DIY Design

Ich baue, also bin ich: Die Do-it-Yourself-Bewegung hat die Designszene der vergangenen Jahre geprägt. Doch wie revolutionär und nachhaltig ist sie tatsächlich? Antworten darauf könnte man in einer neuen Ausstellung im MAK finden.

Dilettant <> Handwerk

Doch zu viel Zynismus ist nicht angebracht, denn der Trend zum DIY hat zweifellos positive Effekte. "Viele Leute können heute gar nichts Handwerkliches mehr im klassischen Sinn", so Sebastian Hackenschmidt. DIY gebe ihnen somit einen ersten Einblick in eine andere Welt, jenseits der Computerbildschirme. »Wesentlich ist auch das gemeinsame Machen, DIY übernimmt hier eine soziale Funktion«, erklärt Thomas Geisler. Martina Fineder wiederum erinnert an das "Autoprogettazione"-Projekt des Italieners Enzo Mari aus den frühen 70er Jahren: Dessen Baupläne waren nicht zwangsläufig als antikapitalistische Anleitungen gedacht, sondern vor allem als Kritik an industriell gefertigter Ware von minderer Qualität. Geisler dazu: "Beim Bauen kriegt man eine Idee davon, wie viel Zeit in Dingen steckt, die von Hand gemacht wurden."

Die Erfahrungen mussten die Kuratoren übrigens auch selber machen, wurden sie doch von den aktuellen MAK-Designern-in-Residence, chmara.rosinke, zum Möbelbauen "verdonnert" (neben anderen Laien): Etliche so entstandene Selbstbaumöbel sollen in der Ausstellung bewusst machen, dass ihnen eben immer auch der Charme (oder der Makel) des Dilettantischen anhaftet. Einfache Entwürfe können letztlich niemals mit professionellem Handwerk konkurrieren: Wer einmal den lässigen "Berliner Hocker" aus der Hartz IV-Serie (um 10 Euro Materialkosten, mit 10 Schrauben in 10 Minuten zusammengebaut und beliebig modular erweiterbar) neben seinen Ideengeber, den berühmten "Ulmer Hocker" von Max Bill, stellt, weiß, warum Letzterer bei Vitra 180 Euro kostet.

Lange war die notwendige Einfachheit der DIY-Entwürfe deren größte Einschränkung, schwierige Konstruktionen sind einem unbedarften Publikum nicht zuzumuten. Das könnte sich allerdings in naher Zukunft ändern – dank der 3D-Drucker. Komplizierte Verbindungsteile etwa könnte man ausdrucken (lassen), den Rest des Materials besorgt man wie gehabt im Bauhaus. Da ist also noch allerhand Potenzial drinnen. "Vielleicht führen die wirtschaftlich schwierigen Zeiten sogar dazu, dass DIY bei manchen von der Bastelei zum zweiten Beruf wird", verweist Martina Fineder auf eine weitere Zukunftsfacette des Themas.

Ick bin ein Selberbastler

Zu welchen langfristigen Veränderungen es in der Designbranche durch DIY tatsächlich kommen wird und welche Rolle dabei den Designern selbst zukommt, ist noch nicht abzusehen. Auch ob eine Flut von Laien-Entwürfen zu befürchten ist, ist keinesfalls gesagt. Sicher ist: Wenn sie kommt, wird man paradoxerweise die Arbeit der professionellen Designer umso mehr zu schätzen wissen. In der Ausstellung werden übrigens ausschließlich Selbstbaumöbel gezeigt, die von "echten" Designern entworfen wurden – mit gutem Grund. Haben wir dank DIY nun ein "Neues befreites Wohnen?" Die Kuratoren haben diese Frage im Untertitel sicher rhetorisch gemeint, zu differenziert ist das Bild, das sich bietet. Und was ist schon echte Befreiung? Wenn man auf einem Berliner Hocker selbstgebackenes Brot isst?

Noch ein Wort zum eingangs erwähnten Victor Papanek. Enttäuschend und unverständlich ist es, dass in der Ausstellung keinerlei Leihgaben der Papanek-Foundation zu finden sind. Letztere befindet sich übrigens nicht – wie man vielleicht vermuten könnte – im entfernten Amerika, sondern ist gleich neben dem MAK an der "Angewandten" angesiedelt. Den Nachlass des gebürtigen Wieners haben vor einigen Jahren Martina Fineder und Thomas Geisler aufgespürt und nach Österreich geholt. An ihnen soll es nicht gelegen haben, dass ausgerechnet Papanek keinen Auftritt hat in einer Ausstellung, die nach einem Buch von ihm benannt wurde.

"Nomadic Furniture 3.0 – Neues befreites Wohnen« ist von 12. Juni bis 6. Oktober im MAK Wien zu sehen."

www.mak.at

Bild(er) © 1: MAK/Katrin Wißkirchen: Ausstellungsansicht 2: Tiago Rorke: "The Antler Chair" 3: Ken Isaacs: "Super Chair" 4: MAK/Katrin Wißkirchen: Ausstellungsansicht
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