Die Zeit ist Now

Die letzten beiden Jahre waren rasant, ihre Entwicklung ist erstaunlich: Bilderbuch zertrümmern mit ihrem dritten Album "Schick Schock" gläserne Decken und ergründen neue Universen.

Die These, es gäbe eine Bilderbuch-Zeitrechnung vor und nach den wasserstoffblonden Haaren, ist nach außen hin also irgendwie zulässig. Und ja, die Band ist nicht ganz uneitel. Als etwa bei den Amadeus Awards 2014 auch Mando Diao mit blond gefärbten Haaren auftraten, war Maurice ganz fertig, wie er alle Zuseher wissen ließ, als die Band die Bühne betrat. Gerade so, als hätte man ihm da etwas gestohlen. Wer nun aber ätzt und glaubt, dass im Indiebereich doch Melodien, Texte und Inhalte viel wichtiger sein sollten als das ganze Auftreten und die Moden, der hat etwas nicht ganz verstanden.

Bilderbuch haben sich da rausgeholt, weil sie auch das begriffen haben: Wie wichtig etwa Pressefotos sind, Artwork, Instagram, Facebook und ganz besonders Videos. Natürlich ist es zu einfach, einen Neustart an einer Haarfarbe und ein paar bunten Hemden festzumachen. "Feinste Seide" ist zu einem Leitmotiv der Band geworden, dem Parolen wie "Plansch" oder "OM" folgten, es ist auch eine der ältesten Nummern auf dem Album und war der erste Songtitel, der feststand. Über "Schick Schock" wird nun viel geschrieben werden, zertrümmert es doch die gläserne Decke des österreichischen Indie-Universums ziemlich mühelos.

Mittlerweile spielt es Damon Albarn im Erdgeschoss des Nightliners. Wir nähern uns der deutsch-österreichischen Grenze und schweifen ab, außerdem will der Lambadschuna-Cup (es geht um FIFA) auf der Playstation fertig gespielt werden.

Tour de Force

Einige der Businsassen freuen sich auf zu Hause, denn auch wenn die vorangegangenen Wochen toll waren, waren sie auch sehr anstrengend. Immer wieder änderte sich die Nightliner-Besetzung im Zuge der sechs Wochen Tour mit den Beatsteaks, es gab sehr viel zu tun. Das Artwork zu "Schick Schock" entstand zwischen Wien und Köln. Bis Leipzig, ungefähr zur Halbzeit der Tour, stand die Band in ständigem Kontakt mit Wien, wo in der Zwischenzeit die Masters für das Album fertig gemixt wurden. Es kam immer wieder vor, dass der oberste Beatsteak milde lächelnd, aber immer wohlwollend – er weiß ja, wie das ist – in den Bilderbuch-Backstage-Raum blickte, wo betriebsame Menschen flink Computer bedienten und in Telefone sprachen.

Für das Video zu "OM", an dem ab Köln so richtig intensiv gearbeitet wurde, sprintete die Band direkt im Anschluss an die zweite Berlin-Show über Nacht nach Linz ins Studio – in das Filmstudio, in dem auch "Maschin" entstand – um "OM" zu drehen. Zwei Tage später waren alle wieder in Hamburg und zurück auf Tour. Dazu kam ein fieser, kleiner Noro-Virus, der die halbe Belegschaft für zwei Tage außer Gefecht setzte. Aber bei diesem Video sah man wieder, wie weit sich die Band entwickelt hatte: Karma, Ganzkörperfarbe, weite Stoffe, Relaxen und überhaupt – wer singt schon über Yoga mit Style?

Hit

Bilderbuch trauen sich das zu. Obwohl sie oft noch als Indieband wahrgenommen werden, haben sie sich in Wirklichkeit schon lange von den Konventionen verabschiedet. "Wir haben zwei Jahre fast nur HipHop gehört. Das war auch ein Anstoß, nicht mehr nur aus unserer Indie-Tradition heraus zu agieren, sondern mit neuen Sachen zu experimentieren", meint Peter dazu. Vor allem Kanye Wests "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" hat sehr viel in der Band ausgelöst. Es hat den Blick auf Musik grundlegend verändert, wie Maurice sagt.

Und statt es nur geil zu finden, hat die Band daraus gelernt. Andere Einflüsse zulassen, die auch durch den HipHop- und Jazz-Background des neuen Drummers verstärkt wurden, Stile verbinden, Raum und Stille zulassen, in der sich Maurices Stimme und Mikes Gitarrensoli, die eine ganz eigene Charakteristik entwickelt haben, entfalten und austoben können, Sex zulassen. Am offensichtlichsten war das, wenn sie live einen Djembé-Spieler auf die Bühne holten, der auch sein eigenes Trommelsolo hatte. Meistens waren ihre Brüche aber subtiler. Wie etwa die Fanfaren in "Maschin", die mit Midi von der Gitarre gespielt wurden.

Bild(er) © Illustration: Bernhard Kettner, Nikolaus Ostermann; Fotos: Nikolaus Ostermann; Bilderbus: Pille (Schlagzeug), Christoph Kregl (Management), Maurice (blonde Haare), Peda (Bass) im Bilderbus beim Welterobern
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