Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die popkulturellen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Dominik Oswald aus 2024 besonders in Erinnerung bleiben wird, könnt ihr hier nachlesen.
Chat GPT sagt zu 2024: »2024 beeindruckte mit Beyoncé und Post Malone, die erfolgreich Country-Musik eroberten, und neuen Alben von Kendrick Lamar und Charli XCX, die die Musiklandschaft prägten. Im Kino begeisterten Blockbuster wie die Fortsetzung von ›Dune‹ und innovative Streaming-Produktionen. Die Olympischen Spiele in Paris setzten mit Nachhaltigkeit und Technologie neue Maßstäbe und sorgten weltweit für Begeisterung.« Na gut, wenn der das so sagt.
Top 10 Singles/Songs des Jahres
10. Die Tiere – »Türen«
Den deutschen Animals – ein Solo-Projekt von Ex-Muff-Potter-Gitarrist Dennis Schneider – gelingt der wohl treibendste Indierock-Kracher des Jahres, da können sich selbst die wiedergefundenen Herrenmagazin eine Scheibe abschneiden – vor allem vom superstarken Refrain: »Ich glaube an ein Leben / Aber nicht hier / Ich denke an was Schönes / Hinter dieser Tür«.
9. Acht Eimer Hühnerherzen – »Durchlauferhitzer«
Die Musik der Berliner Poppunker*innen strahlt – wie man auch laut Titel ihres neuesten Hits vermuten möchte – eine sehr heimelige Wärme aus: Kein Wunder also, dass selbst ein 1:43-Minuten-Track, in dem es vor allem darum geht, dass alles andere noch bescheidener ist, irgendwie beängstigend beruhigend ist.
8. Die Mausis – »In einem blauen Mond«
Keine Stimme ist so schön wie jene Stella Sommers. Was sie – bevor 2025 das nächste Album von Die Heiterkeit erscheint –, gemeinsam mit Max Gruber alias Drangsal als Die Mausis mit großen Abständen in die Regale stellt, ist nicht minder famos: »In einem blauen Mond« ist gleichzeitig Sehnsuchts-Hymne, Safe-Space-Claiming und doch gleichsam tieftraurig.
7. Resi Reiner – »God Bless Amerika«
Falls ihr es noch nicht wusstet: Resi Reiner ist so ziemlich die Beste. Und auch wenn es hier noch nicht alle wissen, im Entertainment-Country USA ist sie ein Star, dort schreien hunderttausend Menschen in den Hallen von New York bis Los Angeles ihre Zeilen! Beweis gefällig? Ihre famose Sehnsuchtselegie »God Bless Amerika« ist ein traumwandlerischer Song, der alles hat, was Resi Reiner ausmacht. Und das ist ja – die Amis wissen es – eine Menge!
6. Efeu – »Diskothek«
Eigentlich hätte »Diskothek« der junger Wiener Band Efeu fast alles, um richtig scheiße zu sein: Affektierter Gesang, dazu noch arrogant intoniert, 80er-Jahre-Synths, fast schon zu relatable Lyrics. Aber – sonst wären wir nicht an Ort und Stelle – auf diesem Track passt das alles einfach so gut zusammen, ein Song wie aus einem Guss, on point AF. Wiener Schickeria-Pop für den Plebs.
5. Die Nerven – »Ich will nicht mehr funktionieren«
Die größte Band Deutschlands entdeckt den Sloganism auf ihrem sechsten – dazu bitte umblättern. Das eindrücklichste Beispiel darauf: »Ich will nicht mehr funktionieren«, ein unverklausuliertes Pamphlet gegen den Funktionszwang im kapitalistischen Überlebenskampf, im Markt der Ungerechtigkeiten, gegen die Ausbeutung und für den Exodus – jede Zeile mit Messer zwischen den Zähnen. Wandtattoos für besetze Häuser und AMS-Wartesäle.
4. Team Scheisse – »Mittelfinger«
Jeder Song ein Hit: Darunter machen es die Bremer Popkulturlieblinge nicht mehr. Und Gefangene machen sie sowieso nicht. Dementsprechend rammt »Mittelfinger« ebensolches Griffelglied in die Augäpfel der Leute im Bus, der Tauben im Park und allen anderen Glotzenden – das ist relatable Content für Abgenervte.
3. Augn – »Habibi«
Die Band des Jahres – bitte nächste Seite beachten – hält den vermeintlich Weltoffenen mehr Spiegel vors Gesicht als Schnellschminkstationen im Warenhaus. »Habibi« ist genau so ein wütender Song, der Anbiederungs- und gleichzeitige Ablehnungsanwandlungen der Almans und Bobos so verknappt, dass selbst der letzte Depp versteht, mit was für Visagen wir uns Wählerstromanalysen teilen müssen. »Ich küsse deine Augen«, Augn.
(See?)
2. Paula Hartmann & Symba – »Uludağ und Sorgen«
Bevor sie sich in zu vielen zu ähnlichen Feature-Auftritten ergeben hatte, erschien mit ihrem zweiten Album »kleine Feuer« ein brennender Pfeil ins Herz ganzer Generationen – neben dem Mörderhit »schwarze SUVs« ist es aber vor allem »Uludağ und Sorgen«, der klaffendste Sadness-Trigger auslöst. Denn die bestimmt beste Lyrikerin im deutschen Popzirkus Paula Hartmann weiß das genau, wie wir alle da draußen: Egal, wie sehr du dir das Hirn mit Zuckerwasser verklebst, nichts ist so schwer wie der nächste Tag.
1. Rahel – »Nicht mal Nihilist«
Kein Song, kein Refrain, keine Melodie, keine Message, keine Traurig- und Hilflosigkeit, kein gar nichts, war in diesem Jahr (musikalisch) eindrucksvoller und kräftiger als dieser wunderbare Killertrack der sehr famosen Rahel. Ein Song, der erzählt von der Leere des Daseins zwischen klebrigen Körpern im eigenen Bett, Rastlosigkeit, Panikherzen und diesem schrecklichen allgegenwärtigen Abgefucktsein. Ein Charakter Strunk’scher Verzweiflung – aber so Wienerisch, so nahbar, so, ja, eindrucksvoll. Wer an »An ihr klebt so viel Dreck / und diese Leere« sein Herz nicht verliert, dürfte gar keines haben.
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