Während sich der Designdiskurs oft auf große Namen und Ikonen konzentriert, setzt eine Berliner Institution auf die Erforschung der Produktkultur: Das Museum der Dinge ist im Kleinen heute schon dort, wo andere noch hin sollten.
Seit Herbst wird in Deutschland heftig über ein neues Designmuseum diskutiert. Nein, Blödsinn, stimmt gar nicht. Richtig ist: Im vergangenen Herbst wurde vom deutschen Rat für Formgebung das Projekt »Deutsches Design Museum« ins Leben gerufen, das dem Thema Design jene Bühne verschaffen soll, die es sich verdient. Blöd nur, dass es noch keine Finanzierung des Projekts in Berlin gibt und dass der Aufruf, sich an einer Diskussion über die Ausrichtung einer solchen Institution zu beteiligen, nur bedingt euphorisch aufgenommen wurde. So trefflich unsere deutschen Nachbarn über alle möglichen Themen streiten können, hier herrscht eher beredtes Schweigen – sowohl in den Internet-Foren als auch in den klassischen Medien. Dass Berlin allen Grund dazu hätte, sich über ein Designmuseum zu freuen, liegt auf der Hand: Bürgermeister Wowereit würde ja am liebsten London den Rang als Kreativ-Mekka ablaufen.
Doch anstatt an einer großen Lösung zu basteln, könnte man doch Vorhandenes genauer unter die Lupe nehmen. Denn siehe da: Das »Werkbundarchiv – Museum der Dinge« macht in Berlin-Kreuzberg schon seit Jahren vor, wie Designvermittlung auf hohem museologischen Niveau funktioniert. Indem man nämlich das Label Design vergisst und sich auf die Dinge der Warenwelt konzentriert, um Näheres über sie im Speziellen und das Leben im Allgemeinen herauszufinden. Hier werden Designklassiker mit anonymen Produkten in Dialog gebracht, Handwerk mit Massenerzeugnissen zusammengespannt, die Waren der BRD mit jenen der DDR gemixt. So ergeben sich Einblicke über Verwandtschaften und Unterschiede, Produktionsbedingungen und Modewellen – und das alles ganz ohne den moralischen Beigeschmack, die richtige und gute Form vermitteln zu wollen. Was insofern verwunderlich ist, weil ja gerade der Werkbund eindeutig Stellung dazu bezogen hat, was gut ist und was nicht.
Stars und Standards vs Standpunkte und Struktur
»Wir verstehen uns nicht als Designmuseum im üblichen Sinne«, so die leitende Kuratorin Renate Flagmeier. »Bei den Designmuseen gibt es aus meiner Sicht eine gewisse konzeptionelle Hilflosigkeit. Ähnlich wie in der Kunstgeschichte werden große Namen ins Rampenlicht gestellt und den Designobjekten wird quasi Unikatcharakter verliehen, obwohl sie meist für den Massenbedarf entworfen wurden.« Meistens gehe es dabei nur um das Wiedererkennen von bereits Bekanntem, etwa einer Designikone von Philippe Starck. »Doch man kann aus der Gestaltung von Objekten Standpunkte ablesen. Jeder kann sich fragen, was ist mir wichtig. Wir verstehen das Museum als einen Ort der Verhandlung, wo man über Qualitäten, Bedeutungen etc. diskutieren kann. Nicht zur Vermittlung eines Kanons, sondern als eine offene Struktur.«
Das mag für einige anstrengend klingen, denn noch immer suchen viele Museumsbesucher Antworten und nicht Fragen. Dass es im Museum der Dinge anders läuft, verdankt sich der Reflexionslastigkeit des Hauses, das bis 1999 »Werkbundarchiv – Museum der Alltagskultur des 20. Jahrhunderts« hieß und nicht immer das Glück hatte, in seinem Ansatz verstanden zu werden. »1999 funktionierte unser Name noch nicht so gut, die Begeisterung dafür kam erst in den vergangenen Jahren auf«, so Flagmeier. Von 2002 bis 2007 war man gar ohne Standort, ehe man in einem ehemaligen Werksgebäude in Kreuzberg eine neue Heimat fand. Die Mittel sind allerdings nach wie vor bescheiden: Die jährliche Subvention beträgt rund 350.000 Euro, es gibt gerade einmal vier fix angestellte Mitarbeiter, der Rest arbeitet projektbezogen. Mit einer Ausstellungsfläche von 550 m2 (schon inklusive der etwa 100 m2 für Sonderausstellungen!) spielt man flächenmäßig in der Bezirksliga, für größere Ankäufe – wie jüngst eine Frankfurter Küche – müssen Sondermittel beantragt werden.
