Bei der Diagonale wird Jahr für Jahr die Liebe zum (österreichischen) Film spürbar. Die neuen Festivalleiter*innen Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar über ihre persönlichen Lieblinge aus der österreichischen Filmgeschichte sowie -gegenwart.
Dominik Kamalzadeh
»Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?«
2004, Regie: Gerhard Benedikt Friedl
Die engen Verbindungen zwischen Wirtschaft und Kriminalität als eine sich ständig selbst aushebelnde Chronik von Kalamitäten und Anekdoten: Friedls Film ist eine Absage an jeden Versuch, so etwas wie politische Realität adäquat abzubilden. Ein radikaler Film, der für mich immer noch weiter »wächst«, weil er seiner Zeit voraus war.
»Amour fou«
2014, Regie: Jessica Hausner
Vielleicht mein Lieblingsfilm von Jessica Hausner, in dem sie Liebe als rhetorische Anstrengung entlarvt. Für mich demonstriert er ihre so typische Mischung aus Ironie, Zärtlichkeit und ein klein bisschen Gemeinheit besonders schön. Die Komik zeigt sich im Pathos und umgekehrt. Formvollendet bis ins ausstatterische Detail.
»Die Geträumten«
2016, Regie: Ruth Beckermann
An Ruth Beckermann fasziniert mich, dass sie immer wieder nach neuen Ausdrucksformen sucht. Dieser Film über die Briefwechsel von Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist minimalistisch in seiner Studioaufmachung, aber ozeanisch in seinem Tiefgang. Kino als Sprach- und Ausdruckskunst.
»Langsamer Sommer«
1974–1976, Regie: John Cook
So nahe kam der österreichische Film der Nouvelle Vague nie wieder: Ein Film über zielloses saisonales Driften, in dem es um labile Männerfreundschaften, die unglückliche Liebe zu Frauen und nicht zuletzt darum geht, ein zeitgenössisches Abbild der Praxis des Wiener Herumsumperns zu erhaschen.
»Phantom Fremdes Wien«
1991 / 2004, Lisl Ponger
Noch einmal Wienbilder, diesmal jene der unterschiedlichsten ethnischen und kulturellen Nischen: Lisl Pongers Film zeigt die versteckten Orte der Hauptstadt, in denen Menschen sich mit ihrer mitgebrachten Identität befassen. Mir gefällt daran auch, dass alles ein bisschen wie eine Show wirkt: ein Akt der lustvollen Verkleidung und Zerstreuung.
Dominik Kamalzadeh wurde 1973 in Wien geboren und studierte dort Theater- und Filmwissenschaft. Er war Filmkritiker und später auch Kulturredakteur bei der österreichischen Tageszeitung Der Standard sowie Teil der Redaktion der Filmzeitschrift Kolik Film. Im Laufe seiner bisherigen Karriere kuratierte er bereits diverse Filmprogramme und -reihen. Im Juni 2023 hat er gemeinsam mit Claudia Slanar die Leitung der Diagonale übernommen.
Die Diagonale 2024 findet von 4. bis 9. April in Graz statt. Nähere Informationen zum Programm sind unter www.diagonale.at zu finden. Unsere gesammelte Diagonale-Berichterstattung findet ihr hier.