Die Zeit ist Now

Die letzten beiden Jahre waren rasant, ihre Entwicklung ist erstaunlich: Bilderbuch zertrümmern mit ihrem dritten Album "Schick Schock" gläserne Decken und ergründen neue Universen.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung wurde auch schon kurz nach "Feinste Seide" klar, wie viele Überlegungen in den wenigen Worten stecken, die Bilderbuch singen. Einen doppelten Boden einbauen, das kann schließlich jeder. Drei Böden und Finesse, ein bisschen kreative Unverständlichkeit und die richtige Balance mit den Instrumenten, das wollen Bilderbuch in ihrer Musik erreichen.

Mit "Maschin" haben sie eine ganze Menge erreicht, nicht nur 1.300.000 Klicks auf Youtube. Es hat auch viel Wertschätzung von anderen Musikern gebracht, man begegnet sich auf Augenhöhe. "Nach dem Song werden die Leute auf euren Konzerten in zehn Jahren noch schreien", hatte Maxim von K.I.Z. erst am Vorabend gemeint. Backstage-Gespräche drehen sich dabei um Sounds, um Songs, um Performance, um Erfahrungsaustausch, um Business und um Hits. Abgehangen wird mit K.I.Z., Casper und Jürgen Drews. Konzerte im Berliner Technotempel Berghain oder im Wiener Performance-Haus Brut, Auftritte bei Joko und Klaas auf Pro7 oder im Café Puls – auch so war klar, dass der Anspruch der Band heute viel größer ist. Es geht um Pop. Daran hat die Band seit Jahren gearbeitet. Zweitbester sein, das reicht nicht.

Im Bus ist in der Zwischenzeit schon wieder weitergearbeitet worden und eine große Entscheidung gefallen. Ein paar Anrufe werden getätigt, ein paar Knöpfe gedrückt, eine Stunde später kündigen Bilderbuch mit einem Arena Open Air im Juni ihre bisher größte eigene Show an. Es kann manchmal sehr schnell gehen.

Durch die Galaxis

Für "Schick Schock" hat die Band insgesamt zehn Jahre gebraucht. Die Sprache dient als roter Faden auf der Reise durch das große, bunte Pop-Universum, in das uns Bilderbuch mit dem logischen Opener "Willkommen im Dschungel" einführen – Samples, zucken, Prince, Maurice rappt. "Es kommt ein neuer Tanz auf", kündigt er im Refrain unmissverständlich an. Soll keiner sagen, wir wären nicht gewarnt worden. Er hätte aber ruhig die Mehrzahl verwenden können, denn das nun folgende "Feinste Seide", der rappende Rock-Bastard, das uns in Sicherheit wiegende "OM" und das verschmitzt groovende Bassline-Monster "Spliff" zeigen schon, warum "Schick Schock" mehr ist als nur eine Indie-Exitstrategie.

Es ist ein unglaublich facettenreiches Popalbum und es gibt nichts, das in seiner Gesamtheit so klingt wie das hier. Das wird spätestens dann klar, wenn sich das Album über den getriebenen Sex im Titeltrack "Schick Schock" und die süße Liebe in der R’n’B-Ballade "Soft Drink" – in der Albumversion mit fettem Rap-Part, der an Busta Rhymes in seinen besten Tagen erinnert – bei "Barry Manilow" landet. Falco darf man natürlich erwähnen und das darin bewusst gezeigte Lokalkolorit, das doch nie zum Selbstzweck, sondern auf Augenhöhe mit den Flow-dienlichen Anglizismen eingestreut ist.

Sechs Nummern lang wird man da mit bunten Raketen aus allen Himmelsrichtungen beschossen und auf einmal steht das Raumschiff still. Flächig getragen zieht die Gitarre den Vorhang des Panaromafensters auf und wir sehen das eben durchkreuzte Universum in stiller Erhabenheit vor uns liegen. Ein extrem schleppender Beat setzt ein und plötzlich wird alles klar. "Sie schöpft ihre Kreativität aus der Stille", flüstern Maurice und die dunkle Stimme im Hintergrund. Das sitzt.

Zum Glück holen uns Bilderbuch aus der Sprachlosigkeit aber wieder raus. Es gibt ja noch Hoffnung. Wir müssen ja noch die "Rosen zum Plafond" schmeißen und wenn sie meint, wir müssen gehen, dann gehen wir zumindest tanzen! Im Pool, oder in der Disco in Jesolo. Dort läuft gerade der rocky "Gigolo" und will uns gemeinsam mit Jesus Fiskus von unserer Schuld erlösen. Ja, mach doch, wir kommen gemeinsam in Kanada runter! Oder in "Gibraltar". Es ist das logische Omega, das uns wehmütig an die Zeit zurückdenken lässt, als zwar auch nie alles gut war, aber zumindest das Internet funktioniert hat. Sehnsucht birgt immer auch Hoffnung. Dafür Applaus.

Inzwischen sind wir in Linz angekommen. Mike und Pille steigen aus, der Rest der Belegschaft fährt weiter nach Wien, wo sich die weiteren Wege vorerst für zwei Wochen zerstreuen, aber der Faden bleibt. Wir haben ja Internet.

Nikolaus Ostermann hat Bilderbuch schon früh fotografiert und auch das Cover zu "Nelken und Schillinge" gemacht. Im Herbst 2014 war er mit ihnen auf Tour und konnte sich dabei als eingebetteter Journalist fühlen. Bilderbuch spielen neben einer umfangreichen Deutschland-Tour auch mehrere Termine in Österreich: 11.3. Innsbruck, 12.3. Rockhouse, 13.3. Graz, 14.3. Linz, 1.4. Wien, 18.6. Arena Open Air, Wien.

Das Album "Schick Schock" von Bilderbuch erscheint am 20. Februar via Maschin Records.

Bild(er) © Illustration: Bernhard Kettner, Nikolaus Ostermann; Fotos: Nikolaus Ostermann; Bilderbus: Pille (Schlagzeug), Christoph Kregl (Management), Maurice (blonde Haare), Peda (Bass) im Bilderbus beim Welterobern
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