Bestehendes Bündeln
Das allein wäre schon Grund genug, sich gegenüber hochtrabenden Designmuseum-Plänen skeptisch zu zeigen. »Da bin ich gespalten. Die Initiative geht ja vom Rat für Formgebung aus, dessen Ziel bekanntlich ist, deutsches Design zu promoten. Insofern ist das auch verständlich. Aus strategisch-politischen Gründen finde ich die Diskussion schon gut, weil dadurch das Thema Design wahrgenommen wird«, so Renate Flagmeier. »Museologisch hab ich allerdings meine Zweifel, ich hab den Eindruck, dass das Konzept genau in die gleiche Richtung gehen soll wie oben beschrieben: Designgeschichte als Geschichte der großen Persönlichkeiten.« Berlin habe ein natürliches Interesse daran, sich als Kreativstadt zu positionieren. »Aber dazu braucht es nicht ein neues Haus, sondern man könnte auch das bereits Bestehende bündeln, also gemeinsame Strategien entwickeln vom Museum der Dinge, dem Bauhaus-Archiv mit der Sammlung industrielle Gestaltung oder der Designabteilung des Kunstgewerbemuseums.«
Und in Österreich?
Die Situation erinnert ein wenig an Wien. Denn auch hier ist Design auf viele Häuser verteilt. Ein eigenes Designmuseum steht gar nicht zur Diskussion, aus allgemeinem Desinteresse nicht und erst recht nicht in Zeiten schrumpfender Kulturbudgets. Wer sich nach dem Abgang von Peter Noever erwartet hatte, der neue MAK-Chef Christoph Thun-Hohenstein würde aus dem Haus am Stubenring ein Designmuseum machen, täuschte sich. Denn dieser stellt gleich zu Beginn klar, dass ein Verzicht auf Kunstgewerbe, Architektur und vor allem zeitgenössische Kunst gar nicht in Frage käme. Aus strategischen Gründen ist dies verständlich, schließlich muss der Direktor darauf schauen, dass sein Haus ein möglichst breites Publikum anspricht. Immerhin wurden einige Design-Initiativen vom MAK angekündigt, u. a. eine große Ausstellung zum Thema Sustainable Design noch vor dem Sommer und eine Art Dauerausstellung zum österreichischen Design im MAK-Tower im Dritten Bezirk (wohin sich allerdings sicher nicht die Massen verirren werden).
Auch andere Häuser setzen auf das Thema Design: das Hofmobiliendepot etwa auf Möbelgeschiche (derzeitige Ausstellung: Sixties Design), das Wien Museum auf Alltagskultur, Architektur und Möbel (Ausstellung im Herbst: Werkbundsiedlung), auch das Technische Museum streift immer wieder das Thema Design, nicht zu vergessen kleine Institutionen wie das Designforum und das Quartier 21 im Museumsquartier. Sie alle leisten einen Beitrag dazu, dass Design in der Stadt wahrgenommen wird, gegen eine bessere Vernetzung dieser Player wäre sicher nichts einzuwenden. Zu welchem Resultat eine solche führen könnte, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn bekanntermaßen haben derartige Kooperationen hohe Hürden zu überwinden, weil keiner dabei unter die Räder kommen will.
Definitiv fehlt in Wien jedenfalls ein Museum der Dinge, d.h. ein Haus, das einem moderne Produktkultur nahe bringt und ein breites Designverständnis vermitteln kann – abseits von Labels, Namen und Pseudo-Glamour.