerlplatz aus, ich sag: Vizemeister der Herzen. (do)


Beaks

Österreich | B72

Eigentlich ist ja sämtliches Publikum am Waves per definitionem too cool for school, diejenigen sehr vielen, die wirklich too cool for school sind, wagen den fünfminütigen Weg zum B72, wo die Gruppe spielt, die too cool für jene ist, die too cool for school sind: Beaks, die – behaupten wir einfach einmal – österreichischen Dry Cleaning (die letztens in St. Pölten waren, Beaks zu Dry Cleaning ist quasi wie Wien zu St. Pölten). Mit dem wunderbar sonoren Sprechgesang ist Beaks eine absolute Ausnahmeerscheinung in der (im internationalen Kontext) nicht besonders edgy heimischen Musikwelt und sicher aktuell der Act mit dem größten internationalen Vermarktungspotenzial. Und: Sunglasses at Night! Und: Current Joys Cover! Und! (do)


Stone Sober

Ungarn | Kramladen

Stone Sober (Bild: Klaus Zwinger)

Die Luft im bereits gut gefüllten Kramladen riecht nach Bier: perfekt für psychedelischen Garage Rock. Bei Stone Sobers Auftritt fühlt man sich ein bisschen wie in einem amerikanischen Rockschuppen in den Siebzigern. Oder als würde man über staubige Highways in der Wüste brettern, bereit für intergalaktische Abenteuer: Dabei ist das Duo nicht aus den USA, sondern aus Ungarn. Das Riff-getriebene Gitarrenspiel des Sängers ist gritty, die lauten Cymbals der Schlagzeugerin sind kraftvoll. An dieser Stelle des Abends tu ich mir dann aber auch die Ohrenstöpsel rein, um einem Tinnitus vorzubeugen. (sh)


Keyhan and the Juns

Österreich | The Loft Main Floor

Was ist tanzbare Musik? Da sind auf der einen Seite die schnellen, mitreißenden, upbeat Nummern, die dich so mit Adrenalin, Dopamin etc. vollpumpen, dass du gar nicht anders kannst, als in Bewegung zu geraten. Das ist das Eck, in dem ich mich meistens zuhause fühle. Und dann gibt es auf der anderen Seite aber noch das zweite Eck im Club, das langsame, verschwitzte und sexy-laszive. Das mit intensivem Körperkontakt. Wer sich dort beheimatet fühlt – oder wie ich dort hin und wieder gerne Urlaub macht–, wird bei Keyhan and the Juns sicher fündig. Wenn der Keyboarder mit permanentem Stank Face auf der Bühne steht ist das jedenfalls schon mal ein gutes Zeichen. Auch wenn sich die musikalische Variation in den 45 Minuten eher in Grenzen hält und das Ganze mit vollem Ensemble und Backing Vocals sicher noch mehr Druck aufbaut, war das selbst für jemanden aus dem anderen Eck eine nette Stippvisite. (bf)


Lovehead

Österreich | B72

Lovehead (Bild: Emanuel Ullmann)

Die Anithese zu Fuckhead (inhaltlich, personell) ist vermutlich der heißeste österreichische Act derzeit und jener mit der besten redundanten Zeile der letzten Jahre: »Denkst du an mich, wenn du unsere alten Bilder siehst?« Bejahung als Reflex wäre natürlich auch im ganz okay gefüllten B72 das Gebot der Stunde. Allgemein ist jedoch tendenziell das Waves-Vienna-Publikum wohl nicht ganz jenes von Lovehead, die mit ihrem verträumten und ziemlich chartstauglichen Poprock noch einmal deutlich jünger positioniert sind und auch am Popfest etwas besser gepasst haben, vor allem bei den vielen Mitmach-Stellen (»nanana« etc.) Auch sie haben allerdings ein paar Die-Hards am Start – scheint ein Trend zu sein! (do)

Das Waves Vienna 2025 fand von 1. bis 4. Oktober 2025 in diversen Wiener Gürtellokalen statt. Hier finden sich die Berichte von Tag drei und Tag vier.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...