Querdenker wie Max Borka sind im Designbusiness selten. Nun hat sich der Autor und Kurator, der heuer Gast bei der Vienna Design Week ist, ganz dem Social Design verschrieben. Von Design ohne Utopie hat er genug, von Che Guevara nicht.
Was hat die klassische Designwelt damit zu tun?
Es ist sehr schwierig, die zwei miteinander in Verbindung zu bringen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass es sehr viele Projekte gibt, die in Richtung Social Design gehen und die auch von der Industrie unterstützt werden. Denn die großen Unternehmen ahnen zum Teil schon, dass es so nicht weitergehen kann. Und sie fragen sich, wie etwa Mobilität in Zukunft ausschauen könnte. Die klassische Designwelt hingegen ignoriert das und tut so, als ob es das nicht gäbe.
Natürlich erinnert unser ganzes Wirtschaftssystem an einen Zug, den man nicht zum Stillstand bringen kann. Aber dennoch muss man es versuchen. Social Design und das klassische Design, das sind derzeit Parallelwelten. Aber es geht nicht um etwas Komplementäres, sondern um etwas komplett Neues. Social Design sollte das klassische Design ersetzen.
Und welche Rolle übernimmt dann der gelernte Designer?
Ich werde in Wien ein kleines Buch vorstellen, in dem ich 100 Gedanken zusammengestellt habe, das trägt den Titel »100 Images Of Things To Come«. Es handelt sich um eine Art »tactical manual«, mit meinen Visionen. Ich habe entdeckt, dass es unheimlich viele Social Design-Projekte gibt, aber sie nennen sich nicht Design, weil sie aus einer ganz anderen Welt kommen. Die haben alle sehr viel gemeinsam. Zum Beispiel die Tatsache, dass es nicht um einen Entwurf für den Kunden geht, sondern um etwas für die Community. Die Gemeinschaft ist das wichtigste Material, nicht mehr Holz oder Plastik. Es geht um Menschen. Und der Designer fungiert wie ein Konsulent für das Ganze. Die Gemeinschaft ist es, die schließlich selbst eine Lösung findet.
Das erinnert stark an den Designpionier Victor Papanek, der ähnliche Gedanken vor 40 Jahren propagiert hat.
Deshalb bin ich so froh, dass ich mein Projekt in Wien machen kann. Denn Papanek ist ja hier geboren. Ich kann zu Papanek eigentlich wenig hinzufügen, seine Visionen und Ideen haben nichts an ihrer Bedeutung verloren. Aber er war zu früh. Denn erst heute gibt es auch die Bedingungen, die Medien und Materialien, die eine gemeinschaftliche Veränderung möglich machen. Ob das nun Internet oder 3D-Druck ist. Früher waren Papaneks Ideen Utopie in dem Sinn, dass sie nicht realisierbar waren.
Ein Beispiel: In den 80er Jahren machte sich ein Mann namens Simon Berry Richtung Sambia auf. Dort war er schockiert darüber, dass die medizinische Versorgung nicht funktioniert. Aber überall im Lande konnte man Coca-Cola kaufen. Daher kam er auf die Idee, Medizin in Coca-Cola-Kisten mittransportieren zu lassen. Doch er kam damals nicht über die Idee hinaus. Heute hat er mit Netzwerken und Crowdfunding die Möglichkeit, seine Vision zu verwirklichen.
Glauben Sie, dass sich Designer mit dieser Rolle identifizieren?
Ich arbeite als Dozent in Potsdam, und ich muss sagen, die Studenten sind davon total begeistert. Wenn Designer ihr Studium beenden, bleiben sie auch meist an dem Thema dran. Doch wenn sie kein Feedback bekommen, machen sie dann nach zwei Jahren eben auch einen neuen Stuhl – auch wenn ich jetzt vielleicht übertreibe. Darum hab ich mein Mapping-Projekt gegründet. Es gibt zwar Organisationen, die versuchen, Social Design-Projekte zu vernetzen, aber oft sind sie sehr akademisch und sie kennen sich zu wenig mit Kommunikation aus.
Fehlen den Designern die Visionen?
Jeder Designer ist ein Doppelwesen, man kann ihm niemals trauen. Es wird immer die Dichotomie geben zwischen Utopie und Pragmatismus. Das wichtige ist, dass man seine Utopie sehr klar formuliert und sehr hoch ansiedelt. Die meisten Designer, die wachsen, vergessen ihre Utopie. Natürlich gibt es nichts, das zu 100 Prozent eine Utopie verwirklicht. Oft bleibt nur 3 Prozent. Aber bei sehr vielen Dingen gibt es 0,0 Prozent Utopie.
Zum Beispiel bei Möbelmessen?
Da ist die Utopie 0,0 Prozent. Dann wird ein bisschen Content hineingesteckt und dann sind es 0,1 Prozent.
Was werden Sie in Wien bei der Design Week machen?
Wir werden nicht nur das Buch vorstellen, sondern eine Woche lang jeden Tag ein Event machen, unter dem Motto »Form follows Foco«. Das ist eine Theorie nach Che Guevara, die besagt, dass auch eine kleine Gruppe eine riesige Revolution auslösen kann. Ich werde einen Koffer mitbringen, der einige Tools beinhaltet, die eine Diskussion oder eine Handlung auslösen können. Die Idee ist, nicht eine Ausstellung im klassischen Sinn zu machen, sondern eine Diskussionsplattform zu schaffen, die auch in andere Länder wandern soll. Ein mobiles Forum zu Social Design, das zur Diskussion stellt, was Design in Zukunft sein kann, soll und muss. Eine wichtige Frage dabei lautet: Wie verbindet man das heutige Design mit dem neuen? Wie kann man den Wiener Leuchtenhersteller Lobmeyr mit Social Design verbinden? Ein schöner Gedanke übrigens. Ich glaube, das geht.
Max Borka stellt bei der Vienna Design Week von 27. September bis 6. Oktober sein Manifest vor und wird jeden Tag eine revolutionäre Zelle namens »Form Follows Foco« betreiben.