Bei der Diagonale wird Jahr für Jahr die Liebe zum (österreichischen) Film spürbar. Die neuen Festivalleiter*innen Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar über ihre persönlichen Lieblinge aus der österreichischen Filmgeschichte sowie -gegenwart.
Claudia Slanar
»Zechmeister«
1981, Regie: Angela Summereder
Dieser Film hat mich einfach umgehauen, als ich ihn das erste Mal gesehen habe, weil er ein Beispiel für eine hybride Form des Dokumentarfilms ist, die zu der Zeit (und in Österreich) ganz ungewöhnlich war. Mit Reenactments und performativen Elementen waren Film und Regisseurin ihrer Zeit voraus – und Angela Summereder konnte danach auch länger nicht arbeiten, wie sie mir einmal selbst erzählt hat.
»Powder Placenta«
2015, Regie: Katrina Daschner
Ich mag mehrere Teile dieser lose an Schnitzlers »Traumnovelle« angelehnten Serie der Künstlerin – oder eigentlich alle! An dieser Episode gefällt mir die Verschmelzung von fluiden queeren Körpern mit Natur, in die gerade der Saft schießt. Alle erwachen aus einer Erstarrung, sind gleichermaßen sensibilisiert und sinnlich. Sie verwerfen gängige Kategorisierungen und Hierarchien.
»Wankostättn«
2023, Regie: Karin Berger
Von Karin Berger könnte ich jetzt alle Filme nennen. Aber ich wähle trotzdem den neuesten: Es sind Aufnahmen von Karl Stojka, dem Bruder von Ceija Stojka, wie er vom Leben der Rom*nja im nationalsozialistischen Wien und in der Wankostättn-Siedlung im zehnten Bezirk berichtet. Er tut dies spazierend und umkreist so ein Gebiet, das es nicht nur nicht mehr gibt, sondern auf das auch kaum etwas verweist – außer dieses Dokument des performativen Erzählens.
»The Letter«
2019, Regie: Belinda Kazeem-Kamiński
Belinda Kazeem-Kamiński ist eine bildende Künstlerin, die unter anderem auch mit Video arbeitet. »The Letter« ist sehr dicht gewoben und erzählt in eindrücklichen, wunderbar komponierten Bildern und Text von unaufgearbeiteter österreichischer Kolonialgeschichte. Im Archiv spukt es, die Performer*innen, die inmitten von Aktenschränken agieren, scheinen zwischen den verschiedenen Zeitebenen wandeln zu können und wirken manchmal wie Gäste aus der Zukunft, in der andere Narrative möglich sein werden.
»Nella Fantasia«
2012, Regie: Lukas Marxt
Für mich sind Lukas Marxts Arbeiten aus der österreichischen Filmlandschaft nicht mehr wegzudenken. Er schafft es immer wieder, überraschende audiovisuelle Kompositionen herzustellen, in denen er über Landschaft(en), Geschichte und die Menschen darin nachdenkt. »Nella Fantasia« ist eine relativ frühe Arbeit, die den dokumentarischen Aspekt seiner Filme stärker herauskehrt, aber ebenfalls vom Blick fürs Surreale geprägt ist.
Claudia Slanar wurde 1972 in Wien geboren und studierte dort Kunstgeschichte sowie am California Institute of the Arts Aesthetics and Politics und Creative Writing. Slanar war Kuratorin beim Ursula Blickle Video Archiv und für die Programmierung sowie die Administration des Blickle Kinos im Belvedere 21 in Wien zuständig. Im Juni 2023 hat sie gemeinsam mit Dominik Kamalzadeh die Leitung der Diagonale übernommen.
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